Donnerstag, 25. April 2024

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Dröge (Grüne) zur Lufthansa-Rettung
"Staat hat sich ein Stück weit Maulkorb von der Lufthansa auferlegen lassen"

Die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge kritisierte im Dlf das Vorgehen von Lufthansa-Großaktionär Heinz Herrmann Thiele. Es habe wie ein Erpressungsversuch gewirkt, die Insolvenz des Konzerns in den Raum zu stellen, sagte sie. Der Staat hätte sich zudem mehr Mitspracherecht sichern sollen.

Katharina Dröge im Gespräch mit Christoph Heinemann | 25.06.2020
Die Grünen-Politikerin Katharina Dröge im Bundestag
Die Grünen-Politikerin Katharina Dröge kritisierte aber auch, dass der Bund mit sehr viel Geld in die Lufthansa-Rettung eingestiegen sei ohne im Gegenzug ausreichend Mitspracherechte zu bekommen. (imago stock&people)
Fast 23 Jahre nach der Privatisierung der Deutschen Lufthansa kann sie wieder teilverstaatlicht werden. Dadurch können die schlimmsten Folgen der Corona-Pandemie abgefangen und eine Insolvenz verhindert werden. 138.000 Beschäftigte können in den kommenden vier Jahren nicht gekündigt werden. An diesem Donnerstag wird auf der außerordentlichen Hauptversammlung über ein staatliches Hilfspaket von bis zu rund neun Milliarden Euro abgestimmt, das neben Kredit und einer stillen Beteiligung auch einen direkten Einstieg des Bundes mit rund 20 Prozent des Kapitals vorsieht. Die Vorlage dürfte eine breite Zustimmung finden. Denn nun ist klar, dass der entscheidende Großaktionär Heinz Hermann Thiele mit seinen Stimmen die nötige Zweidrittelmehrheit nicht verhindern wird, berichtet die "FAZ".
Thiele kritisierte im Vorfeld, dass der Staat Anteilseigner werden soll. Nach Ansicht des Großaktionärs sei der Staat nicht der bessere Unternehmer. Er befürchtet, dass gegen den Bund eine Neuaufstellung der Lufthansa schwierig wird. Warum Thiele nun doch einlenkt, darüber kann nur spekuliert werden. Thiele ist im Besitz von 15,5 Prozent der Anteile. Der Staat kann mit 20 Prozent der Lufthansa künftig in bestimmten Bereichen mitreden.
Flugzeuge der Lufthansa stehen am Flughafen in München am Boden. Bei der Airline sind nach der Coronakrise 22.000 Arbeitsplätze bedroht.
Rettungspaket für die Lufthansa - Wie viel Staat muss sein?Mit neun Milliarden Euro will die Bundesregierung die Lufthansa retten. Linken-Politiker Thomas Lutze begrüßte im Dlf das Hilfspaket. Der Bund müsse aber mehr Einfluss bekommen. Dem widerspricht Michael Theurer (FDP). Er befürchtet den Einstieg in eine Verstaatlichungsserie privater Unternehmen.
"Gutes Signal, dass Thiele keinen Erfolg hatte"
Die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Katharina Dröge kritisierte im Dlf das Vorgehen von Aktionär Heinz Herrmann Thiele. "Ich fand es absolut unverständlich und auch unverantwortlich, was Herr Thiele gemacht. Für mich wirkte das, wie ein Erpressungsversuch, dass er quasi die Insolvenz des Konzerns in den Raum gestellt hat, um noch mal Druck zu machen und Nachverhandlungen durchzusetzen", sagte sie. Es sei aber ein gutes Signal, dass er damit erst mal keinen Erfolg hatte.
Der Staat sei ein besserer Unternehmer als Herr Thiele. Der Hauptaktionär habe ohne Rücksicht auf die 138.000 Beschäftigten spekuliert. "Das würde der Staat anders machen." Sie befürwortet den Deal, kritisierte aber auch, dass der Bund mit sehr viel Geld in die Lufthansa-Rettung eingestiegen sei ohne im Gegenzug ausreichend Mitspracherechte zu bekommen. "Er hat sich quasi einen Maulkorb von der Lufthansa ein Stück weit auferlegen lassen", sagte sie. Mit den 20 Prozent Anteilen habe man das Mitspracherecht deutlich reduziert. Der Bund hätte klare Klimaschutzvorgaben machen können, wie der Konzern mit Blick in die Zukunft transformiert werden könne. "Das wäre im Sinne einer Zukunftsstrategie und mit Blick auf die künftigen Generationen wichtig gewesen", sagte sie im Dlf.
Das vollständige Interview können Sie in Kürze hier nachlesen

