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Druck wächst bei Frage der richtigen Blutdruckbehandlung

Bluthochdruck ist eine Volkskrankheit. Im Lauf der Jahre kann er zu Schlaganfall, Herzinfarkt oder Nierenschäden führen. Was ist zu tun? Darüber streiten sich gerade das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen und die Deutsche Hochdruckliga.

Von Volkart Wildermuth | 13.10.2009
    Beim Thema Hochdruck stehen Ärzte und Patienten vor der Qual der Wahl, es gibt eine ganze Reihe von Medikamentenklassen, die den Blutdruck effektiv senken. Zu welcher Pille soll man also greifen? Diese Frage hat der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen dem Kölner Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, kurz IQWIG, gestellt. Die Experten dort haben sich darangemacht und viele, viele wissenschaftliche Studien gesichtet, ausgewertet und verglichen. Im September wurde ein Bericht veröffentlicht, der die Diuretika in den Mittelpunkt stellt, also Medikamente, die den Körper entwässern und so den Blutdruck senken. Die vielen Seiten lassen sich in einem Satz zusammenfassen:

    "In der Gesamtschau der Ergebnisse können Diuretika in der Regel als Therapie der ersten Wahl im Sinne der Fragestellung des vorliegenden Berichts angesehen werden, wobei individuelle Patientenbesonderheiten wie Ko-Morbiditäten und Alter zu berücksichtigen sind."

    Um diesen Satz, genauer um die drei Worte "in der Regel" ist nun ein heftiger Streit entbrannt. Die Deutsche Hochdruckliga, eine wissenschaftliche Vereinigung zum Thema Bluthochdruck, läuft Sturm. Prof. Heribert Schunkert vom Universitätsklinikum Schleswig Holstein in Lübeck:

    "Das mag richtig sein für viele Patienten, aber eben nicht für alle Patienten, weil manche Erkrankungen besondere Medikamente erfordern. Zum Beispiel die Herzinsuffizienz bedeutet, dass ACE-Hemmer gegeben werden müssen, weil sie die Todesrate reduzieren, Betablocker müssen gegeben werden, weil sie die Todesrate reduzieren."

    Auch diese Medikamente senken den Blutdruck, sie zugunsten von Diuretika abzusetzen, wäre ein ärztlicher Kunstfehler. Auch bei einer Nierenschädigung oder einer Zuckerkrankheit müssen andere Wirkstoffe gegen den Hochdruck eingesetzt werden. Das sieht das IQWIG ganz genauso, deshalb lautet die Empfehlung ja in der Regel für die Diuretika und nicht in jedem Einzelfall. Gegen die Diuretika als quasi automatische Medikamente der ersten Wahl spricht im Übrigen auch eine praktische Überlegung. Die Empfehlungen des IQWIG müssen nach dessen Statuten auf den besten wissenschaftlichen Studien beruhen. Die bilden aber die Realität der Versorgung nur unzureichend ab, gerade beim Bluthochdruck. In den Studien nehmen die Patienten ihre Pillen regelmäßig ein, beim Hausarzt dagegen werfen schon nach einem Jahr der Therapie die Hälfte der Patienten die Tabletten einfach in den Müll und steigern damit die Gefahr, zum Beispiel einen Schlaganfall zu erleiden. Auch das ist wissenschaftlich belegt. Gerade bei den Diuretika ist die Therapietreue besonders niedrig, berichtet Prof. Thomas Mengden vom Kerckhoff Rehabilitationszentrum Bad Nauheim:

    "Zum Teil sind das triviale Gründe, wie häufiger zur Toilette gehen zu müssen unter Diuretika, die Patienten davon abhalten, die Medikation tatsächlich zu nehmen, oder Potenzprobleme bei Männern."

    Die klinische Erfahrung spricht deshalb, anders als die klinischen Studien, eher gegen die Diuretika. Das IQWIG hat auf die Vorwürfe reagiert – mit eigenen Vorwürfen. Die Empfehlungen der Hochdruckliga würden sowieso nicht umgesetzt, das sei das eigentliche Problem. Die Wogen gehen hoch, obwohl die Standpunkte gar nicht so weit auseinanderliegen. Eigentlich könnte man den Streit also einfach ignorieren, wenn nicht die Empfehlungen des IQWIG von vielen Ärzten als letzte Instanz gewertet würden, und die sind mit den Komplexitäten der Hochdruckbehandlung nicht immer vertraut.

    "Was wir uns wünschen, um den Kollegen und auch den Patienten im Land einen Leitfaden an die Hand zu geben, sollte man eben die Dinge so präzise benennen, wie man sie benennen kann und nicht sagen in der Regel tun's die Diuretika."

    Für Patienten und Ärzte kommt es darauf an, Medikamente zu finden, die den Blutdruck wirksam senken und auf Begleiterkrankungen abgestimmt sind. Es spricht viel dafür, zunächst Diuretika zu erproben, wenn sich mit ihnen aber nicht leben lässt, dann sollte der Patient sie nicht wegwerfen, sondern den Arzt um andere Präparate bitten.