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Drohende US-Strafzölle
"Altmaier fällt Frau Malmström in den Rücken"

In der Debatte über die richtige Reaktion auf die drohenden US-Strafzölle sei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) mit seinem Vorschlag für neue TTIP-Verhandlungen der EU in den Rücken gefallen, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katharina Dröge im Dlf. Die richtige Reaktion sei eine deutschen Investitionsoffensive.

Katharina Dröge im Gespräch mit Christoph Heinemann | 30.04.2018
    Die Grünen-Politikerin Katharina Dröge im Bundestag
    Die Grünen-Politikerin Katharina Dröge im Bundestag (imago stock&people)
    Christoph Heinemann: Am Telefon ist Katharina Dröge, sie ist Mitglied des Wirtschaftsausschusses des Deutschen Bundestages und Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion für Handelspolitik. Guten Tag!
    Katharina Dröge: Schönen guten Tag!
    Heinemann: Wird Trump Europa morgen den Handelskrieg erkläre?
    Dröge: Also genauso wenig wie der Wirtschaftsminister, kann auch ich diese Frage definitiv beantworten. Es spricht einiges dafür, dass Trump morgen die Ausnahmen auf Stahl und Aluminium auslaufen lässt, also diese Zölle erheben wird. Dafür spricht, dass Trump diese Zölle nutzt, um andere Länder zu erpressen. Wir sehen das mit Blick auf Mexiko und Kanada und das Freihandelsabkommen NAFTA, da sagt er, so lange seid ihr ausgenommen, solange ihr ein neues NAFTA nach meinen Bedingungen verhandelt, und ich vermute, er nutzt diese Regelung jetzt auch, um die Europäische Union unter Druck zu setzen, ein Freihandelsabkommen TTIP zu verhandeln, dass dann Trumps Vorstellungen entspricht und nicht unseren.
    "Die Reaktion sollte maßvoll sein"
    Heinemann: Also es gibt schon Vorlagen: Si vis pacem para bellum wussten schon die Römer – wenn du Frieden willst, dann rüste für den Krieg. Ist die EU gerüstet?
    Dröge: Die Europäische Union hat sich erst mal sehr besonnen verhalten, hat sich abgestimmt mit allen Mitgliedsstaaten, hat gesagt, wenn diese Strafzölle kommen, dann wird es eine Klage vor der WTO geben – das finde ich auch erst mal richtig –, und sie hat Gegenmaßnahmen angekündigt. Auch das finde ich erst mal nicht falsch, denn man kann mit Trump nur auf Augenhöhe verhandeln, und wenn er Strafzölle erhebt, dann kann die Europäische Union da nicht einfach nichts machen. Sie hat sich da abgestimmt, hat eine Liste angemeldet an möglichen Gegenmaßnahmen, und diese Reaktion muss es dann auch geben. Ich finde aber, die Europäische Union muss auf der anderen Seite verhindern, dass wir in eine Eskalationsspirale kommen. Deswegen sollte die Reaktion maßvoll sein, auf keinen Fall höher sein als das, was die Amerikaner angekündigt haben, möglicherweise sogar ein bisschen drunter und immer verbunden mit der Ansage an die USA, wir wollen die Gespräche fortsetzen darüber, diesen Handelskonflikt zu verhindern und wieder auf vernünftige wirtschaftliche Beziehungen miteinander zu kommen.
    Heinemann: Frau Dröge, schauen wir uns die sogenannten Nadelstiche an: Jeans, Motorräder, Orangensaft oder bernsteinfarbenes Hochprozentiges. Glauben Sie, dass jemand wie Trump solche Stiche spürt?
    Dröge: Die Europäische Union hat ja sehr genau auch geschaut, sage ich mal, auch in welchen Wahlkreisen dann Senatoren sind, die Trump unterstützen, und welche wirtschaftlichen Produkte dort eine besonders wichtige Rolle spielen.
    "Trump bricht alle internationalen Vereinbarungen"
    Heinemann: Aber ist das nicht Kindergarten?