Heinemann: Frau Dröge, verstehen Sie Herrn Thieles Bedenken?
Dröge: Ich fand das absolut unverständlich und auch unverantwortlich, was Herr Thiele gemacht hat. Für mich wirkte das wie ein Erpressungsversuch, dass er quasi die Insolvenz des Konzerns in den Raum gestellt hat, um noch mal Druck zu machen, um noch mal Nachverhandlungen durchzusetzen. Und es ist erst mal ein gutes Signal, dass er damit offensichtlich keinen Erfolg hatte.
Heinemann: Er sagt, der Staat ist nicht der bessere Unternehmer. Hat er recht?
Dröge: Ein besserer Unternehmer als Herr Thiele in jedem Fall, müsste ich jetzt mal so feststellen, weil Herr Thiele völlig ohne Rücksicht auf die 138.000 Beschäftigten und ihre Zukunftsperspektive hier spekuliert hat, und das würde der Staat mit Sicherheit anders machen.
Heinemann: Wobei er ein sehr erfolgreicher Unternehmer ist. Das sollten wir auch festhalten.
Dröge: Ja, vor allen Dingen mit Blick auf seinen eigenen Profit.
Heinemann: Und auf sein Unternehmen. – Sie haben den geplanten Einstieg als schlechten Deal für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler bezeichnet. Was fehlt Ihnen?
"Mitspracherechte deutlich reduziert"
Dröge: Der Bund ist mit unheimlich viel Geld jetzt in die Lufthansa-Rettung eingestiegen und wir als Grüne haben immer gesagt, es ist in dieser Krise richtig, die Lufthansa zu retten. Aber es ist unverständlich, dass sich der Bund jetzt auf so ein Konstrukt eingelassen hat, wo er viel Geld in die Rettung steckt, damit auch ins Risiko geht, aber dafür so wenig Mitspracherechte bekommt. Er hat sich quasi einen Maulkorb von der Lufthansa ein Stück weit auferlegen lassen. Zwischenzeitlich hatte man in den Verhandlungen das Gefühl, dass es irgendwie nett wäre von der Lufthansa, dass der Bund sie retten darf. Das habe ich nicht verstanden. Mit den 20 Prozent, die der Bund jetzt an direkten Anteilen hält, haben sie die Mitspracherechte deutlich reduziert und haben sich auch in der Hauptaktionärsversammlung in den Mitspracherechten beschränken lassen und selbst bei der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder hat jetzt die Lufthansa das Vorschlagsrecht.
Heinemann: Frau Dröge, wo sollte der Bund denn mitreden im Unternehmen?
Dröge: Aus meiner Sicht hätte der Bund klare Vereinbarungen treffen können, im Zusammenhang mit der Rettung – einmal mit Blick auf die Beschäftigungssicherung. Es ist gut, dass die Tarifpartner jetzt einen zeitweiligen Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen vereinbart haben. So etwas hätte der Bund auch fordern können. Und auf der anderen Seite klare Klimaschutzvorgaben machen, wie der Konzern in die Zukunft transformiert werden muss. Das ist alles unverbindlich, was die Bundesregierung dort verhandelt hat, und das wäre im Sinne einer Zukunftsstrategie und mit Blick auf künftige Generationen wichtig gewesen.
"Man kann den Wandel hin zu klimaneutralen Technologien nicht aufhalten"
Heinemann: Frau Dröge, Kritikerinnen und Kritiker könnten nun sagen, erst wenn die letzte Kundin und der letzte Kunde auf eine andere Fluggesellschaft umgestiegen sind, werden Sie, Frau Dröge, erkennen, dass man mit Grünen-Ideologie nicht wirtschaftlich fliegen kann. Wie erklären Sie das dann den Beschäftigten?
Dröge: Dann macht man, wenn man so argumentiert, genau denselben Fehler, den die deutsche Automobilindustrie über viele Jahre gemacht hat, zu glauben, dass man den Wandel hin zu klimaneutralen Technologien aufhalten kann, und nicht zu sehen, dass darin auch große Chancen liegen, halte ich für einen Fehler. Die Märkte werden sich in diese Richtung entwickeln. Sie werden sich in diese Richtung entwickeln müssen, wenn wir diese Klimakrise noch aufhalten wollen. Und dann ist es gut, wenn man das Unternehmen ist, das das als erster kann. Dann kann man dort auch wieder Marktführer werden und dann hat man damit auch eine gute wirtschaftliche Zukunft. Wenn man versucht zu bremsen, machen das andere, und das erleben die deutschen Automobilkonzerne gerade.
"Thiele sollte froh sein, dass der Staat ins Risiko geht"
Heinemann: Können Sie Beispiele für international operierende grüne Fluggesellschaften nennen?
Dröge: Frankreich hat gerade mit der Air France deutlich ambitioniertere Ziele vereinbart, sowohl was den Verzicht auf Inlandsflüge als auch die Reduzierung von CO2-Emissionen pro geflogenen Personenkilometern angeht. Das sind Beispiele, an denen man sich orientieren kann. Auch Österreich hat härtere Vorgaben gemacht. Wir leben nicht auf einer Insel. Wir müssen nur ins europäische Umland schauen und sehen, dass dort andere sich auf den Weg machen.
Heinemann: Geben Sie mit Ihren Antworten nicht genau den Bedenken des Herrn Thiele recht?
Dröge: Aus meiner Sicht nicht, weil wir sind daran interessiert, dass die Lufthansa dauerhaft eine Zukunft hat, dass Beschäftigung gesichert wird, aber dass gleichzeitig auch die gesellschaftliche Herausforderung Klimaschutz gewahrt wird. Aus meiner Sicht geht alles drei. Der Staat ist bereit, neun Milliarden dafür zu investieren, die Lufthansa zu unterstützen. Das haben wir nicht kritisiert. Deswegen sollte Herr Thiele eigentlich froh sein, dass der Staat bereit ist, so ins Risiko zu gehen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.