Donnerstag, 18. April 2024

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Druck von US-Athleten
IOC öffnet Tür für Protestaktionen

Regel 50 der Olympischen Charta verbietet es Sportlern, sich bei Olympischen Spielen politisch zu positionieren. Nun ist der Druck der Athleten, gerade aus den USA, so groß geworden, dass das IOC die Regel überdenkt. Eine Athletenkommission soll festlegen, welche Protestaktionen künftig erlaubt werden.

Von Karl Dietrich Mäurer und Lukas Thiele | 10.06.2020
Florettfechter Race Imboden bei seinem Knieprotest gegen US-Präsident Trump
US-Fechter Race Imboden geht bei den Panamerikanischen Spielen auf die Knie. Das IOC will solche Protestaktionen bei Olympischen Spielen womöglich erlauben. (AFP / Jose Sotomayor)
Die Botschaft war eindeutig. Als Ende des vergangenen Jahres Proteste und Demonstrationen von Athleten bei Sportveranstaltungen zunahmen, griff das Internationale Olympische Komitee (IOC) durch. Anfang Januar veröffentlichte das IOC einen Leitfaden zur Regel 50 der Olympischen Charta, die es Sportlern verbietet, bei Olympischen Spielen zu protestieren.
Detailliert aufgelistet waren dort mehrere Gesten, die das IOC von nun an nicht mehr bei den Spielen sehen wollte. Darunter war auch das sogenannte "Kneeling", also das auf die Knie gehen, oder das Heben der Faust auf dem Siegertreppchen. Schon damals regte sich unter den Athleten Protest gegen die Regel 50. "Wir werden nicht zum Schweigen gebracht", schrieb etwa US-Fußballerin Megan Rapinoe bei Instagram.
Ein knappes halbes Jahr später, inmitten der Proteste gegen Rassismus in den USA, lenkt das IOC ein und hinterfragt seine eigenen Regeln. Am Mittwoch (10.06.2020) teilte IOC-Präsident Thomas Bach auf einer Pressekonferenz mit, dass Mitglieder der IOC-Athletenkommission Vorschläge machen sollen, wie möglicher Protest bei Olympischen Spielen aussehen könnte.
IOC-Regel 50 - "In der Blase des Events bleiben"
Die Regel 50 der IOC-Charta regelt klar, wann welcher Protest erlaubt ist. Die Regel wurde noch einmal bestätigt. Zurecht, sagt IOC-Mitglied Richard Pound.
Art der erlaubten Proteste noch unklar
Gleichzeitig betonte Bach aber dass es sich bei etwaigen Protesten nur um Inhalte und Werte handeln dürfe, die bereits jetzt schon fest zur Olympischen Bewegung gehörten und in der Olympischen Charta verankert seien. Das könnte zum Beispiel die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung oder Rassismus sein.
"Die IOC-Exekutive unterstützt die Bemühungen der Athleten herauszufinden, wie olympische Sportler ihre Unterstützung für die Prinzipien der Olympischen Charta ausdrücken können", sagte Bach. Wie genau die Proteste aussehen könnten, ließ Bach offen. "Da will ich den Gesprächen der Kommission nicht vorgreifen", sagte der 66-Jährige.
Aber woher kommt nun der Sinneswandel? Der Druck der Athleten, gerade aus den USA, war zuletzt enorm gewachsen. Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd durch einen Polizisten hatten US-Athleten gefordert, ihren Protest gegen Rassismus und Polizeigewalt auch auf den großen sportlichen Bühnen zeigen zu dürfen. Das Nationale Olympische Komitee USOPC reagierte und kündigte an, die herrschenden Regeln zu hinterfragen.
"Heute gründe ich eine von Athleten geleitete Gruppe, um die Regeln und Systeme unserer eigenen Organisation infrage zu stellen, einschließlich ihres Rechts auf Protest", schrieb USOPC-Generaldirektorin Sarah Hirshland in einem Brief an die Athleten. "Der Schmerz", den die schwarze Gemeinschaft in den letzten Wochen empfinden musste, sei "inakzeptabel", sagte Hirshland.
Hörmann fordert klare Regeln
DOSB-Präsident Alfons Hörmann hatte Verständnis für die US-Initiative gezeigt, forderte aber eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Thema. "In der aktuellen Diskussion muss man sehr präzise trennen zwischen politischen Statements und der Unterstützung von grundsätzlichen Zielen wie der Einhaltung der Menschenrechte, die sogar in Verbandssatzungen oder auch der Olympischen Charta konkret benannt sind", sagte Hörmann gegenüber dem SID. Wenn Sportler für die dort aufgeführten Werte offen und deutlich eintreten, sei das völlig anders zu bewerten, als wenn die Bühne des Sports zur Aussendung politischer Botschaften jedweder Art genutzt und teilweise auch missbraucht werde, so Hörmann. Für beide Fälle bräuchte es jedoch klare Regeln.
Der Verein Athleten Deutschland e.V. hatte das Vorhaben des USOPC begrüßt, das Verbot politischer Proteste zu prüfen. "Die Einschränkung der Meinungsfreiheit im Sport kann nur toleriert werden, wenn Athleten und Verbände gemeinsam Grenzen definieren", hieß es.
Coe vor Aufnahme ins IOC
Unterdessen steht Sebastian Coe, Chef des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, vor der Aufnahme in das IOC. Der Brite war am Mittwoch neben vier weiteren Personen vorgeschlagen worden und dürfte nun am 17. Juli als neues Mitglied bestätigt werden. Damit wäre der Leichtathletik-Weltverband erstmals seit 2015 wieder im IOC vertreten.
Bisher hatte ein Interessenskonflikt Coes Aufnahme verhindert. Laut Bach habe Coe seinen Posten als Geschäftsführer beim Unternehmen CSM Sport & Entertainment nun aber aufgegeben und sei in eine "passive Rolle" gewechselt.
Außerdem teilte Bach am Mittwoch mit, dass die Vorbereitungen auf die Sommerspiele 2024 in Paris trotz Corona-Pandemie planmäßig verlaufen würden. Die Zahl der Athleten soll auf 10.500 festgelegt werden.