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Druck auf Piloten
Ryanair droht mit Standortschließungen in Deutschland

Europas größte Billigairline Ryanair hat angekündigt, mindestens drei Basen in Deutschland noch 2020 dicht zu machen. Auch Stellen sollen abgebaut werden. Ob es soweit kommt, ist offen. Möglicherweise will das Unternehmen nur Druck auf seine Piloten machen, damit sie Gehaltskürzungen zustimmen.

Von Günter Hetzke | 22.07.2020
Ryanair-Flugzeug Boeing B737-800 auf dem Rollfeld des Flughafens Frankfurt Hahn
Unter anderem vom Flughafen Hahn will Ryanair sich zurückziehen (imago/Aviation-Stock)
Was plant Ryanair?
Laut einer internen Mitteilung des Unternehmens, die inzwischen öffentlich einsehbar ist, soll der Standort Hahn im Hunsrück zum 1. November geschlossen werden. Noch vor dem Winter, so die offizielle Formulierung, droht auch den Standorten Berlin-Tegel und Weeze in Nordrhein-Westfalen das Aus. Darüber hinaus spricht die Airline von weiteren Standorten mit einem erheblichen Personalüberhang.
Luftfahrtexperte Großbongardt: Ryanair hat eine Rechnung mit den Piloten offen
Ryanair droht im Streit um Gehaltskürzung von Piloten mit der Schließung von Standorten in Deutschland. Grund für den harten Kurs seien auch die Zugeständnisse, die die Billigairline den Piloten vor knapp zwei Jahren machen musste, meint der Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. Denn wirtschaftlich steht Ryanair in der Coronakrise noch relativ gut da.
Bereits Anfang Mai hatte Ryanair mitgeteilt, dass etwa 3.000 Stellen gestrichen werden sollen. Neu ist jetzt, dass auch bis zu 170 Piloten gekündigt werden könnte.
Was ist der Grund für diese Entscheidung?
Indirekt stehen die Pläne des Billigfliegers im Zusammenhang mit der Coronakrise und den schweren wirtschaftlichen Auswirkungen für die Luftfahrt. Unmittelbar geht es aber um Tarifverhandlungen, konkret um Gehaltskürzungen bei den Piloten aus Deutschland, über die mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) verhandelt wurde. Beim Kabinenpersonal hat man sich bereits geeinigt, die Gehälter um bis zu zehn Prozent zu kürzen. Für die Piloten liegt ein Sparplan vor, der Gehaltskürzungen von rund 20 Prozent für die kommenden vier Jahre vorsieht.
Dieser Plan scheiterte mit knapper Mehrheit am Votum der Piloten aus Deutschland. Nur 49,4 Prozent stimmten der Vereinbarung zu. Ryanair schob daraufhin den Piloten den schwarzen Peter zu: Die Vereinigung Cockpit habe für Stellenstreichungen und Basisschließungen gestimmt, behauptete das Unternehmen, dabei hätten alle Jobs gesichert werden können. Bei Ryanair ist man auf Gewerkschaften allerdings grundsätzlich nicht gut zu sprechen, sie sind der Unternehmensleitung regelrecht verhasst. Ryanair-Chef Michael O´Leary wird mit der Aussage zitiert, eher würde die Hölle zufrieren, als dass er mit Gewerkschaften spricht.
Wie reagiert die Gewerkschaft?
Die Vereinigung Cockpit weist die Vorwürfe der Fluggesellschaft von sich. Ein VC-Sprecher bekräftigte, dass trotz der Ablehnung der Vereinbarung Interesse an einer Verhandlungslösung gebe. Man habe auf weitere Gespräche gehofft, Ryanair habe Nachverhandlungen jedoch abgelehnt, so die VC. Unter anderem bemängelt die Gewerkschaft, dass die Gehaltskürzungen bis 2024 gelten sollen, die Beschäftigungszusage jedoch nur bis März 2021.
Warum ist gerade Deutschland so stark betroffen?
Grund dafür dürfte sein, dass die deutschen Piloten, die bei der Ryanair-Tochter Malta Air beschäftigt sind, gegen den Krisenplan gestimmt haben. Bei der österreichischen Tochter Laudamotion war das ähnlich. Dort wurde mit dem Aus für den Standort Wien gedroht, daraufhin stimmten Piloten und Flugbegleiter Gehaltseinbußen zu. In Irland wiederum umging Ryanair die Gewerkschaften und führte Einzelgespräche mit den Piloten, die dann schlechtere Konditionen akzeptierten. Wie diese Gespräch abgelaufen sein mögen, kann man sich ausmalen, zumal vor dem Hintergrund, dass Ryanair ständig auf der Suche nach Piloten ist, die von vornherein schlechte Bedingungen akzeptieren.
Das Beispiel Österreich zeigt jedoch, dass in Bezug auf den Standort Deutschland das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Ryanair schwingt erst einmal den großen Hammer, versucht aufzuschrecken, auch um die Aufmerksamkeit von Lokalpolitikern zu gewinnen. Ziel ist es, die Auspressung der Beschäftigten fortsetzen zu können, um dann möglicherweise die Beschlüsse zu Standortschließungen und Stellenabbau zumindest teilweise zurückzunehmen. Eines muss Ryanair sicher nicht fürchten: einen Boykott der Fluggäste. Denn wer mit Ryanair fliegt, denkt an seinen eigenen Geldbeutel, nicht an die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten.