Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Dunkle Energie im Wandel

Physik. – Das Weltall dehnt sich stetig aus – und die geheimnisvolle Kraft dahinter sehen Physiker in der so genannten "Dunklen Energie". Eine Idee Einsteins dazu – die so genannte kosmologische Konstante – gerät aber immer mehr ins Wanken.

Von Ralf Krauter | 20.01.2006
    In Sachen Dunkler Energie diskutieren Astrophysiker derzeit allerhand verschiedene Optionen. Dass die abstoßende Kraft, die alle Sterne im All immer schneller auseinander treibt, tatsächlich existiert, gilt als sicher. Doch die Gretchenfrage ist, ob und wie sie sich im Lauf der Zeit verändert hat. Die simpelste Lösung wäre die schon von Einstein ins Spiel gebrachte: Eine konstante Kraft, die seit dem Urknall immer dieselbe Stärke hatte. Doch viele Experten favorisieren eine komplexere Variante - ein zeitlich variables Kraftfeld mit dem viel versprechenden Namen "Quintessenz".

    Um ihre Theorien zu testen, verwenden die Kosmologen natürliche Leuchtbojen, deren Entfernung sie bestimmen können - am liebsten Supernovae vom Typ 1a. Diese Sternenexplosionen sind sozusagen die Eichkerzen der Astrophysiker. Allerdings ist ihre Leuchtkraft eher mickrig - zumindest verglichen mit jenen hochenergetischen Gammastrahlen-Blitzen, die massive Sterne manchmal vor ihrem Tod aussenden. Bradley Schaefer, Professor an der Louisiana State University in Baton Rouge, hat sich diese kosmischen Blitzlichter deshalb genauer angesehen.

    "Gammastrahlenblitze erlauben uns, viel tiefer ins All zu schauen. Denn diese Pulse elektromagnetischer Strahlung leuchten 100mal heller als jene Supernovae, die man heute typischerweise untersucht, um etwas über die Expansion des Universums zu erfahren. Das heißt, wir können die Gammablitze noch in viel größerer Entfernung erkennen. Sie erlauben den Blick in einen Teil der Geschichte des Kosmos, der bislang im Dunkeln lag."

    Für seine Analyse hat Bradley Schaefer auf die Daten verschiedener Teleskope zugegriffen. 52 Gammastrahlenblitze hat er untersucht und aus deren spektraler Zusammensetzung und ihrem zeitlichen Verlauf mit verschiedenen Methoden insgesamt 172 Entfernungsangaben ermittelt - zehnmal mehr als bei jeder vorherigen Untersuchung.

    "Supernovae verraten uns genau, was in unserer näheren Umgebung passiert - sagen wir kosmologisch gesehen "in unserem Wohnzimmer". Aber wenn wir herausfinden wollen, was im Raum nebenan geschieht, brauchen wir andere kosmische Leuchtbojen. Die Entfernung von Gammastrahlen-Blitzen lässt sich heute zwar noch lange nicht so exakt bestimmen wie die von Supernovae. Aber es wäre doch dumm, diese zusätzliche Information deshalb nicht zu verwenden."

    Bradley Schaefer fand heraus, dass zwölf der am weitesten entfernten Gammablitze allesamt heller waren als erwartet. Eine überraschende Erkenntnis, die kaum Zufall sein kann und eigentlich nur einen Schluss zulässt: Die abstoßende Kraft, die die sterbenden Sterne von uns fortgetrieben hat, muss früher einmal schwächer gewesen sein als heute. Die dunkle Energie kann damit keine kosmologische Konstante sein.

    "Die Ergebnisse meiner Berechnungen stehen nicht im Widerspruch zu bisherigen Supernova-Messungen. Sie sind vielmehr eine Erweiterung auf einen Zeitraum in der Vergangenheit, über den wir bislang keinerlei Informationen hatten. In dem Bereich, wo sich die beiden Verfahren überlappen, sind die Resultate völlig konsistent."

    13 Milliarden Lichtjahre waren die entferntesten Gammablitze von der Erde entfernt, die Bradley Schaefer untersucht hat. Er räumt ein, dass seine Ergebnisse vorläufig sind, hofft aber, dass geplante Satellitenmissionen in den kommenden Jahren eine Fülle neuer Gammastrahlenblitze detektieren und ihm so reichlich Material liefern, um seine Theorie zu testen.

    "Die Behauptung, dass sich die dunkle Energie im Lauf der Zeit verändert hat - die kosmologische Konstante also nicht konstant ist - hat natürlich eine enorme Tragweite. Allerdings habe ich für meine These bislang nur erste Hinweise. Die sind sehr ernst zu nehmen, aber um wirklich sicher sein zu können, braucht es weitere Messungen und unabhängige Bestätigungen."

    Fazit: Albert Einsteins kosmologische Konstante ist angezählt. Ganz vom Tisch ist sie aber noch nicht.