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Dresdner Luftfahrt
Als der Osten dem Westen davon flog

Die 152 war das erste deutsche Passagierflugzeug und zugleich wichtigstes Projekt des DDR-Flugzeugbaus. Vor 60 Jahren hatte sie ihren Jungfernflug in Dresden. Allerdings währte der Traum vom Flugzeugbau in der DDR nur kurz.

Von Alexandra Gerlach | 04.12.2018
    Blick in den Innenraum des Passagierflugzeug 152 am Flughafen Dresden.
    Die 152 ist das erste deutsche Verkehrsflugzeugs mit Düsenantrieb (picture alliance/dpa - Sebastian Kahnert/dpa-Zentralbild/dpa)
    Gerhard Güttel ist voll in seinem Element. Flink wie ein Wiesel ist der drahtige 94-jährige ehemalige Testpilot über die kleine, schmale Stahltreppe in den aufgebockten Flugzeugrumpf der 152 geklettert, der in einem Hangar am Dresdner Flughafen seinen Standplatz gefunden hat - Güttels früherer Arbeitsplatz, sein Zuhause.
    Stolz strahlt aus Güttels Augen, als er das historische Überbleibsel großer Erwartungen in Augenschein nimmt. Die Entwicklung eines vierstrahligen Düsen-Passagierflugzeuges war ein ehrgeiziges Projekt der jungen DDR. Durch die Lizenz-Flugzeugserienfertigung der sowjetischen "Iljuschin 14" war Dresden bereits in den 1950er Jahren mit rund 21.000 Mitarbeitern der wichtigste Standort der DDR-Luftfahrtindustrie. Ende der 50er Jahre hatte Staatsratschef Walter Ulbricht den Flugzeugbau zur Chefsache erklärt und den Auftrag zum Bau des modernen Düsenflugzeugs erteilt. Testpilot Gerhard Güttel erinnert sich:
    Gerhard Güttel vor dem Rumpf des Flugzeugs 152
    Gerhard Güttel war Testpilot des Passagierflugszeugs des Typs 152 (Deutschlandradio/Alexandra Gerlach)
    "Und wie es losging, Deutschland baut wieder einen Flieger, Deutschland kriegt einen Militärflieger, Zivilflieger, die Lufthansa fängt wieder an, da war eine Aufbruchstimmung, da hat keiner an Feierabend gedacht, da hat jeder , dort waren alle Feuer und Flamme und das hat sich bis heute gehalten."
    Ein Projekt von höchster Bedeutung
    Für die Staatsführung der DDR war dieses Projekt von höchster Bedeutung und Priorität, wie Götz Ulrich Penzel, Sammlungsleiter und Kustode für die Luftfahrt im Dresdner Verkehrsmuseum, erklärt:
    "Die DDR wollte eigene Flugzeuge bauen, weil Luftfahrt schon immer High-Tech war. Das ist heute so und war auch damals so, und die DDR wollte einfach mitspielen, sie wollte auch ihre eigenen Flugzeuge herstellen und sie groß exportieren in die ganze Welt."
    Die Sowjetunion, die 1946 alles, was man zum Flugzeugbau brauchte, aus der ostdeutschen Besatzungszone in den Osten transportiert hatte, unterstützte das Projekt zunächst. Luftfahrt-Spezialisten und namhafte Konstrukteure, wie Brunolf Baade dürfen in die Heimat zurückkehren, um das erste Düsenflugzeug nach dem Krieg zu entwickeln und zu bauen.
    Absturzursache ungeklärt
    Nach vier Jahren Bauzeit war die erste Maschine vom Typ 152 fertig. Der erste Flug, am 4. Dezember 1958 verlief problemlos und dauerte nur knapp 35 Minuten. Doch die erwarteten Aufträge aus der Sowjetunion für das neue Düsenflugzeug blieben überraschend aus. Vier Monate nach dem erfolgreichen Erstflug stürzte die Maschine nahe Dresden ab und riss die Besatzung in den Tod. Der Untersuchungsbericht zum Unglück blieb lange unter Verschluss. Erst 1960 ging die nächste flugfertige Maschine vom Typ 152 an den Start, mit Testpilot Gerhard Güttel am Steuer.
    "Angst? Nein. Man ist angespannt, richtig!", sagt Grüttel. "Und da wird vorher gedanklich durchgegangen, wenn das passiert, wenn das ausfällt,…oder wenn das bloß bis dahin geht oder wenn das nachher nicht geht, was machste de dann. Und wenn man so vorbereitet ist, wartet man darauf, was während des Fluges eintritt. Also Angst ist ein falsches Wort!"
    Der Vogel flog, doch fehlendes Material und mangelnde Nachfrage sowie ungenügende Wettbewerbsfähigkeit führen bereits 1961 zum Aus des Projekts. Nochmals Götz Ulrich Penzel vom Dresdner Verkehrsmuseum:
    "Im Endeffekt ist es gescheitert, weil das Projekt einfach zu groß war für die Bedingungen, die die DDR damals hatte, ja, was das Material anging, aber auch die Manpower betrifft, die Maschinen, das Gelände, das war einfach zuviel."
    7.000 Mitarbeiter in der sächsischen Luftfahrtindustrie
    Für die unmittelbar am Projekt Beteiligten war die Einstellung ein Schock. Testpilot Gerhard Güttel blickt zurück:
    "Man war einfach erschüttert!"
    Was ist geblieben? Heute sind rund 7.000 Mitarbeiter in knapp 160 Unternehmen und Forschungseinrichtungen in der sächsischen Luft- und Raumfahrtindustrie beschäftigt. Fast alle haben ihre Wurzeln in der Luftfahrt-Pionierphase der jungen DDR. Heute, am 60. Jahrestag des Jungfernfluges der 152 wird in Dresden ein wenig gefeiert und auch der ehemalige Testpilot Gerhard Güttel wird dabei sein.