Dienstag, 16. April 2024

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Duo Me + Marie
Alpiner Rock-Minimalismus

Früher spielte Maria de Val in leisen Ensembles und Roland Scandella eher in lauten - aber sie haben beide voneinander gelernt, seit ihrem gemeinsamen Debüt "One eyed love" und dem jüngst veröffentlichten Nachfolger "Double Purpose": handgemachte Musik zwischen Grunge, Pop und Folkrock mit dreckigen Gitarrensoli und knackigen Grooves.

Von Anja Buchmann | 16.09.2018
    Ein Mann und eine Frau stehen vor einer Betonwand.
    Das italienisch-schweizerische Duo Me + Marie (Tibor Bozi)
    Ladinisch und Rätoromanisch als Muttersprachen
    Das Duo Me + Marie lebt in München und ist auch privat ein Paar. Sie kommt aus Südtirol, er aus der Ostschweiz. Sie spricht ursprünglich Ladinisch, er Rätoromanisch; sie spielt Schlagzeug, er Gitarre. Ihr erstes Album "One eyed love" enthält auch ein Stück auf rätoromanisch; inzwischen singen sie nur noch englisch. Denn: Sie wollen nicht auf diese alten Sprachen reduziert und von einem großen Publikum verstanden werden.
    "Naja, ich für meinen Teil habe auch immer romanische Musik gemacht. Ich fühle die Sprache einfach am besten. Und ich habe mir immer gesagt: Wenn ich noch mal eine neue Band mache, dann englisch. Dann möchte ich nicht diese sprachliche Barriere haben. Sondern einfach mal als ganz normale Band angeschaut werden und nicht als Museumsstücke. Genau, als Museumsstücke."
    Musik: "Hai eu less"
    Begegnung beim Radiointerview
    Kennengelernt haben sich Maria de Val und Roland Scandella beim Radio. Die Musikerin war mit ihrer Band Ganes zu Gast bei einem Schweizer Radiosender. Ein Projekt, das sie gemeinsam mit ihren Cousinen betrieb; klangverliebte Popmusik, gesungen in ladinisch, der Sprache aus den Alpentälern Oberitaliens.
    "Ich habe da meinen Job gemacht als Musikredakteur und auf einmal stand diese Band vor mir, ich habe das angehört und diese Musik hat mir gefallen, besonders Marias Stimme. Ich habe sie live gesehen und habe gerade Songs geschrieben für mein Soloalbum und habe sie gefragt, ob sie Bock hat, da mit zu machen."
    Und so haben sie sich kennengelernt und begannen vor etwa fünf Jahren, miteinander Musik zu machen.
    "Genau, dann habe ich als Backgroundsängerin bei seinem Soloprojekt mit gesungen. Wir haben dann irgendwann ein Konzert in Husum gespielt, da sind wir nur zu zweit aufgetreten. Und das war so ein magischer Moment auf der Bühne, wo wir beschlossen haben: Lass uns gemeinsam Songs schreiben. Und das war eben ein Konzert vom Soloprojekt vom Roland, aber die Leute wollten das Album von uns zweien haben. Mein Album wollten sie nicht."
    Hardrock vs. Klangspielereien
    So fing es an, mit Me + Marie: Die Schlagzeugerin, die ein paar Semester Jazz studiert hatte - in erster Linie, um andere Musikerinnen und Musiker kennen zu lernen -, und der autodidaktische Gitarrist, der auch Schlagzeug spielt. Beide mit unterschiedlicher musikalischen Herkunft: Roland Scandella war Mitglied in einer etwas schwermetallhaltigen Rock-Band, Maria de Val in einer eher klanglich verspielten Formation. Und beide lernen von der Musik, den Instrumenten und der Herangehensweise des jeweils anderen.
    "Beim Gesang war es so, dass Roland, dadurch dass er in dieser Rockband gespielt hat, da musste er immer sehr laut singen, eher schreien, drei Stunden lang. Vollgas schreien. Ich fand das immer sehr schade, denn beim Reden hat er ja auch eine sehr warme Stimme. Das fand ich dann sehr schön, wenn er auch leiser gesungen hat, da hört man auch diese Stimmfarbe, die er eigentlich hat."
    Maria de Val fand es sehr inspirierend, im Proberaum von Rolands Rockband Songs zu schreiben, wo zahlreiche Verstärker und verschiedenste Pedale herum standen. So dass die von ihr inspirierten Stücke insbesondere beim Debut den rockigeren Touch haben - aber auch beim Nachfolger stammt die Idee zum härtesten Titel von ihr, bestätigt ihr Partner.
    "Ja, das war auch ihre Idee dieses Motiv. Ich wäre ja nie auf so was Einfaches gekommen. Also ist das Schöne."
    Musik: "Children of money"
    Mal minimalistisch und geschmeidig in den Balladen, mit zwei hervorragend harmonierenden Stimmen, mal schroff und rockig mit Grunge-Attitüde. Me + Marie lieben auch die abrupten Gegensätze in der Dynamik. Das Duo verstärkt sich bei Konzerten und Aufnahmen um weitere Musiker an Gitarre, Bass oder Keyboards.
    Ein Mann mit Gitarre und eine Frau sitz am Schlagzeug auf einer Bühne
    Me + Marie sind Maria de Val und Roland Scandella (imago stock&poeple)
    Eigenwillige Gitarrensounds
    Me + Marie sind sehr akribisch, Klang und Detail verliebt in ihrer Studioarbeit. Sowohl beim Debut "One eyed love" als auch beim Nachfolger "Double Purpose", etwa bei der Gitarrenauswahl. Maria de Val spielt, neben dem Schlagzeug, eine halbakustische Gitarre aus den 1960ern und Roland Scandella hat sich eine alte "Airline" gekauft.
    "Die gibt es eigentlich fast nicht. Die kommt aus den 60er-Jahren, es wurden ganz wenige gebaut, weil das ein Flop war. Die haben auch damals irgendwie 100 Dollar gekostet. Jack White hat so welche gespielt früher. Er hat dann ganz, ganz schlimme gespielt, meine ist wenigstens aus Holz und er hat die aus Plastik gespielt, die rote Gitarre, die typische White Stripes-Gitarre. Ich habe die jetzt nicht wegen Jack White gekauft, sondern ich hab die Gitarre gesehen und wollte die einfach. Und ich muss sagen, das war der beste Kauf meines Lebens, weil die Gitarre hat so einen einzigartigen Sound."
    Ein Sound, der trashig oder dreckig daher kommt und etwa beim Song "Still Water" zu hören ist.
    "Das beginnt doch mit einem etwas tieferen Viertonmotiv, oder? Genau. Das ist die Airline? Das ist die Airline. Und das macht nur sie. Ich habe noch eine Gibson ES 335. Und meine Gitarren haben verschiedene Tunings, sind tiefer gestimmt, zum Teil noch Drop, Drop C."
    Drop C bedeutet: Die tiefe E-Saite ist um zwei Töne auf C, die restlichen Saiten sind einen Ton heruntergestimmt.
    "Und ich wollte eigentlich diese Airline nicht mitnehmen. Auf Tour. Aber dann habe ich das mit der Gibson gespielt, aber das klingt einfach nicht. Das hat nicht den gleichen Charakter. Das geht nicht für mich. Ist wie ein anderer Sänger."
    Musik: "Still water"
    Auch der Produzent der aktuellen Platte, Kurt Ebelhäuser aus Koblenz, ist bei einigen Songs mit seiner Gitarre zu hören: einer alten Framus, die einigen Stücken einen gewissen Twang-Sound hinzufügt. Was wiederum gut zu dem Italo-Western-Duft passt, der immer wieder auf "Double Purpose" auftaucht. Erzeugt auch durch reichlichen Einsatz von Roland Scandellas liebstem Hall-Pedal.
    "Und es hat auch was damit zu tun, dass Roland als Kind sehr gerne Western Comics gelesen hat." Roland: "Ja, Lucky Luke, als Kind, brutal."
    Musik: "The only ones"
    Rock et cetera im Deutschlandfunk mit einem Portrait des italienisch-schweizerischen Duos Me + Marie, das war 'The only ones' aus ihrem aktuellen Album 'Double Purpose'. Die Musik von Maria de Val und Roland Scandella ist nicht bahnbrechend neu aber sie verweben bekannte Elemente aus Rock, Pop, Grunge, Singer/Songwriter und Morricone-ähnlichem Italowestern auf organische Weise, kreieren wunderbare Melodielinien, grooven auch im Laid Back-Modus ungemein und ihre Stimmen harmonieren sehr im zweistimmigen Satzgesang. Und beim aller Internationalität der Songs: Ein ganz dezenter Hauch von Südtirol und Ostschweiz liegt hier und da insbesondere über den Balladen. Ihre Songs schreiben Maria de Val und Roland Scandella gemeinsam. Beide haben Ideen für Riffs, Grooves und Melodielinien; oft allerdings prescht Maria voran.
    Kompositionsarbeit und Stillstand
    "Die Ideen sprudeln so aus ihr raus und man muss dann die Gabe haben, diese Ideen zu sammeln und sie dann auszuwerten quasi in kürzester Zeit, weil diese Ideen kommen extrem raus. Und dann muss man sie einfach nur noch umsetzen und zu Songs verwandeln. Das ist eher so ein bisschen weit weg und dann zeige ich sie hier quasi wieder. Und dann kann sie wieder sagen was sie gut oder schlecht findet und dann arbeiten wir sozusagen dann wieder ganz eng."