    Dröge: Trump macht ja Kindergarten, das ist ja das Problem. Er versucht ja wirklich, eine Politik zu machen, wo er sagt, ich nehme euch die Förmchen weg, und ich setze mich jetzt hier irgendwie durch in der internationalen Politik, und darauf ist die Antwort der Europäischen Union, zu sagen, wir reagieren auch nur einen Teil. Der andere Teil muss es immer sein, mit den USA darüber zu sprechen und auch mit anderen Ländern auf der Welt zu sprechen, dass wir wieder zu vernünftigen internationalen Regeln zurückkommen. Trump bricht ja alle internationalen Vereinbarungen, die die USA in der letzten Zeit abgeschlossen haben. Der Pariser Klimavertrag ist ja da das wichtigste Beispiel, und das darf nicht folgenlos sein, und deswegen finde ich auch den Vorschlag von Peter Altmaier, den er heute Morgen gemacht hat, zu sagen, wir gehen jetzt wieder in TTIP-Verhandlungen rein, so fatal, weil er sich damit einfach nur auf das Spiel von Trump einlässt und auf der anderen Seite das Brechen von internationalen Verträgen und das Kündigen von internationalen Verträgen folgenlos lässt, und ich finde, das muss eine allererste Botschaft der Europäischen Union sein: Solange der Pariser Klimavertrag nicht wieder unterzeichnet wird von den USA, gibt es auch keine weiteren Wirtschaftsverträge.
    Heinemann: Altmaier macht genau das, was Diplomaten normalerweise tun, nämlich er versucht, Brücken zu bauen. Die Bundesregierung bringt eine abgespeckte Version von TTIP ins Spiel, das heißt Senkung der verbliebenen Industriezölle, und damit könnte Trump dann in den USA auf steigende Exportchancen für US-Produkte hinweisen beziehungsweise dafür werben. Ist das nicht ein gutes Angebot?
    "Altmaier fällt Frau Malmström in den Rücken"
    Dröge: Zunächst einmal finde ich nicht, dass Altmaier das macht, was Diplomaten tun, weil er selbst heute Morgen noch im Radiointerview mit Ihnen –
    Heinemann: Im Deutschlandfunk.
    Dröge: – gesagt hat, im Deutschlandfunk gesagt hat, dass die Europäische Union gemeinsam handeln muss und dass es ein Anfängerfehler wäre, wenn jetzt der deutsche Wirtschaftsminister in irgendeiner Art und Weise vorpreschen würde, aber genau das hat er heute Morgen getan, indem er alleine vorgeschlagen hat, wir machen jetzt hier ein Kern-TTIP und damit Frau Malmström in den Rücken fällt, die eine ganz andere Strategie mit den europäischen Wirtschaftsministern abgestimmt hat. Das alleine, finde ich, ist schon keine kluge Antwort des deutschen Wirtschaftsministers.
    Heinemann: Worauf könnte sich die EU denn einigen?
    Dröge: Was eine kluge Strategie wäre von Peter Altmaier wäre, Trump beim Wort zu nehmen, und Trump hat in der Vergangenheit immer den hohen deutschen Leistungsbilanzüberschuss kritisiert, und da könnte Berlin sehr entspannt eigentlich sagen, wir legen ein konkretes Konzept vor, wie wir in den nächsten wenigen Jahren den deutschen Leistungsbilanzüberschuss abbauen. Nicht, indem wir die deutschen Exporte reduzieren, sondern indem wir die Binnennachfragen in unserem Land stärken durch mehr öffentliche Investitionen, durch eine Beschränkung prekärer Beschäftigungsverhältnisse. Das wäre sowohl gut für die Menschen in diesem Land, und es wäre auch ein Schritt auf Trump zu, der das ja in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert hat.
    "Wir bräuchten eine ernsthafte Investitionsoffensive"
    Heinemann: Nur jetzt fordern Sie genau das, was Sie Herrn Altmaier vorwerfen, nämlich er hat auf Trump reagiert, genau das, was Sie gerade gemacht haben.
