Donnerstag, 25. April 2024

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Drei sehr verschiedene Geschichten vom Tod

"Monsieur Lazhar" versucht Schulkindern über den Tod ihrer Lehrerin hinwegzuhelfen, "Natalie küsst", weil sie den Tod ihrer großen Liebe nicht überwunden hat, und in "The Grey" treibt der Tod seiner Eherfrau Liam Neeson in die tiefsten Schneewüsten Alaskas.

Von Hartwig Tegeler | 11.04.2012
    ""Meine Schule ist schön ... Aber in dieser schönen Schule hat Martine Lachance sich aufgehängt ..."

    Die Kinder einer kanadischen Schule müssen den Tod ihrer Klassenlehrerin verkraften.

    "Die packen mich alle in Watte. Es wäre mir lieber, wenn sie mit mir ganz normal umgehen würden, weißt du?"

    Eine junge Frau hat durch einen Unfall ihre große Liebe verloren.

    "Du bist gegangen. Und ich kann dich nicht mehr zurückholen."

    Und ein Mann wird seine Ehefrau nie mehr wiedersehen.

    Drei Geschichten, drei Filme über Menschen, die der Tod eines Angehörigen oder – wie im Fall der Schüler – einer wichtigen Bezugsperson aus der Bahn wirft. Wie können sie wieder Fuß fassen, wie nach dem Schicksalsschlag weiterleben? Manchmal, so wie in der ersten Geschichte mit dem Titel "Monsieur Lazhar". gelingt diese Rückkehr ins Leben mit der Hilfe eines Fremden.

    "Monsieur Lazhar" - Von Philippe Falardeau

    "Bachir Lazhar. Guten Tag, Madame Vaillancourt. - Sie sind der Vater von? - Der Vater von niemandem. Ich bin wegen dem Posten hier."

    Aus einem Zeitungsartikel hat Bachir Lazhar geschlossen, dass in der Schule in Montréal nach dem Selbstmord einer Lehrerin die Stelle dringend neu besetzt werden muss. Der Vorfall hat die Schüler traumatisiert. Mit einer Schulpsychologin, neuer Farbe im Klassenzimmer und mit Monsieur Lazhar, der den Job bekommen hat, soll wieder Normalität im Unterricht einkehren.

    Doch der aus Algerien stammende Ersatzlehrer spürt die Angst der Kinder, ihre Verwirrung und Trauer. Lazhar wünscht sich von Schülern wie von Eltern und Lehrern eine offene Auseinandersetzung mit dem Erlebten und will dazu den Aufsatz einer Schülerin veröffentlichen.

    "Würden Sie mir bitte erlauben den Text zu kopieren und in der Schule zu verteilen? - Ich finde den Text brutal. - Das Leben ist brutal und nicht der Text."

    Bachir Lazhars pädagogischer Ansatz spiegelt die Haltung eines Optimisten, vielleicht sogar die eines Idealisten. Der kanadische Regisseur Philippe Falardeau hat aus Evelyne de la Chenelières Theaterstück "Monsieur Lazhar" einen bewegenden Film gemacht. Behutsam und ohne voreilige Schlüsse zu ziehen schildert er in seiner subtilen, oft ergreifenden Studie den Schulalltag. Der algerische Darsteller Fellag und ganz besonders die Kinder spielen eindrucksvoll.

    "Monsieur Lazhar" von Philippe Falardeau – herausragend!

    "Nathalie küsst" - Romanverfilmung von Stéphane und David Foenkinos

    "Willst du wirklich ein Kind?' - Ja…"

    So plötzlich und unerwartet, wie Nathalie in François ihre große Liebe gefunden hat, wird sie ihr auch wieder genommen. François stirbt bei einem Unfall und Nathalie stürzt sich in ihre Arbeit, um zu vergessen. Sie macht Karriere, wird in der Firma befördert und hält ihren Chef, der ihr Avancen macht, auf Abstand. Bislang kaum wahrgenommen hat Nathalie Markus, einen eher unscheinbaren Mitarbeiter.

    "Ich komme wegen der 114 zu Ihnen. - Wegen der 114? - Ja, die Situation ist nämlich ein bisschen ..."

    Vollenden kann Markus seinen Satz nicht mehr, denn Nathalie fällt ihm ohne jede Vorwarnung um den Hals und küsst ihn. Als Markus seine Vorgesetzte am nächsten Tag auf den Kuss anspricht, ist die mindestens so verdutzt wie er am Tag vorher. Sie könne sich an keinen Kuss erinnern und schlage deswegen vor, das Ganze zu vergessen. Das aber kann Markus nicht. Er fordert nicht nur eine Erklärung von Nathalie ein, sondern auch ein Abendessen mit ihr.

    "Ich muss vorsichtig sein. - Aber wieso denn? - Ich bin dabei mich zu verlieben."

    Zusammen mit seinem Bruder Stéphane hat der französische Schriftsteller David Foenkinos seinen Roman "Nathalie küsst" verfilmt. Dabei setzt er ganz auf den Zauber von Audrey Tautou in dieser nicht übermäßig originellen und eben ganz und gar französischen Liebesgeschichte. Eine mit hübscher Musik von Sängerin Émilie Simon unterlegte Romanze, die von sanfter Melancholie und leisem Humor lebt und die zum Glück nie ins Seichte abgleitet.

    "Nathalie küsst" von David und Stéphane Foenkinos – empfehlenswert!

    "The Grey - Unter Wölfen" - Mit Liam Neesen, von Joe Carnahan

    "Bei der Hälfte der Dinge, die ich getan habe, wusste ich nicht warum. Aber ich weiß, dass ich hierher gehöre."

    Hier – das bedeutet Alaska. Dort, wo ewiger Winter herrscht, hat es den von Liam Neeson gespielten Biologen Ottway nach dem Tod seiner Frau hin verschlagen. Im Auftrag einer Ölfirma schützt er deren Arbeiter vor Angriffen von Wölfen. Als das Flugzeug, das ihn und andere aus der Mannschaft nach Kanada zurückbringen soll, in einem Schneesturm abstürzt, ist Ottway einer von sieben Überlebenden des Unglücks.

    Mitten in der Schneewüste gibt es nicht nur kaum Aussicht auf Rettung. Auch ein Rudel Wölfe belagert die Gruppe – alles übrigens ferngesteuerte und vom Computer animierte Tierfiguren, die dennoch furchteinflößend sind.

    "Die haben hier alles markiert. Das ist ihr Revier. Wir können hier nicht abwarten. Dann verhungern wir. - Übrigens hat dich hier niemand zu irgendwas ernannt."

    An dieser Stelle drängt sich förmlich das Bild vom menschlichen Leitwolf auf. Eine Rolle, die Ottway zugedacht ist und die Liam Neeson mit dem von ihm gewohnten Understatement spielt. "The Grey – Unter Wölfen" erinnert an "Der Flug des Phoenix" und "So weit die Füße tragen". Die monochromen Bilder transportieren die Eiseskälte von der Leinwand in den Kinosaal. Ein Abenteuerfilm mit packenden, hin und wieder aber auch schleppenden Momenten, der die Kraftprobe zwischen Mensch und Natur zum Thema hat.

    "The Grey – Unter Wölfen" von Joe Carnahan – akzeptabel!