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Düsseldorf Ahoi!

Unverhofft hat die Piratenpartei gute Chancen, schon am 13. Mai in den NRW-Landtag einzuziehen. Nach einer Schrecksekunde stürzt man sich nun in den Wahlkampf – viele neue Helfer stehen bereit. Ein Bericht von der Basis.

Von Stefan Maas | 22.03.2012
    "Wir machen erstmal eine kleine Vorstellungsrunde … "

    Montagabend kurz nach sieben in einem Kölner Brauhaus. Piratenstammtisch. Die beiden langen Tische sind schon eine ganze Weile besetzt. Viele haben keinen Sitzplatz mehr gefunden und auch im Vorraum wird die Gruppe derjenigen immer größer, die auch noch dabei sein wollen, aber dafür wohl werden stehen müssen. Fast 70 Interessierte sind gekommen. Männer, Frauen, alte, junge.

    "Ich bin Manuel, ich bin seit 2009 Pirat, aber seit langer Zeit nicht mehr aktiv und wollte mal wieder vorbeischauen, was hier so läuft."

    "Ich bin Manuela. Werde vor der Wahl 48. Buchhalter und bisher hauptsächlich im Forum aktiv."

    "Ja, ich Tobias, auch das erste Mal hier. Ich war 16 Jahre lang Mitglied in der FDP und habe da einen Schlussstrich gezogen. (Applaus)"

    Es ist der erste Stammtisch seit sich vor weniger als einer Woche der nordrhein-westfälische Landtag aufgelöst hat und klar ist: wenn am 13. Mai gewählt wird, haben die Piraten gute Chancen, in Düsseldorf ins Parlament einzuziehen. Die aktuellen Umfragen sehen sie bei rund sechs Prozent. Auch Erika gehört zu den Neuen, die schauen, ob sie helfen können im Wahlkampf:

    "Ich bin 60 und noch nie in einer Partei gewesen."

    Sagt die Bibliothekarin und zieht dabei ihren roten Schal über ihrem blauweiß-gestreiften Oberteil zurecht. Sie sieht darin ein wenig aus wie ein Matrose.

    "Also, ich würde mitarbeiten. Ich weiß nicht, was nötig ist. Das werde ich wahrscheinlich heute Abend erfahren. Es wurde ja schon davon gesprochen, dass die Arbeit verteilt wird."

    Überrascht ist der Kölner Kreisvorsitzende Daniel Schwerd vom Andrang an diesem Abend nicht. Mit Neueinsteigern kennen die Piraten sich aus.

    "Seit der Berlinwahl ist es so, dass zu jedem Stammtisch auch Interessenten kommen. Und Neupiraten, also die zum ersten oder zweiten Mal da sind. Und das stellt uns natürlich vor die Herausforderung, dass man die irgendwie in die politische Arbeit reinbringt."

    Zu tun gibt es jetzt für alle in den kommenden Wochen genug. Die Zeit bis zur Wahl ist kurz. Die Piraten mögen eine recht junge Partei sein, Anfänger sind sie nicht mehr. Der letzte Landtagswahlkampf, 2010, war eine gute Schule.

    "Es gab erstmal natürlich eine Schrecksekunde, aber wirklich nur eine Sekunde, dann ging eigentlich schon die Maschinerie los. Schon am Nachmittag wurde also eine Mumble-Sitzung einberufen. Das ist ja unser Telefonkonferenzsystem, was wir benutzen übers Internet. Wo dann also blitzartig 50, 60, 70 Leute drin beteiligt waren, und da ging dann die Organisation schon los."

    Solch große Gruppen im Internet zu koordinieren, damit haben die Piraten Erfahrung. Noch am selben Nachmittag wurden Hallen organisiert. Während dieser Sendung werden die Direktkandidaten für die sieben Kölner Bezirke aufgestellt. Auf einem außerordentlichen Parteitag am kommenden Samstag wählen die Parteimitglieder die Kandidaten für die Landesliste. 40 sollen es werden. Auch Daniel Schwerd wird kandidieren. Für die Liste und direkt für einen Kölner Wahlkreis. Grundsätzlich kann sich jeder Pirat, ob jahrelanger Mitstreiter oder ganz frisch dabei um einen Listenplatz bewerben.

    "Bei uns ist die Offenheit ja Prinzip, das heißt, wir wollen niemanden davon abhalten, es zu versuchen. Aber jeder muss sich auch darauf einstellen, dass er Fragen gestellt bekommt. Wir nennen das grillen. Dass er auch unangenehme Fragen gestellt bekommt. Und als Neupirat, denke ich mal, wird er es schwierig haben, Leute zu überzeugen."

    Ein Wahlprogramm gibt es bereits seit dem letzten Wahlkampf. Dort findet sich Innen- und Bildungspolitik, Verbraucherschutz, Gesundheitspolitik und einiges mehr. Nur eine Position zur hohen Landesverschuldung sucht man noch vergebens. Aber auch das soll sich bald ändern.

    "Da gibt es noch keinen Piratenansatz. Also, das Finanzthema ist kein originäres Piratenthema gewesen. Ich gehe davon aus, dass wir die ersten Anträge dazu zum Parteiprogrammparteitag schon haben werden."

    Der findet im April statt. Einen genauen Blick auf die Finanzen müssen die NRW-Piraten jedenfalls im Wahlkampf haben. Gut 217.000 Euro hat der Landesverband in der Kasse – dank der Wahlkampffinanzierung aufgrund ihres 1,6 Prozent-Ergebnisses von 2010. Knapp die Hälfte davon ist für den Wahlkampf bestimmt. Nicht viel, verglichen mit anderen Parteien. Die Grünen haben ein Budget von rund 500.000 Euro und die CDU nennt keine genauen Zahlen. Sagt nur so viel, es werde weit weniger als 2010. Damals waren es 4,5 Millionen. Für Piratenverhältnisse sind 100.000 jedoch eine Menge Geld. Im Saarland, musste die Partei mit rund 40.000 Euro auskommen. Vom Landesverband Nordrhein-Westfalen gab es dafür ein Darlehen und auch personelle Unterstützung. Denn wo die Saarpiraten gerade einmal 400 Mitglieder haben, ist der NRW-Landesverband 3500 Mitglieder stark – und damit der zweitgrößte nach Bayern. Diese Hilfe kommt jetzt zurück. So ist das bei den Piraten.

    "Hilfsangebote sind schon jede Menge da. Und wir jeden sicherlich auch allen möglichen Landesverbänden und teilweise auch aus dem Ausland Hilfe bekommen."

    Auch Plakate kommen von anderen Wahlkämpfern. 2000 aus Schleswig-Holstein und noch einmal so viele aus dem Saarland. Im Internet sind die Slogans und Entwürfe für die eigenen NRW-Plakate diskutiert und beschlossen worden. In den kommenden Tagen sollen die Entscheidungen bekannt gegeben werden. Wie es sich gehört – im Netz. Und dann müssen die Piraten auf die Straße. Wahlkampf machen. Plakate hängen. Helfer dafür finden sich in der Stammtischrunde viele. Erika hat sich für die Arbeitsgruppe "Wahlpropaganda" entscheiden, sagt sie. Es geht um Flyer, Werbegeschenke, Plakate. Um die Gestaltung. Wird sie auch mitgehen, aufhängen?

    "Das weiß ich noch nicht. Also, kleben habe ich eigentlich keine Lust. Das können Jüngere machen."