Mittwoch, 24. April 2024

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Duo "Me + Marie"
Wandern, Heuen, Bier trinken

Bier trinken ist eine der Zuschreibung zur Musik des Duos "Me + Marie". Die Südtirolerin Maria de Val und der Schweizer Roland Scandella legen mit "One eyed love" ein Album vor, in dem zwar größtenteils in Englisch gesungen wird - aber es gibt auch zwei Songs auf ladinisch und rätoromanisch. Im Corsogespräch reden sie über die Gründe dafür.

Maria de Val und Roland Scandella im Gespräch mit Anja Buchmann | 30.04.2016
    Maria Moling und Roland Vögtli vom Duo "Me + Marie" entspannen nach dem Besuch im DLF
    Maria Moling und Roland Vögtli vom Duo "Me + Marie" entspannen nach dem Besuch im DLF (Deutschlandradio / Adalbert Siniawski)
    Maria de Val: Das ist so wie die Entscheidung, mit welchem Instrument spielt man jetzt die Hauptmelodie, mit Saxofon oder Klarinette. Haben wir beides nicht auf dem Album, aber das ist so eine Soundfrage. Und wenn wir jetzt auf Englisch texten, dann holen wir uns meistens jemanden dazu, Muttersprachler. Ein Freund von uns ist auch Songwriter und der kommt dann zu uns in den Proberaum und dann machen wir Text-Sessions, mit Instrumenten, alles zusammen.
    Anja Buchmann: Was hat Sie dazu getrieben, großenteils englische Texte zu schreiben - oder mit Unterstützung zu schreiben - geht es auch um internationale Aufmerksamkeit, die dann natürlich leichter ist mit englischen Texten?
    Roland Scandella: Naja, wir haben beide immer - oder ich für meinen Teil habe auch immer romanische Musik gemacht. Ich fühle die Sprache einfach am besten. Und ich habe mir immer gesagt: Wenn ich noch mal eine neue Band mache, dann englisch. Dann möchte ich nicht diese sprachliche Barriere haben. Sondern einfach mal als ganz normale Band angeschaut werden und nicht...
    de Val: ...als Museumsstücke...
    Scandella: ...genau, als Museumsstücke. Das ist eigentlich jedes Mal ein Thema und wir versuchen dann auch...
    Buchmann: …möglichst schnell da wieder raus zu kommen?
    Scandella: Ja, was auch nicht so einfach ist. Aber das ist eigentlich auch egal, weil wir diese Sprache sprechen, ist es zum Teil auch unsere Aufgabe, die nach außen zu bringen. Das ist ja auch wieder was Schönes. Aber grundsätzlich haben wir gesagt, "Me + Marie" ist englisch, weil wir möchten nicht wieder …
    Buchmann: … festgenagelt werden, auf diese Museumsecke.
    de Val: Das ist das Gleiche, wenn jemand Musik macht mit Migrationshintergrund, und es geht um die Musik, aber dann muss er immer im Interview von dem Migrationshintergrund reden.
    "Das war so ein magischer Moment auf der Bühne"
    Buchmann: Also ich kann Sie beruhigen, das war der Part zu "ladinisch und rätoromanisch", jetzt geht es um andere Dinge. Zunächst mal ein kurzer Blick zurück: Wie haben Sie sich kennen gelernt? Ich hörte etwas von Radiomoderator oder Radioredakteur waren Sie…
    Scandella: Ja, Musikredakteur.
    Buchmann: Und Sie waren mit Ihrer Band da, Maria?
    Scandella: Ja, Maria singt bei "Ganes" und ich habe da meinen Job gemacht als Musikredakteur und auf einmal stand diese Band vor mir, ich habe das angehört und diese Musik hat mir gefallen, besonders Marias Stimme und habe die live gesehen und habe gerade Songs geschrieben für mein Soloalbum und habe sie gefragt, ob sie Bock hat, da mit zu machen. So haben wir uns kennen gelernt.
    de Val: Genau, dann habe ich als Backgroundsängerin bei seinem Soloprojekt mit gesungen. Wir haben dann irgendwann ein Konzert in Husum gespielt, da sind wir nur zu zweit aufgetreten. Und das war so ein magischer Moment auf der Bühne, wo wir beschlossen haben: lass uns gemeinsam Songs schreiben. Und das war eben ein Konzert vom Soloprojekt vom Roland, aber die Leute wollten das Album von uns zweien haben.