    Natürlich gibt es auch Stillstand. Zeiten der Leere, des "Nicht-mehr-weiter-Wissens" beim Komponieren. So geschehen nach etwa der Hälfte der Songaufnahmen zu "Double Purpose", dem schwierigen zweiten Album:
    "Aber man kann ja nichts erzwingen und wir haben überlegt, das Ganze zu unterbrechen und zu einem anderen Zeitpunkt weiterzumachen. Und dann haben wir einen Tag Pause gemacht, Roland ist glaub ich Holz hacken gegangen und am nächsten Tag haben wir weiter gemacht und haben gesagt: Bevor wir jetzt abbrechen, lass uns nochmal diese Energie vom Frust praktisch umsetzen. Diese Schwere, die sich da geformt hat."
    Das Ergebnis nach Pause, Holzhacken und Wiederanfang war der gerade gehörte langsamste Song des Albums: The only ones.
    "Diese ganze Kreativität fordert ihren Tribut. Das ist ein wahnsinnig Energie voller Prozess und irgendwann ist man einfach leer. Und dann braucht man Pause um sich wieder aufzuladen um auf andere Gedanken zu kommen. Und das kann dann schon sein dass man eben so viel Dopamin quasi ausgeschüttet hat oder sich einfach angespornt hat zu schreiben dass man dann schon so wie in ein Loch reinkommt."
    Durch Holzhacken oder Wandern lenken die beiden Musiker sich immer wieder bewusst von der Studioarbeit ab - wenn es mal nicht weitergeht. Auch beim Debüt-Album haben Me + Marie den Energiefluss damit wieder in Gang gebracht.
    "Geheut haben wir auch. Gras geschnitten, so richtig mit der Sense. Weil Musik machen ist so intuitiv. Das ist so ein Gefühl und das muss einfach stimmen. Und wenn man nicht da ist gefühlsmäßig - und da ist Alex Sprave, der Produzent, extrem feinfühlig - wenn er nicht die letzten zehn Prozent hat von allem, dann ist er nicht zufrieden. Es ist zwar gut, aber es ist nicht alles und er versucht noch das Letzte aus einem raus zu bekommen. Dann ist es besser, man geht heuen. Oder man geht eine Runde wandern, trinkt ein Bier und kommt zurück und ist frisch und singt."
    Musik: "One eyed love"
    "Roland ist für mich einer der besten Gitarristen. Ich habe ja das Schlagzeug studiert und mit vielen studierten Musikern Musik gemacht und bei mir war das so, dass sobald ich mit Roland dann Musik gemacht habe, dann hat der dann gespürt was er spielt. Er hat sein eigenes Körpergefühl für die Gitarre und auch für den Bass. Und das ist vielleicht auch deswegen weil er Autodidakt ist und so einfach seinen eigenen Stil entwickelt hat zu spielen. Und das finde ich macht sehr viel Spaß, zusammen zu musizieren."
    Sagt Maria de Val über ihren musikalischen und privaten Partner Roland Scandella. Und, um ihr die ultimative Lobdudelei auch zurückzugeben:
    "Sie hat so eine organische Art und Weise zu spielen so ähnlich wie die Drummer aus den Sechzigern. Ich nenne jetzt mal Ginger Baker. In diesem Stil und auch wenn ich jünger bin, ich bin mit dieser Musik aufgewachsen, der Sixties und Seventies. Ich fand diese Drummer immer extrem geil. Ich bin selber Drummer aber ich habe ganz anders gespielt, ich habe total auf den Punkt gespielt Rock einfach, und sie ist Laid back, sie swingt, was sie macht, sie swingt und wenn man sich darauf einlassen kann dann ist es sehr effektiv. Für mich hat sich eine völlig neue musikalische Welt aufgemacht, seitdem wir zusammen Musik machen."
    Der Albumtitel "Double Purpose" spielt auf die Zweischneidigkeit, auf das Ying und Yang des Lebens an sich und der Partnerschaft im Besonderen an. Im Titelsong geht es um einen Menschen, der sich abriegelt, der Mauern um sich herum errichtet, sich selbst der wichtigste und einzige Verbündete sein will - aus Angst vor der Welt da draußen. Und der dann feststellt, dass der so gemeinte Schutz letztlich zu Einsamkeit und einem selbst gebauten Gefängnis führt.
    Musik: "Double purpose"
    "Ich liebe es Holz zu hacken und wenn es Holz liegt dann lässt mich das nicht in Ruhe. Ich muss es bearbeiten. Aber Roland, du musst schon die Wahrheit sagen, weil wir haben ausgemacht: Das war Teamarbeit. Am Anfang hat Roland gehackt und ich musste diese Stapel machen und Roland ist so heikel, dass sich das nicht schön genug gemacht habe. Und dann mussten wir tauschen. Und eigentlich habe ich gehackt und Roland hat die schönen Stapel gemacht."
    Musik: Another place to go"