    Dröge: Aber Herr Altmaier hat auf der einen Seite keine abgestimmte Strategie mit der Europäischen Union gesucht, das …
    Heinemann: Die haben Sie auch nicht.
    Dröge: Warum denn nicht? Auch die Europäische Union kritisiert Deutschland seit acht oder zehn Jahren für die hohen deutschen Leistungsbilanzüberschüsse, und Deutschland ignoriert die Stabilitätsverhandlungen, die aus Brüssel kommen, einfach konsequent seit zehn Jahren. Das heißt, es wäre überhaupt kein Problem, mit der Europäischen Union eine Strategie abzustimmen, die sagt, Deutschland baut seine Leistungsbilanzüberschüsse ab. Das ist genau das, was Brüssel seit zehn Jahren von uns verlangt.
    Heinemann: Und das hat Herr Altmaier heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk, ich sag es noch mal, genau erklärt: Er hat gesagt, wir haben die Investitionen massiv erhöht. Reicht das denn nicht, um den Zorn über die Handelsüberschüsse zu besänftigen?
    Dröge: Deutschland hat es seit zehn Jahren nicht geschafft, seinen Leistungsbilanzüberschuss signifikant zu senken. Die Bundesregierung signalisiert immer rhetorische Offenheit, und dann handelt sie aber nicht. Das heißt, wir bräuchten eine ernsthafte Investitionsoffensive, insbesondere bei der kommunalen Infrastruktur, insbesondere beim Breitbandausbau, bei den erneuerbaren Energien, und …
    "Das ist sogar eine berechtigte Kritik"
    Heinemann: Ist doch alles geplant.
    Dröge: Aber in viel zu geringem Ausmaß, und das ist seit Jahren das Problem, und deswegen, man kann sich die Kennziffern ja angucken: Deutschland reißt den Schwellenwert, den die Europäische Union für den Leistungsbilanzüberschuss definiert hat, von sechs Prozent, seit über zehn Jahren.
    Heinemann: Würden Sie gerne wieder Schulden machen?
    Dröge: Wir haben genug Mittel, um diese Investitionen zu tätigen, insbesondere dann, wenn man investiert und da davon ausgeht, dass das auch noch mal zu einer Stärkung der Wirtschaftsleistung und erhöhten Steuereinnahmen führt. Das auf der einen Seite, und auf der anderen Seite haben wir Milliarden Überschüsse im Bundeshaushalt. Wir haben auch Vorschläge gemacht als grüne Bundestagsfraktion, wie man beispielsweise über den Abbau von umweltschädlichen Subventionen noch weitere Mittel generieren könnte. Das Geld ist da. Es wird nur nicht ordentlich ausgegeben von der Bundesregierung.
    Heinemann: Unter dem Strich und zwischen den Zeilen, Frau Dröge, sagen Sie jetzt, einige Argumente der Trump-Regierung sind durchaus berechtigt.
    Dröge: Die Kritik am Leistungsbilanzüberschuss ist eine, die wir Grünen schon seit vielen Jahren formulieren, und zufällig formuliert Trump an dieser Stelle dieselbe Kritik, allerdings tut Trump das aus völlig anderen Motiven. Trump geht es nicht darum, dass wir stabile internationale Wirtschaftsbeziehungen kriegen, sondern Trump schaut nur, was aus seiner Sicht spontan für die USA das Beste ist. Da hat er sich jetzt auf den Leistungsbilanzüberschuss fokussiert, aber weil er zufällig mal etwas trifft, was aus meiner Sicht sogar eine berechtigte Kritik ist, wäre es eben gerade da ein Leichtes, ihm entgegenzukommen und damit eine Gesprächsebene zu erzeugen, aber sich auf der anderen Seite nicht auf seine Erpressungsstrategie einzulassen, wie ein falsches TTIP zu verhandeln.
    Heinemann: Katharina Dröge, die Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion für Handelspolitik, danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Dröge: Ich danke Ihnen!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.