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Dschihadismus in Frankreich
Tochter unter Terrorverdacht

Die französische Regierung will Staatsbürger aus Syrien zurückholen, die dort in Gefängnissen oder Lagern sitzen. Frauen und Männer, die sich dem IS angeschlossen hatten. Die öffentliche Meinung ist gegen eine Rückkehr, Angehörige sehnen sich nach einem Wiedersehen.

Von Suzanne Krause | 07.02.2019
    Ein kurdischer Kämpfer nähert sich einem Tor in der Nähe des Tischrin-Dammes in der syrischen Provinz Aleppo, auf dem das Logo des IS prangt, der von dort vertrieben wurde
    Frankreich will IS-Anhänger aus Syrien zurückholen (Imago)
    Für 24 Stunden ist Lydie Maninchedda aus Nordfrankreich nach Paris gekommen, sie wird an mehreren Fernseh-Livesendungen teilnehmen. Um den Zuschauern die Geschichte ihrer Tochter Julie nahe zu bringen. 26 Jahre alt ist Julie und 2014 gen Syrien aufgebrochen. Mit einem deutschen Salafisten, Martin Lemke, den sie als Studentin in Leipzig kennengelernt und in einer Moschee geheiratet hatte, erzählt Lydie Maninchedda bei einem Kaffee.
    "Konvertiert ist sie schon, bevor sie nach Leipzig ging. Sie fühlte sich vom Islam angezogen. In unserer Region leben viele Muslime, die ursprünglich als Bergleute aus Nordafrika kamen. Julie hatte einige muslimische Freundinnen."
    Tochter radikalisierte sich in Leipzig
    Radikalisiert habe sich Julie in Leipzig, durch den Einfluss ihres Mannes, vermutet Lydie Maninchedda. Als die beiden nach Syrien gingen, hatten sie ihr Baby, sechs Monate alt, dabei. Noch zwei weitere Kinder hat Julie zur Welt gebracht. Dann hat ihr Mann sie verstoßen und ihr die beiden älteren Kinder weggenommen. Lydie Maninchedda fürchtet, ihre Tochter könne tot sein - seit drei Monaten ist sie ohne Lebenszeichen.
    "Julies Ex-Mann ist gerade in Syrien festgenommen worden, zusammen mit seinen zwei deutschen Nebenfrauen und mehreren Kindern. Unter denen dürften sich auch die Söhne meiner Tochter befinden." Lydie Manincheddas Enkelkinder. Von denen sie nur den ältesten gesehen hat, als Säugling. Heute ist er 5 Jahre alt.
    "Ich hoffe, dass der Staat mir hilft, sie heimzuholen. Und dann werde ich mich um sie kümmern."
    Angehörige erfuhren durch die Medien von der geplanten Rückkehr
    Die Beziehungen zum französischen Staat könnten allerdings besser sein, sagt Thierry Roy. Sein Sohn kam vor drei Jahren in Syrien um. Roy ist Mitgründer des "Collectif Familles Unies", dem auch Lydie Maninchedda angehört. Sowie knapp weitere 70 Familien, die alle einen Angehörigen an die Terrororganisation IS verloren haben. Von der geplanten Rückkehr der mutmaßlichen Dschihadisten aus kurdischer Gefangenschaft habe das Eltern-Kollektiv nur dank der Medien erfahren, beklagt Thierry Roy.
    "Was uns in diesem Zusammenhang völlig unverständlich erscheint: warum sind die Familien bislang nicht an den Plänen zur Rückführung beteiligt worden? Um unsere Kinder nach Syrien zu locken, mussten die IS-Rekrutierer sie erst einmal ihren Familien entfremden. Aber die Familienbande bestehen ja noch. Im Interesse der Sicherheit für die gesamte Gesellschaft ist es doch am besten, den Eltern zu ermöglichen, da wieder anzuknüpfen."
    In Frankreich vor Gericht
    Wann die in Syrien festgenommenen Franzosen zurück gebracht werden könnten, ist derzeit völlig unklar. Sicher ist hingegen: Polizei und Justiz werden sie unmittelbar in Empfang nehmen. Das befürwortet auch Lydie Maninchedda.
    "Es ist gut, dass der Prozess in Frankreich, dem Rechtsstaat, laufen wird. Bei ihrer Heimkehr werden die Frauen erzählen, was in Syrien passiert ist – und auch vorab hier. Ich will wissen, zu wem meine Tochter Kontakt hatte. Denn viele, die für den IS rekrutieren, sind noch hier und nicht in Syrien gestorben."
    Zu sehr später Stunde, in der konfrontativen Talkshow eines Privatsenders, müht sich Lydie Maninchedda, klar zu machen, wer ihre Tochter früher war: Eine ganz normale junge Frau – die verführt, radikalisiert wurde. Überzeugen kann die verzweifelte Mutter nur wenige, wie eine Zuschauer-Umfrage belegt: 85 Prozent sind gegen die Heimkehr der Dschihadisten.