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"Dürer and Beyond"

Zeichnungen aus dem deutschsprachigen Raum von Albrecht Dürer und andern Alten Meistern wie Martin Schongauer und Hans Holbein zeigt das New Yorker Metropoliten Museum of Art. Es gibt damit einen beeindruckenden Überblick zur europäischer Zeichenkunst und Druckgraphik.

Von Sacha Verna | 11.04.2012
    Bescheiden? Nun ja: Verglichen mit der Staatlichen Grafischen Sammlung in München, dem Berliner Kupferstichkabinett oder der Wiener Albertina nimmt sich die Sammlung Mitteleuropäischer Zeichnungen des Metropolitan Museums tatsächlich ein wenig bescheiden aus. Die Mehrheit der rund dreihundert Werke aus dem vierzehnten bis siebzehnten Jahrhundert kam erst in den letzten zwanzig Jahren zusammen. Davor hatten sich die Kuratoren hauptsächlich für Arbeiten aus Italien und Frankreich interessiert. Als exquisit erweist sich die Ausstellung dennoch, in der das Metropolitan Museum nun erstmals ein Drittel seiner Bestände zeigt.

    "Dürer and Beyond" beginnt mit den Auszügen eines Musterbuches aus einer böhmischen Werkstatt von 1360 und endet mit Illustrationen zu den zwölf Monaten des Augsburgers Jonas Umbach aus dem Jahr 1690. Dazwischen sind "Samson und Delilah" von Albrecht Altdorfer zu sehen und "Der heilige Thomas" von Hans Holbein dem Jüngeren. Es gibt Bannerträger des Solothurners Urs Graf und Schlachtszenen des Niederländers Pieter de Witte. Und natürlich Albrecht Dürer:

    "Wir haben ein frühes Selbstporträt von Dürer, das einem Blatt aus einem Musterbuch gleicht, also einer Vorlage für eine grössere Komposition. Auf der Rückseite sind Dürers Kopf und eine Studie seiner Hand zu sehen. Auf der Vorderseite befindet sich eine Gruppe von Kissen, wo Dürer mit den Falten des Stoffes, mit Licht und Schatten experimentiert. Er behandelt dieses Blatt als Sammelstück und als Arbeitsmaterial zugleich. Er spielt mit der Funktion der Zeichnung in seiner Werkstatt und für sich als Künstler."

    Das ist Freyda Spira, die die Ausstellung zusammen mit Stijn Alsteens kuratiert hat. Mitteleuropa sei damals buchstäblich die Mitte Europas gewesen, sagt Stijn Alsteens, ein Schmelztiegel der Kulturen und Stile:

    "Das Heilige Römische Reich bestand aus unzähligen kleinen Staaten, die sich kulturell und religiös stark voneinander unterschieden. Der Norden Deutschlands war überwiegend protestantisch, der Süden katholisch und stark von Italien beeinflusst. Allein das führte zu deutlich verschiedenen künstlerischen Stilen. Das macht mitteleuropäische Zeichnungen jener Epoche schwer definierbar. Mann kann sie nicht einfach mit einem Etikett versehen."

    Dass die Zeichnung schon früh als eigenständige Kunstform anerkannt wurde, beweist die Vollendung vieler Blätter in dieser Ausstellung. Als Beispiele virtuoser Zeichner des siebzehnten Jahrhunderts nennt Freyda Spira Hinrich Degener und Hermann Weyer:

    "Sie benutzten raffinierte Techniken, verwendeten mehrere Materialen und präparierten das Papier auf verschiedene Arten. So konnten sie sich eine Karriere allein mit dem Verkauf ihrer Zeichnungen aufbauen."

    Die sechs Arbeiten Albrecht Dürers bilden natürlich die Prunkstücke dieser Ausstellung. Aber es ist das "Beyond", das "Darüberhinaus", das in "Dürer and Beyond" überrascht. Die Vielfalt und Vollkommenheit jenseits von Nürnberg, die es hier zu entdecken gibt, jenseits auch italienischer und französischer Fürstenhöfe, diese Zeichenkunst aus dem Herzen Europas ist ein wahrer Augenschmaus.


    Metropolitan Museum: "Dürer and Beyond: Central European Drawings in the Metropolitan Museum of Art, 1400-1700". Zur Ausstellung ist unter demselben Titel ein 250-seitiger Katalog erschienen. Er kostet 65 Dollar.