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Dresden
Plattenbausiedlung steht unter Denkmalschutz

DDR-Plattenbauten hatten lange Zeit einen schlechten Ruf: Architektonische Einheitsware, oft heruntergekommen, Siedlungen für Menschen mit geringem Einkommen. In Dresden-Gorbitz allerdings, einem Plattenbaugebiet aus den 80er-Jahren, stehen jetzt mehrere Objekte unter Denkmalschutz.

Von Bastian Brandau | 04.10.2018
    Brunnen vor Plattenbausiedlung
    Denkmalgeschützter Brunnen im Dresdener Stadtteil Gorbitz (Deutschlandradio / Bastian Brandau)
    "Wir stehen auf dem Amalie-Dietrich-Platz, ehemaliger Platz der Bauarbeiter. Wurde in den 90er Jahren umbenannt, wie das mit so vielen Dingen war nach der Wende. Und hier befindet sich der sogenannte Märchenbrunnen. Ein Brunnen mit Fabelwesen, die aus Keramik hergestellt sind, die ineinander fließen, das ganze gefasst in einer Keramikbrunnenschale."
    Gebaut 1987 - und seit kurzem denkmalgeschützt. Passiert ist das auf Initiative von Mathias Körner, Rettungssanitäter, Gorbitzer. Ein gebürtiger Mecklenburger, der sich begeistert für das Dresdner Neubaugebiet, dessen Grundstein 1981 gelegt wurde. Gebaut am Hang mit viel Platz zwischen den typischen Plattenbauten mit ihren sechs Stockwerken, Typ Wohnungsbauserie 70, kurz WBS 70. Das war DER Plattenbau in der DDR, entwickelt in den 70er Jahren auf Beschluss der fünften Baukonferenz der SED. Ebenfalls vorgeschrieben war, dass in DDR-Neubaugebieten Kunstwerke aufgestellt werden: Wie der Brunnen steht nun auch ein Mosaik dahinter unter Denkmalschutz.
    Denkmalschutz nach 31 Jahren
    "Wir sehen ein Großmosaik, mit einem Abmaß von etwa drei mal 12 Metern. Das ist ein Großmosaik bestehend aus Keramiktafeln, in denen Elemente von Glas eingebracht wurden, die dann mit der Keramik verschmolzen sind. Und dieses Kunstwerk heißt Fuchs und Trauben. Von Gerhard Bondzin, einem Dresdner Künstler."
    Lokale Künstler, lokales Material, Bezug zur Region. So waren die Vorschriften. Dunkle Keramiktafel wie am Mosaik finden sich auch an Wohngebäuden an der sogenannten Mittelachse. Die Vorzeigepromenade des Stadtteils, an der auch Straßenbahnen den Hang hinauf- und hinabfahren. Viele der Plattenbauten des Typs WBS 70 sind heute kaum noch als solche zu erkennen. Verputzt, gedämmt, wirken einige wie Neubauten. Nicht jedoch die Hausnummer 31, die noch im Originalzustand ist und nun unter Denkmalschutz steht:
    "Die Loggien wurden mit kleinen Keramiktafeln veredelt. Hierbei gleicht keine Keramiktafel der anderen. Grob geschätzt sehen wir hier 200-300 Keramiktafeln. Die Keramiktafeln unterscheiden sich in ihrer Optik. Weil sie in einem sogenannten Keramikbrandverfahren hergestellt wurden."
    Mathias Körner aus Gorbitz vor denkmalgeschütztem Mosaik
    Mathias Körner aus Gorbitz vor denkmalgeschütztem Mosaik (Bastian Brandau)
    DDR-Keramikkunst
    Vor dem Gebäude befindet sich eine eingeschössige Gastwirtschaft, ebenfalls verziert mit Keramik-Kunst. Auch die Leuchtreklame ist noch original und nun geschützt. Beide Gebäude wirken etwas heruntergekommen. Eine Platte, die unter Denkmalschutz steht? Das möge sich nicht jedem sofort erschließen, sagt Hartmut Ritschel vom sächsischen Landesamt für Denkmalschutz. Aber das Gebäude stehe eben in einem sich schnell wandelnden Umfeld und sei beispielhaft für die damalige Bauweise:
    "Das ist die Kombination von einem sogenannten Wohnwürfel und dann der vorgelagerten Gaststätte, dem Gorbitzer Krug. Und der Wohnwürfel hat noch seine charakteristische Fassade, ist eben da noch nicht modernisiert. Im Unterschied zu den anderen, wo auch diese Kombination bestand. Und auch der Gorbitzer Krug hat noch seine fassadenkünstlerische Behandlung aus den 80er Jahren. Und in dieser Kombination ist das ein ganz seltenes, quasi einmaliges Beispiel."
    Das nun erhalten bleibt. Nicht besonders glücklich ist man darüber beim Eigentümer, der Eisenbahner Wohnungsgenossenschaft Dresden. Dort hatte man eine Sanierung geplant. Denn das Gebäude ist Teil eines Programms zum klimagerechten Bauen.
    Jürgen Hesse von der Eisenbahner Wohnungsgenossenschaft:"Wir haben jetzt versucht, die Gespräche aufzunehmen, nachdem es uns mitgeteilt wurde. Das Landesamt hat uns ja nun irgendwie erklärt, man würde da irgendwie eine Einigung finden. Die Stadt ja auch, obwohl das vorher mit dem Stadtplanungsamt und Umweltamt schon in eine andere Richtung beschlossen war. Nun muss man sehen, ob und in welcher Form man dann einen Kompromiss findet."
    Ein Kompromiss, der die Mieten nach dem Umbau erhöhen dürfte, so Hesse. Es ist der typische Konflikt zwischen privatem Besitz und öffentlichem Interesse am Denkmalschutz. Das öffentliche Interesse hat für Gorbitz auch ein Beschluss des Dresdner Stadtrats bekräftigt. Gorbitz ist das erste sächsische Neubaugebiet, in dem nun denkmalgeschütze Objekte stehen. So richtig rumgesprochen hat sich die Neuigkeit noch nicht. Denkmalsschützer Mathias Körner denkt daher schon über Infotafeln nach. Und über weitere Objekte im Wohngebiet, die er gerne schützen lassen möchte.
    Aufwertung des Stadtteils
    "Der Denkmalschutz für Gorbitz ist eine enorme Chance. Das muss natürlich belebt werden. Mich freut es sehr, dass die Kirche, die auch unter Denkmalschutz gestellt wurde, die Kirche in Gorbitz aus den späten 80er, frühen 90er Jahren, dass die Kirchgemeinde sich sofort angemeldet hat, dieses Jahr in wenigen Wochen, beim Tag des offenen Denkmals. Das ist das erste Mal, das Gorbitz daran teilnimmt, und gleich mit mehreren Projekten."
    Blick auf die braune Fassade des denkmalgeschützten Plattenbaus in Gorbitz.
    Denkmalgeschützter Plattenbau in Gorbitz (Deutschlandradio / Bastian Brandau)
    In Dresden genießt der Stadtteil Gorbitz keinen besonders guten Ruf. Wer hier lebt, wie Mathias Körner, sieht das anders. Auch hier sieht er Denkmalschutz als eine Chance.
    "Und das kann natürlich, wenn es gut gemacht wird, zu einer Emanzipation führen. Wir wohnen jetzt nicht mehr in einem degradierten Stadtteil, den alle für schlecht halten. Nein, schaut her, wir haben auch etwas."