Dunkelbraun und zuckersüß

Von Mathias Schulenburg · 08.05.2011
Den einen erscheint sie als Krönung kapitalistischer Manipulationsmethoden, den anderen als Essenz des amerikanischen Traums - getrunken wird die braune Brause von fast allen: Coca Cola.
Atlanta, zwei Jahrzehnte nach dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges. Die Stadt brummte vor Geschäftigkeit. Reich zu werden galt im besiegten Süden als Mittel, die Schmach zu tilgen. Die Quacksalberei blühte und die Geschäftsleute überboten einander mit Versprechungen, unter ihnen John Pemberton, ein talentierter Apotheker, den der Krieg zum Morphinisten gemacht hatte. Auf der Suche nach Erlösung von diesem Übel hatte Pemberton die Segnungen der Koka-Pflanze entdeckt und eine kokainhaltige "French Whine Coca" kreiiert, das Imitat eines französischen Erzeugnisses, das ihn, den geschäftlich eher Glücklosen, gut über Wasser hielt. Bis die Stadt Atlanta ein Verbot aller Alkohol enthaltenden Getränke ankündigte. Pemberton stürzte sich auf die Entwicklung einer Alternative, nahm den Wein aus seinem Rezept, fügte zum Kokain das Koffein der Colanuss hinzu - das Getränk war jetzt zu bitter -, versetzte es mit reichlich Zucker - das Getränk war jetzt zu klebrig-süß - und rundete das Ganze mit Zitronensaft ab. Da war das Grundrezept gut. Und dann, ganz wichtig: Als Wasser, das die Ingredienzien trug, verwendete Pemberton kein gewöhnliches Wasser, sondern Soda- oder Sprudelwasser, dem damals segensreiche Wirkungen zugeschrieben wurden.

Am 8. Mai 1886 verkaufte Pemberton in seiner Apotheke Jacob's Pharmacy in Atlanta das erste Glas Coca Cola.

Elf Tage später erschien in der örtlichen Tageszeitung "The Atlanta Journal":

Coca Cola - köstlich, erfrischend, stärkend! Der neue, beliebte Soda-Fountain-Drink mit den Wirkstoffen der wunderbaren Koka-Pflanze und der berühmten Kola-Nüsse.

Das - damals ganz legale und von Geistesgrößen wie Sigmund Freud hoch gepriesene - Kokain wurde 1903 vollständig aus der Rezeptur entfernt.

Mit der Anzeige im "Atlanta Journal", die auch schon das charakteristische Marken-Logo enthielt, begann die erstaunliche Karriere eines Getränks Fahrt aufzunehmen, das - aus wenig mehr als Zucker und Wasser bestehend - zur wertvollsten Marke der Welt werden sollte. Pemberton selbst brachte das Elixier nicht viel ein, seinen Nachfolgern umso mehr.

Dabei war das Rezept des Apothekers, im Laufe der Zeit mehrfach abgewandelt, gar nicht der wichtigste Schlüssel zum Erfolg - das waren vielmehr logistische Pionierleistungen wie Flaschenabfüllung, das Sixpack, Vertriebsregeln, vor allem aber die Werbung. Die wurde im Laufe der Zeit durchaus ansprechend - an den Cola-Girls etwa arbeiteten renommierte Künstler wie Norman Rockwell mit. Jane Mansfield brachte ihren trägerlosen Büstenhalter für Coca Cola zur Geltung.

Die massive Werbung verschaffte dem Getränk in den USA einen quasireligiösen Status, "Newsweek" nannte es "amerikanischen Charakter in der Dose." Die Company bekam das zu spüren, als sie - um Pepsi Cola abzuhängen - 1985 die Rezeptur noch gefälliger machen, also ändern wollte. Täglich gingen 8000 Protest-Anrufe ein.

Wäre es etwa richtig, die Verfassung umzuschreiben? Die Bibel? Für mich ist die Änderung der Coke-Formel genau so ernst.

Die Firmenleitung knickte ein.

Mitunter erfuhr Coca Cola auch Würdigung von unerwarteter Seite. 1944 nahmen die Andrew Sisters einen Song auf, der mit 650.000 verkauften Exemplaren der größte Hit ihres Lebens wurde. Sie besangen Rum und Coca Cola, das auf Trinidad von den dort stationierten GI's in weiblicher Gesellschaft genossen wurde - teils offenbar auf gewerblicher Basis.

Ein Lied der Andrew Sisters besingt: "Rum and Coca Cola - Both mother and daughter, working for the yankee dollar."

Was, leicht einsehbar, als "Mutter und Tochter gehen für Dollar anschaffen" gedeutet werden konnte. Das gab keine gute Presse, tat der Beliebtheit der braunen Brause aber keinen Abbruch.

Es war aber eine zweischneidige Werbung. Rum und Coca Cola sind die Hauptessenzen des Drinks Cuba Libre. Und Kuba ist eines von drei Ländern, in denen Coca Cola bis heute nicht ausgeschenkt werden darf.