    Scandella: Mein Album wollten sie nicht...
    de Val: Deswegen haben wir so nebenbei einfach Songs zusammen geschrieben, wenn wir Zeit hatten. Und wenn wir genug Songs zusammen hatten, dann sind wir ins Studio gegangen.
    Buchmann: Jetzt kommen Sie doch aus ursprünglich relativ verschiedenen musikalischen Ecken: Sie sind sogar ausgebildete Jazz-Schlagzeugerin..?
    de Val: Halb ausgebildet
    Buchmann: Also Sie haben mal in diese Richtung studiert.
    de Val: Ich habe angefangen, Jazzschlagzeug zu studieren; ich wollte nicht Jazzschlagzeugerin werden, sondern... da wo ich herkomme, das ist ein ganz kleines Örtchen, und da gibt es nicht so viele Musiker, und ich dachte, wenn ich jetzt Jazzschlagzeug studiere, dann lerne ich sicher ganz viele Leute kennen, die mit mir dann eine Band machen wollen.
    "Vollgas schreien"
    Buchmann: Okay, das war der Ausgangspunkt. Aber zumindest kommen Sie aus unterschiedlichen musikalischen Ecken. Sie spielen unter anderem auch in einer etwas 'schwermetalligeren' oder rockigeren Band, sie in einer etwas klangverspielteren Band - wie haben Sie dann zusammen gefunden, haben Sie diese Gegensätze auch als Plus empfunden und damit dann gearbeitet?
    de Val: Beim Gesang war es so, dass Roland, dadurch dass er in dieser Rockband gespielt hat, da musste er immer sehr laut singen, eher schreiben, drei Stunden lang. Vollgas schreien. Ich fand das immer sehr schade, denn beim Reden hat er ja auch eine sehr warme Stimme. Das fand ich dann sehr schön, wenn er auch leiser gesungen hat, da hört man auch diese Stimmfarbe, die er eigentlich hat. Umgekehrt war es so, dass ich es sehr gewohnt war, bei Bands zu spielen, die eher leise spielen. Und das fand ich sehr inspirierend, zum Beispiel im Proberaum von der Rockband von Roland Songs zu schreiben. Wo da so riesige Amps und tausend Verzerrer und Pedale herum liegen.
    Buchmann: Da haben Sie sich dann erst mal etwas ausgetobt?
    de Val: … sich einfach mal vom Sound inspirieren zu lassen.
    Buchmann: Das heißt, dass das eine oder andere rockigere Stück gar nicht so sehr auf Ihrem Mist gewachsen ist, Roland, sondern auf dem Mist der Schlagzeugerin und eigentlich nicht so Rockmusikerin, Maria. Richtig?
    de Val: Ja, für mich war das sehr spannend, es war meistens so, dass Roland die leiseren Sachen geschrieben hat und ich die lauteren. Vielleicht, weil es gerade eine Herausforderung ist und etwas Neues für beide.
    Scandella: So ist es auch. Ich meine, ich mache seit ich zehn bin Musik, zuerst am Schlagzeug, nachher Gitarre, Gesang, weil niemand singen wollte. Ich wollte immer Songs schrieben, und das war immer Rockmusik. Für die akustische Gitarre da war ich quasi zu scheu, weil in der Rockmusik hat man diese großen Verstärker und alles ist so laut und da kann man sich hinter verstecken. Und es sind trotzdem schon ein paar Jahre vergangen und ich höre keine Rockmusik mehr. Es interessiert mich einfach nicht mehr, ich finde es eigentlich langweilig und persönlich spiele ich eigentlich lieber so ruhige Sounds. Ich mag es dann schon, mit "Me + Marie" haben wir eigentlich eine gute Symbiose gefunden.
