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Droutsas: Griechenland braucht weiteren Schuldenschnitt

Das Thema Schuldenschnitt müsse auch zu deutschen Wahlkampfzeiten seriös und offen behandelt werden, fordert Dimitrios Droutsas, früherer griechischer Außenminister und heutiger EU-Parlamentarier. Ansonsten würde es für Griechenland sehr schwierig werden, langfristig aus der Krise herauszukommen.

Dimitrios Droutsas im Gespräch mit Silvia Engels | 05.07.2013
    Silvia Engels: Die griechischen Finanzverhältnisse sorgen wieder mal für Unruhe. Die Troika aus EU, EZB und IWF prüft mal wieder Reformschritte, und Experten warnen einmal mehr davor, dass Griechenland die vereinbarten Ziele verpassen könnte. Das wäre schlechte Kunde für die Eurofinanzminister, die am Montag über die Freigabe einer neuen Tranche für Athen in Höhe von 6,3 Milliarden Euro beraten will. Denn die Gelder können nur freigegeben werden, wenn Griechenland die Reformzusagen einhält. – Am Telefon ist der frühere griechische Außenminister und heutige EU-Parlamentarier Dimitrios Droutsas. Guten Morgen!

    Dimitrios Droutsas: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Ihre Partei, die Pasok, ist derzeit Teil der Koalitionsregierung in Griechenland. Braucht das Land einen neuen Schuldenschnitt, wie es der Wirtschaftsminister vor einigen Tagen andeutete?

    Droutsas: Frau Engels, ich glaube, dass man hier wirklich sehr klare Worte verwenden muss. Wenn wir über Griechenland und die Möglichkeit, dass Griechenland wirklich aus dieser Krise herauskommt, seriös sprechen, dann müssen wir alle uns eingestehen, auch wenn es nicht gut klingt, dass Griechenland einen weiteren Schuldenschnitt brauchen wird, einen Schuldenschnitt diesmal, der von den öffentlichen Kreditgebern getragen wird.

    Ich weiß, das klingt nicht gut. Das klingt nicht gut vor allem in Zeiten des Wahlkampfes, wie es zum Beispiel in Deutschland jetzt der Fall ist. Aber man darf sich bitte nicht hinter dem eigenen Zeigefinger verstecken. Schuldenschnitt, das ist ein Thema, das man sehr seriös und offen behandeln muss und nicht wegen eines Wahlkampfes jetzt quasi ein bisschen Wasser in den eigenen Wein hineinschüttet.

    Engels: Wann soll dieser Schuldenschnitt kommen und wie umfangreich muss er sein?

    Droutsas: Frau Engels, wann? – Meines Erachtens hätte dies bereits geschehen müssen, weil man ganz einfach hier ein sehr deutliches Signal schicken musste und schicken sollte auch gegenüber den internationalen Finanzmärkten, dass man hier sehr seriös und überzeugt und wirklich effizient, was Griechenland anbelangt, helfen möchte. Wie groß dieser Schuldenschnitt sein müsste, da möchte ich jetzt nicht als Laie, als wirtschaftlicher Laie spekulieren. Das muss man den Experten überlassen. Aber hier müsste man wirklich seriös an diese Sache herangehen.

    Nochmals, Frau Engels: Ich weiß, in Deutschland ist dies ein sehr, sehr schwieriges Thema. Man kann davon ausgehen, dass auch die deutsche Bundesregierung bis jetzt Griechenland gegenüber indirekt Zugeständnisse gemacht haben wird, dass es nach den deutschen Wahlen zu einem Schuldenschnitt kommen kann. Jetzt vor den Wahlen, im Wahlkampf, spricht man sehr offen darüber, nein, Schuldenschnitt, das ist Tabu.

    Hier, glaube ich, muss man auch dem deutschen Wähler ganz einfach die Wahrheit sagen, ehrlich sein, denen es geht jetzt nicht darum, hier irgendwelche Spielereien zu spielen, es geht darum, endlich die richtige Lösung für Griechenland zu finden. Und wenn ich das betonen darf, Frau Engels: Es geht nicht nur um Griechenland, es geht weiterhin um den gesamten Euro, die gesamte Eurozone.

    Engels: Das heißt, die Position, die Sie vertreten, denken Sie, ist die Mehrheitsmeinung auch der griechischen Regierung derzeit, was den Schuldenschnitt angeht?

    Droutsas: Ich glaube, dass die griechische Regierung von Anfang an davon ausgegangen ist, dass es am Ende einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland geben wird. Die Idee ist, glaube ich, jene, zu sagen, ja, man hat hier ein Maßnahmenprogramm, ein Sparprogramm vereinbart mit den EU-Partnern, ein sehr, sehr rigoroses Sparprogramm, und wenn man hier diese Bedingungen einhält, dass dann am Ende des Weges eben der weitere Schuldenschnitt vor der Tür steht.

