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Droht ein "Krieg der Richter"?

Das Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat zwar die Gültigkeit des Vertrages für die Bundesrepublik bestätigt. Das Gericht kann jedoch dennoch EU-Regelungen kippen, wenn es der Meinung ist, dass die EU ihre Kompetenz überschreitet.

Von Maximilian Steinbeis | 10.08.2009
    "Das Bundesverfassungsgericht ist zum Angriff übergangen und steht jetzt unmittelbar vor dem Sprung, und das wird sich in den nächsten Monaten, vielleicht auch in den nächsten Jahren erweisen, an welchen Stellen es tatsächlich jetzt zum Sprung ansetzen wird."

    Ein Angriff aus Karlsruhe? So kriegerische Töne hört man nicht oft, wenn von den Hütern der Verfassung die Rede ist. Doch Ulrich Karpenstein glaubt gute Gründe zu haben, Alarm zu schlagen. Der Rechtsanwalt von der Kanzlei Redeker in Berlin kennt das Bundesverfassungsgericht aus der Nähe. Er hat die Bundesregierung schon in vielen Verfahren in Karlsruhe vertreten. Und wenn die Zeichen nicht trügen, warnt Rechtsanwalt Karpenstein, dann steht das Verfassungsgericht kurz davor, einen veritablen "Krieg der Richter" vom Zaun zu brechen - möglicherweise mit unabsehbaren Folgen.
    Anlass für Karpensteins Befürchtungen ist das vor einigen Wochen verkündete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Lissabon-Vertrag. Darin hatte das Gericht zwar den Lissabon-Vertrag, die neue Grundlage der Europäischen Union, für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt. In die Urteilsbegründung hat der Zweite Senat aber Aussagen zu den Kompetenzgrenzen Europas und ihrer Kontrolle eingeflochten, die Karpenstein und anderen Verfassungs- und Europarechtlern zu kauen geben.

    Wenn Rechtsschutz auf Unionsebene nicht zu erlangen ist, prüft das Bundesverfassungsgericht, ob Rechtsakte der europäischen Organe und Einrichtungen sich unter Wahrung des gemeinschafts- und unionsrechtlichen Subsidiaritätsprinzips in den Grenzen der ihnen im Wege der begrenzten Einzelermächtigung eingeräumten Hoheitsrechte halten.
    Mit anderen Worten und etwas vereinfacht ausgedrückt: Wenn die EU Dinge regelt, zu deren Regelung die Mitgliedsstaaten sie nicht ermächtigt haben, dann kann das Bundesverfassungsgericht dazwischen gehen und diese Regeln innerhalb Deutschlands für unanwendbar erklären.
    Das klingt zunächst vielleicht unspektakulär, ist aber alles andere als selbstverständlich: Denn für die Frage, wo die Kompetenzgrenzen der EU verlaufen, ist eigentlich der Europäische Gerichtshof in Luxemburg zuständig. Diese Kompetenzgrenzen sind in den europäischen Verträgen niedergelegt, und die legt - wie das ganze Europarecht - allein das Luxemburger Gericht verbindlich aus. Die europäischen Verträge allerdings, und hier kommt Karlsruhe ins Spiel, werden von den Mitgliedsstaaten abgeschlossen, also auch von der Bundesrepublik Deutschland. Und die hat sich dabei an das Grundgesetz zu halten. Was das Grundgesetz an Kompetenzübertragungen an Europa erlaubt und was nicht, das auszulegen und zu überwachen ist wiederum Sache des Bundesverfassungsgerichts.
    Den Anspruch, auf dieser Grundlage im Not- und Extremfall auch europäisches Gemeinschaftsrecht zu kippen, erhebt Karlsruhe nicht erst seit dem Lissabon-Urteil, sondern im Prinzip schon seit 35 Jahren. Gebrauch gemacht hat das Gericht von dieser Möglichkeit allerdings nie. Bisher hat das Bundesverfassungsgericht auch stets betont, dass es die Kompetenzgrenzen der EU in Kooperation mit dem Europäischen Gerichtshof überwache. Im Lissabon-Urteil ist von Kooperation aber keine Rede mehr. Stattdessen spricht das Bundesverfassungsgericht in den Urteilsgründen plötzlich drohend von einer vertragsausdehnenden Auslegung der Verträge durch die Gemeinschaftsgerichtsbarkeit, die einer unzulässigen autonomen Vertragsänderung gleichkomme.

    "Man muss befürchten, dass das BVerfG dazu übergehen möchte, das Gemeinschaftsrecht in Deutschland unmittelbar für unanwendbar zu erklären, ohne dass zuvor eine Befassung des Europäischen Gerichtshofes stattgefunden hat und ohne dass insbesondere das Bundesverfassungsgericht seine Verpflichtung wahrgenommen hat, die entsprechenden Fragen dem Europäischen Gerichtshof zunächst vorzulegen."
    Rechtsanwalt Karpensteins Sorge bezieht sich dabei auf zwei Verfahren, die voraussichtlich noch in diesem Jahr in Karlsruhe entschieden werden: In dem einen geht es um das ohnehin heiß umstrittene Thema Vorratsdatenspeicherung - also die Pflicht von Telefondienstleistern, die Verbindungsdaten ihrer Kunden zu speichern, damit die Polizei nötigenfalls darauf zugreifen kann.

    Das greift in das Grundrecht auf Datenschutz ein, weshalb in Karlsruhe Tausende von Verfassungsbeschwerden eingelegt wurden. Die Vorratsdatenspeicherung beruht aber auf einer EU-Richtlinie, und zwar noch dazu auf einer, die sich formal als Maßnahme zur Harmonisierung des Binnenmarkts ausgibt; politisch aber tief in die Innen- und Sicherheitspolitik der Mitgliedsstaaten eingreift. In der Innen- und Sicherheitspolitik hat die EU aber kein Recht, Richtlinien zu erlassen. Dies könnte das Bundesverfassungsgericht zum Anlass nehmen, der EU Grenzen aufzuzeigen und die Vorratsdatenspeicherung zu kippen.
    Das zweite Verfahren ist womöglich noch brisanter. Denn dabei geht es nicht um eine Richtlinie, sondern direkt um ein Urteil der "Konkurrenz" aus Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof ist - wie übrigens das Bundesverfassungsgericht auch - gelegentlich recht kreativ in der Beschreibung seiner Urteilsmaßstäbe. Mit anderen Worten: Er findet manchmal Recht auch dort, wo es zuvor niemand vermutet hätte. 2005 fand er - manche sagen: erfand er - einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach Diskriminierung aufgrund des Alters einer Person in der EU verboten ist. Er tat dies, um eine deutsche Gesetzesregel kippen zu können, die es leichter machen sollte, ältere Arbeitnehmer nur befristet einzustellen. Gegen diese - nach dem damaligen Kläger benannte Mangoldt-Rechtsprechung - hat mittlerweile ein Arbeitgeber Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingelegt. Und das versetzt die deutschen Verfassungsrichter jetzt in die Lage, unmittelbar die Konkurrenz aus Luxemburg in die Schranken weisen zu können.
    Aus europäischer Sicht wäre ein solches Verfassungsgerichtsurteil, das europäisches Recht in Deutschland für unanwendbar erklärt, ein unerhörter Vorgang.

    "Nehmen wir mal einen solchen Fall, der Europäische Gerichtshof hat erklärt, dass ein Rechtsakt noch im Rahmen der Kompetenz der Union liegt, und das BVerfG ist anderer Auffassung, dann kann es passieren, dass das BVerfG entscheidet, dieser Rechtsakt ist auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland nicht anwendbar."

    Sagt Hans-Jürgen Rabe, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Nörr Stiefenhofer Lutz in Brüssel und seit einem halben Jahrhundert im Europarecht tätig.

    "Und das ist also aus meiner Sicht die Axt an der Wurzel der Union, der Gemeinschaft."
    Doch was wäre so schlimm daran, wenn Teile des EU-Rechts in Deutschland nicht mehr gelten würden?
    Die Europäische Union beruht auf völkerrechtlichen Verträgen, der Lissabon-Vertrag ist nur der jüngste davon. In diesen Verträgen hat sich Deutschland verpflichtet, dem Recht der Europäischen Union auf seinem Territorium Geltung zu verschaffen. Wenn es sich von dieser Verpflichtung lossagt, ob ganz oder stückweise und aus welchen nationalverfassungsrechtlichen Gründen auch immer, dann wackelt das ganze Fundament der EU.

    "Folge einer derartigen Vertragsverletzung wäre zweifelsohne, dass die EU-Kommission oder auch jeder andere Mitgliedsstaat ein Vertragsverletzungsurteil einleitet","

    ist sich Rechtsanwalt Karpenstein sicher,

    ""mit wiederum der Folge, dass in einem zweiten anschließenden EuGH-Urteil Deutschland zu ganz empfindlichen Finanzsanktionen verurteilt würde. Da gehen die Beträge bis in die Millionen, und zwar täglich."
    Das wäre nicht nur teuer für Deutschland, sondern auch juristisch extrem heikel: Denn im Vertragsverletzungsverfahren entscheidet, wie gesagt, der Europäische Gerichtshof. Dann könnte es zu einem veritablen "Krieg der Richter" kommen. Zwei Gerichte geben auf die gleiche Frage diametral entgegengesetzte Antworten und sprechen sich obendrein wechselseitig die Autorität ab, diese Frage überhaupt zu beantworten. Was gilt dann? Ein höheres Gericht, das hier für Rechtsklarheit sorgen könnte, gibt es nicht.
    Nun muss es nicht gleich zum Äußersten kommen. Wenn das Bundesverfassungsgericht das Mangoldt-Urteil des Europäischen Gerichtshofs, also den allgemeinen Grundsatz eines Verbots der Altersdiskriminierung, über den Haufen wirft, dann bliebe das zwar eine beispiellose Provokation gegenüber Luxemburg - aber praktisch hätte es nur relativ begrenzte Folgen: Inzwischen gilt nämlich das Verbot der Altersdiskriminierung sowieso, weil eine entsprechende EU-Richtlinie dazu in Kraft getreten und umgesetzt worden ist.

    "Insofern könnte das natürlich ein Fall sein, wo das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von den faktischen Folgen relativ unschädlich wäre."
    Meint Professor Rudolf Streinz, Europarechtler an der Universität München. Das, so Streinz, könnte es dem Bundesverfassungsgericht erleichtern, den Sprung zu wagen und erstmals von dem Instrument der Kompetenzkontrolle Gebrauch zu machen. Umgekehrt könnte sich die EU-Kommission vor diesem Hintergrund entscheiden, die Sache niedrig zu hängen und auf ein Vertragsverletzungsverfahren zu verzichten - wenngleich man sich da nie zu sicher sein sollte:

    "Wenn der Aspekt, Grundsatzentscheidung muss her, so etwas darf nicht sein, wenn die Kommission der Ansicht ist, dann wird das natürlich das nicht ausschließen, dass hier das Vertragsverletzungsverfahren kommt, und dann kriegen wird das, was wir eigentlich ja nicht wollen, diese Divergenz."
    Dazu kommt, dass der Streit um das Mangoldt-Urteil auch noch eine grundsätzlichere Ebene hat, und die hat sich durch die inzwischen umgesetzte Richtlinie keineswegs erledigt - im Gegenteil. Die Kreativität, mit der der Europäische Gerichtshof allgemeine Rechtsgrundsätze identifiziert, stößt bei kritischen Juristen seit Längerem auf Skepsis. Denn diese Rechtsgrundsätze schränken den gesetzgeberischen Handlungsspielraum der Mitgliedsstaaten ein, ohne dass sie selbst darauf gestaltend Einfluss nehmen könnten. Das Bundesverfassungsgericht könnte sich veranlasst sehen, dem grundsätzlich einen Riegel vorzuschieben. Was einer Kriegserklärung an den Europäischen Gerichtshof gleichkäme.
    Streinz hofft, dass beide Seiten, Karlsruhe und Luxemburg, die nötige Umsicht und wechselseitige Rücksichtnahme walten lassen und wie in den vergangenen 35 Jahren dem offenen Schlagabtausch weiterhin aus dem Wege gehen werden.

    "Ich nehme an, man wird versuchen, das Ganze möglichst zu vermeiden, dass man auf der einen Seite dem Gerichtshof deutlich macht, dass seine Aufgabe ist, die Balance zwischen Mitgliedsstaaten und Union im Kompetenzbereich auch zu wahren, und auf der anderen Seite wird das Bundesverfassungsgericht durchaus vorsichtig sein, bevor es diese Konsequenz - nicht anwendbar in Deutschland - zieht."
    Streinz' Juristenkollege Ulrich Karpenstein möchte sich hingegen lieber nicht auf die Einsicht der beteiligten Richter verlassen. Er ruft nach dem Gesetzgeber:

    "Ich sehe den einzigen Weg einer Lösung darin, dass das Bundesverfassungsgericht geändert wird, und zwar dahingehend, dass das Bundesverfassungsgericht zukünftig dem Europäischen Gerichtshof seine Zweifel zunächst vorlegen muss. Ansonsten besteht die reelle Gefahr, dass schon in wenigen Jahren es zu einem Verfassungskonflikt zwischen Europa und Deutschland führen wird, der letztlich unauflöslich ist."
    Die europäischen Verträge sehen vor, dass nationale Gerichte die Frage, wie das europäische Recht zu verstehen ist, dem Europäischen Gerichtshof überlassen und im Zweifelsfall eine Entscheidung aus Luxemburg einholen müssen. Das gilt im Prinzip auch für das Bundesverfassungsgericht. Bisher hat Karlsruhe einen solchen Akt der Unterwerfung unter den Konkurrenten aus Luxemburg aber stets peinlich vermieden.

    "Und das nicht etwa, weil nicht die Notwendigkeit bestanden hätte dann und wann, sondern weil es die Überzeugung der Richter am Bundesverfassungsgericht ist: Wir legen nicht vor."
    So der Anwalt und Europarechtsexperte Hans-Jürgen Rabe.

    "Ganz anders als das höchste französische, italienische oder House of Lords, das englische Gericht, die da gar keine Probleme gesehen haben."
    Andere deutsche Gerichte wie der Bundesgerichtshof oder das Bundesarbeitsgericht, aber auch untere Instanzgerichte, legen dagegen fleißig ihre Europarechtsfragen dem Europäischen Gerichtshof vor. In den 80er Jahren gab es beispielsweise den Versuch des Bundesfinanzhofs, des obersten deutschen Steuergerichts also, gegen steuerrechtliche Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zu rebellieren. Ironischerweise scheiterte dieser Versuch ausgerechnet am Bundesverfassungsgericht: Der EWG-Vertrag, so Karlsruhe damals spricht dem Gerichtshof im Verhältnis zu den Gerichten der Mitgliedstaaten die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des Vertrages sowie über die Gültigkeit und die Auslegung der dort genannten abgeleiteten gemeinschaftlichen Akte zu.
    Der Bundesfinanzhof hätte die Streitfrage somit dem Europäischen Gerichtshof vorlegen müssen; dass er es nicht tat, war eine Verletzung des im Grundgesetz garantierten Grundrechts auf den gesetzlichen Richter. Allerdings stellte das Verfassungsgericht schon damals klar: Die Prüfkompetenz des Europäischen Gerichtshofs hat Grenzen, und über diese Grenzen wacht das Bundesverfassungsgericht.
    Zu der Frage, ob die Vorlagepflicht auch das Bundesverfassungsgericht selbst einbezieht, äußerte es sich jedoch nicht und schweigt darüber bis heute. Ob es dabei bleiben muss, hat jetzt der Gesetzgeber in der Hand: Das Bundesverfassungsgericht selbst bezeichnete es im Lissabon-Urteil als "denkbar", Verfahren für die Kontrolle europäischen Rechts gesetzlich gesondert zu regeln. Man kann das durchaus als Anregung verstehen. Und wenn man ohnehin schon dabei ist, dann wäre es nicht ganz abwegig, die Verpflichtung zur Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gleich mit ins Gesetz zu schreiben. Auch der Europarechtler Streinz räumt ein, dass eine solche Vorlage nach Luxemburg befriedende Wirkung entfalten könnte:

    "Der Vorteil einer Vorlage in einem solchen Fall wäre, dass gegebenenfalls bestimmte Fehlentwicklungen noch einmal korrigiert werden könnten, also dass der Gerichtshof das selber auch überdenkt."
    Ein Allheilmittel wäre damit freilich auch nicht gefunden: Denn was würde das Bundesverfassungsgericht gegebenenfalls daran hindern, die Vorlageentscheidung des Europäischen Gerichtshofs seinerseits für eine Überschreitung von dessen Kompetenzen und damit für verfassungswidrig zu erklären? Das Gleiche könnte passieren, wenn man die Vorlageverpflichtung ins Gesetz schreiben würde: Karlsruhe könnte diese Verpflichtung umgehend für verfassungswidrig erklären, der politische Schaden wäre groß und nichts wäre gewonnen.
    Selbst wenn man die Vorlagepflicht direkt ins Grundgesetz hineinschreiben würde, mit Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat, wäre das Problem nicht unbedingt gelöst: Es gibt im Grundgesetz eine so genannte "Ewigkeitsgarantie", festgelegt in Artikel 79 Absatz III. Danach dürfen bestimmte Grundprinzipien der Verfassung - wie das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip - selbst im Wege einer Verfassungsänderung nicht angetastet werden. Das Bundesverfassungsgericht könnte sich auf den Standpunkt stellen, dass es stets auch jemanden geben muss, der diese Grundprinzipien der deutschen Verfassung schützt. Und das wäre niemand anders als das Bundesverfassungsgericht selbst. Von dieser Warte aus betrachtet wäre nicht auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht selbst eine Vorlageverpflichtung im Grundgesetz für verfassungswidrig erklären würde. Das Risiko, Karlsruhe zu einem solchen Eklat zu provozieren, wird vermutlich kein Politiker in Berlin gern eingehen wollen.
    Auf politischer Ebene bemüht man sich entsprechend, die Lage zu entdramatisieren.

    "Da wird ein Ballon aufgeblasen, um sich am Knall, der dann kommen wird, zu ergötzen. Aber es wird keinen Knall geben."

    Sagt Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion und Vorsitzender des Unterausschusses Europarecht im Bundestag. Aus seiner Sicht hat sich das Bundesverfassungsgericht mit der Kompetenzkontrolle gegenüber der EU nur eine Art Not-Aus-Knopf geschaffen, um im Extremfall einer drohenden Diktatur dazwischen gehen zu können. Und das sei nach dem Lissabon-Urteil noch einmal ein gutes Stück unwahrscheinlicher geworden: Einerseits verpflichtet der Lissabon-Vertrag die EU dazu, die nationale Identität der Mitgliedsstaaten zu achten. Andererseits hat das Verfassungsgericht im Lissabon-Urteil den Grundsatz der Europafreundlichkeit des Grundgesetzes aufgestellt, und der binde nicht zuletzt auch das Verfassungsgericht selbst.

    "Es kann denklogisch zu einem Widerspruch kommen. Aber das wird eine absolute Ausnahme sein. Und ich glaube auch nicht - wir werden im Herbst schlauer sein, allesamt - dass das in der Mangoldt-Problematik zu einem Krach kommen wird."
    Wann Karlsruhe in Sachen Mangoldt und Vorratsdatenspeicherung seine Urteile verkündet, ist noch ungewiss. Immerhin soviel ist vom Bundesverfassungsgericht zu erfahren: Eine Entscheidung noch in diesem Jahr sei angestrebt.