    "Die Songs sind schon aufgebaut auf diesem 'Duo-Feeling'"
    Buchmann: Genau, da gibt es ja eigentlich alles. Einerseits ist es minimalistisch und auch karg, andererseits auch schroff und regelrecht opulent. Obwohl es nur zwei, bzw. drei Leute sind, plus noch Gastmusiker auf der CD. Also es hat richtig etwas Orchestrales an einigen Stellen auch. Hat sich das so entwickelt einfach im Tun oder hatten Sie vorher Ideen oder sogar ein Konzept: wie wollen wir klingen?
    de Val: Also wir schrieben die Songs zu zweit, meistens auf Schlagzeug und Gitarre. Und die Songs sind schon aufgebaut auf diesem 'Duo-Feeling'. Im Studio hat sich das schon entwickelt, weil wir einfach Gefallen daran gefunden haben, diese Songs mit anderen Bausteinen auszuarbeiten. Aber eben schon immer, dass dieses Duo-Feeling bleibt. Bei zwei Songs haben wir zum Beispiel einen Kirchenchor dabei oder einen Gastmusiker am Cello und an der Trompete.
    Buchmann: Stimmt, der Calexico-Musiker Martin Wenk ist auch dabei.
    de Val: Genau. Live ist es so, dass wir zu dritt sind - Roland an der Gitarre und Gesang und ich am Schlagzeug und Gesang und der dritte Musiker spielt dann ein bisschen alles, hauptsächlich Orgel und Gitarre.
    Buchmann: Und Bass vielleicht auch mal?
    de Val: Bass macht Roland eher mit der Gitarre oder ich mit einer tiefen, offen klingenden Bassdrum. Und die Orgel. So eine alte Orgel.
    Scandella: Das Gitarrensignal wird einfach gesplittet und da hat es einen "Oktaver" über einen zweiten Verstärker und so wird der Bass-Sound gemacht. Ich spiele Gitarre und Bass auf einmal. Was auch ein großer Teil von diesem "Me + Marie" Sound ist, schlussendlich. Es klingt nämlich ganz anders, wenn ich einen Bass spiele. Dann klingen wir wie ein Trio, langweilig. Und mit diesem Sound passiert was. Und sowieso, mit diesem alten Schlagzeug, was Maria spielt und wir spielen alles so altes Zeug. Das gibt dem ganzen viel Leben. So empfinden wir das auf jeden Fall.
    "Da braucht man brutal viel Energie"
    Buchmann: Und was dem ganzen natürlich auch ganz viel Leben gibt sind Ihre Stimmen. Ich habe gelesen, dass die Ihnen natürlich sehr wichtig sind, der Sound der Stimmen sehr im Fokus stand, dass Sie sogar zwischendurch die Aufnahmen mehr oder weniger unterbrochen haben und sich noch mal irgendwohin zurück gezogen haben, um den Gesang noch mal besser, prägnanter, wärmer hin zu bekommen. Erzählen Sie mal.
    Scandella: Im Studio ist es halt so - wir hatten zwei Monate Zeit und man gibt wirklich das letzte Tröpfchen Blut für so eine Aufnahme. Wir haben auch aufgenommen wie früher und alles live eingespielt. Da braucht man brutal viel Energie, also gewisse Songs brauchten 60 Takes bis sie da waren. Und uns ging es darum, den richtigen Take zu haben und dann hat man auf einmal nur noch zwei Wochen Zeit, um zu singen. Man ist völlig erschöpft von den eigentlichen Aufnahmen und dann kommt der Gesang und das ist die Krone. Da haben wir uns einfach gesagt: Wir haben es versucht, wir haben zwei Mal die ganzen Gesänge in Berlin aufgenommen. Bis wir auf den Punkt gekommen sind: Wir müssen das live einsingen, zusammen. Und nicht jeder für sich. Dann haben wir gesagt: Lass uns doch einfach im Sommer, irgendwo, Natur, ein Haus mit großen Fenstern - lass es uns doch da machen. Und das haben wir dann durch gezogen. