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Düstere Zukunftsaussichten

Schwer verdaulich war sie, die Umweltstudie "Global 2000". Nicht nur wegen der 1500 Seiten voller Zahlenreihen und Grafiken, sondern vor allem wegen der düsteren Prognosen zur Situation der Erde im 21. Jahrhundert: Überbevölkerung, Hunger und Trinkwassernotstand in vielen Teilen der Welt, Ressourcenknappheit und Klimaveränderungen als globale Bedrohung.

Von Andrea Westhoff | 23.07.2005
    "Sir: In Ihrer Botschaft zur Umweltproblematik an den Kongreß forderten Sie das Council on Environmental Quality und das Außenministerium auf, die »voraussichtlichen Veränderungen der Bevölkerung, der natürlichen Ressourcen und der Umwelt auf der Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts« zu untersuchen. Wir freuen uns, Ihnen unseren Bericht heute vorlegen zu können."

    Mit diesem Begleitschreiben wurde dem amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter die Umweltstudie Global 2000 überreicht. Sie malte ein düsteres Zukunftsbild und prognostizierte für die Jahrtausendwende:

    Einen immensen Anstieg der Weltbevölkerung von vier auf fast sechseinhalb Milliarden Menschen und damit verbunden: noch intensivere Landwirtschaft und noch höheren Energieverbrauch. In der Folge schrumpfen die Erdöl-, Kohle- und Erdgasreserven, verschwinden immer mehr Waldflächen, wird das Trinkwasser knapp, gehen Tier- und Pflanzenarten unwiederbringlich verloren.
    Und - so die Berichterstatter...

    "Die Prognosen sind möglicherweise sogar eine Untertreibung der anstehenden Probleme."

    Schon 1972 hatte der "Club of Rome" für Aufregung gesorgt, als er "Die Grenzen des Wachstums" beschrieb. Der Bericht Global 2000 war jedoch noch spektakulärer: Hunderte von Wissenschaftlern und offiziellen Institutionen, einschließlich NASA und CIA, waren daran beteiligt. Und Experten hatten gerade die massive Ausdehnung des Ozonlochs entdeckt. Es schien "fünf vor zwölf" zu sein.

    "Prompte und mutige Wandlungen in der Politik auf der ganzen Welt sind erforderlich, um die Probleme zu umgehen oder zu reduzieren, bevor sie sich nicht mehr bewältigen lassen."

    Praktisch aber passierte nichts! Im Gegenteil. Als Ronald Reagan im November 1980 Präsident wurde, verschwand Global 2000 gleich wieder in der Schublade. Reagan wollte alle Anstengungen auf den Rüstungswettlauf im "Krieg der Sterne" konzentrieren. Die Zukunft der USA liege im SDI-Programm, nicht im Umweltschutz.

    In Deutschland wurde die Studie mit einer Auflage von einer halben Million Exemplaren zwar ein Bestseller, löste zunächst aber vor allem Resignation aus. In einer Diskussionsrunde Jugendlicher im Jahr 1981 war man sich einig:

    "Um das Ganze, was in dem Buch drin steht, überhaupt zu ändern, müsste es doch so aussehen, dass man die ganze Welt ändert - was einfach nicht möglich ist, was einfach nicht möglich ist aufgrund von politischem Druck vom Ausland, vom Inland, von der Wirtschaft her, oder man guckt, was im Jahr 2000 ist, und dann kann man sagen "wir habens ja gewusst!"

    "Waldsterben", Abfallberge, "saurer Regen", giftmüllverseuchte Weltmeere und schließlich der grenzüberschreitende GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl verstärkten das "No future-Gefühl".
    Aber es gab auch Anzeichen von Gegenwehr: Die Anfang 1980 gegründete neue Partei, "Die Grünen", verdankt ihren Aufschwung auch den Mahnungen der Global 2000-Studie.

    Die internationale Politik reagierte erst sehr viel später: Seit 1992 fassten mehrere UN-Regierungskonferenzen Beschlüsse, die die globalen Bedrohungen der Zukunft abwenden helfen sollten - und wurden dabei ausgerechnet von den USA behindert. Die weigern sich bis heute, dem sogenannten "Kyoto-Protokoll" zur Eindämmung des CO2-Ausstoßes beizutreten, und so den gefährlichen Klimawandel wenigstens aufzuhalten.

    Auch hierzulande steht Umweltschutz inzwischen nicht mehr weit oben auf der politischen Tagesordnung. Arbeitslosigkeit bedroht den Einzelnen spürbarer als eine mögliche globale Katastrophe. Aber aus vielen der Prognosen von 1980 sind langst Fakten geworden, nachzulesen in den verschiedenen UN-Jahresberichten:
    "6,4 Milliarden Menschen leben auf der Erde und die Zahl wächst stetig. Jeden Tag sterben bis zu 100.000 Menschen an Hunger oder an seinen Folgen. Die Wüsten dehnen sich aus, jährlich mehr als 5 Millionen Hektar, eine Fläche so groß wie Bayern. Millionen haben kein sauberes Trinkwasser.
    Überschwemmungen in Asien nehmen bislang unbekannte Ausmaße an. "

    "Wir ernten, was wir säen", unter diesem Titel ist gerade ein Buch von James Gustave Speth erschienen. Er ist einer der renommiertesten amerikanischen Umweltwissenschaftler und hat an der Studie Global 2000 damals maßgeblich mitgearbeitet. Seine Bilanz nach 25 Jahren fällt bitter aus: Trotz der vielen internationalen Verträge und Vereinbarungen schreitet die Umweltzerstörung unaufhaltsam fort.

    Aber - wer weiß, vielleicht bewahrheitet sich ja auch, was der inzwischen verstorbene Zukunftsforscher Robert Jungk in den 80er Jahren zur globalen Zukunft der Menschheit vorhergesagt hat:

    "Ich meine, das ist die große Fähigkeit des Menschen, dass, wenn er erkennt, dass er in einer Falle steckt, dass es so nicht weitergeht, dann hat er seine Phantasie, dann kann er sich etwas anderes ausdenken. "