    Denn nochmals, Frau Engels: Ich bin überzeugt – und ich habe dies von Anfang an gesagt -, ohne weiteren Schuldenschnitt wird es sehr, sehr schwierig werden wieder für Griechenland, mittel- und langfristig aus dieser Misere herauszukommen.

    Engels: Die Krise in Griechenland schwelt ja nun schon seit einigen Jahren, oder ist zwischendurch immer wieder akut aufgebrochen. Sie selbst haben auch vor einem Jahr in einem Interview einen Neuaufbau des griechischen Staatsapparates verlangt, denn hieran hänge es, dass viele Reformen nicht vorankommen. Sehen Sie messbare Fortschritte?

    Droutsas: Frau Engels, ich habe sehr offene Worte verwendet gegenüber unseren EU-Partnern, auch Worte der Kritik. Ich werde in genau dieser offenen Art und Weise auch über mein eigenes Land und meine eigene Regierung sprechen. Was die wirklichen Strukturreformen des Landes anbelangt, hier, befürchte ich, werde ich sagen müssen, dass noch nicht allzu viel getan wurde, jedenfalls nicht so viel getan wurde, wie ich es mir persönlich auch wünschen würde.

    Denn wenn man von Strukturreformen spricht, wenn man von einem wirklichen Neuaufbau des öffentlichen Wesens spricht, hier muss man mit ganz anderem Elan und ganz anderen Plänen herangehen, und es genügt nicht, hier in einer Ruckzuck-, Hauruck-Aktion zum Beispiel den öffentlichen Rundfunk in Griechenland zu schließen, weil man hier ganz einfach das Signal senden wollte, man geht jetzt hier seriös an Reformen heran.

    Da bedarf es, glaube ich, einer viel längeren Planung und es bedarf auch – und das ist bitte vielleicht auch eine kleine Nachricht, eine kleine Message an unsere EU-Partner und an die Troika -, es bedarf hier längerer Zeit, man braucht längere Zeit zur Verfügung, um über solch einen Plan zu sprechen und solch einen Plan, einen langfristigen Plan eines Neuaufbaus wirklich effizient umzusetzen.

    Engels: Sie sprechen an: Die Reformen brauchen Zeit. Auf der anderen Seite ist ja so etwas wie Personalabbau, der ja auch mit der Schließung des Rundfunks versucht werden sollte, schon seit Jahren auch Konzept der verschiedenen Regierungen. Es geschieht trotzdem zu wenig, man bleibt hinter den eigenen Zielen zurück. Wer sabotiert denn das?

    Droutsas: Sagen wir auch hier offene Worte, und ich habe dies auch in der Vergangenheit immer wieder sehr offen gesagt. Das Grundproblem Griechenlands und, ich glaube, der wahre Grund, warum Griechenland in dieser schwierigen Situation sich befindet, ist das politische System, das wir in den letzten drei, dreieinhalb Jahrzehnten, fast zwei Generationen, Frau Engels, das darf man nicht vergessen, in Griechenland vorfinden, ein politisches System, das sehr stark charakterisiert ist von Klientelismus und all diesen negativen Dingen, die man in einem politischen System sieht, auch eine sehr, sehr starke Abhängigkeit von den Medien. Auch hier möchte ich sehr offen sein in meiner Kritik.

    Die Rolle der Medien in Griechenland ist eine besonders schwere. Ich denke, dass auch die Medien in Griechenland eine große Mitschuld tragen an dieser Misere. Solange man, Frau Engels, hier dieses politische System nicht ändern will, wird es sehr, sehr schwierig sein, diese Strukturreformen, diese tief greifenden Strukturreformen durchzuführen in Griechenland – ganz einfach, weil es hier dann viel zu große Widerstände gibt, sei es seitens der Politik, seitens der Medien, seitens all jener, die in diesem System bisher sehr gut gelebt und mit sehr vielen Privilegien gelebt haben.

    Engels: Nea Dimokratia und Pasok sind ja die beiden Parteien, die über Jahrzehnte hinweg Griechenland regiert haben. Heißt das, eigentlich, auch wenn man jetzt gemeinsam regiert, will man das System gar nicht so grundlegend ändern?

    Droutsas: Frau Engels, ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, so kontrovers es auch klingen mag, dass jene Leute, die hauptverantwortlich sind für die Misere des Landes, sich hier ihrer Verantwortung bewusst werden und hier die richtigen Entscheidungen und mutig treffen werden und diese auch umsetzen werden.

    Ich glaube, dass gerade die beiden ehemaligen Großparteien in Griechenland - auch hier sehr, sehr offene Worte von meiner Seite – verantwortlich sind für diese Misere. Sie haben die Chance, jetzt gegenüber Griechenland und der griechischen Bevölkerung Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen. Das ist schmerzhaft, das ist schmerzhaft für alle, aber durch diesen Weg muss Griechenland gehen und muss auch die politische Klasse gehen.

    Engels: Dimitrios Droutsas, heutiger EU-Parlamentarier für die Pasok und früher griechischer Außenminister. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.

    Droutsas: Ich danke auch, Frau Engels.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.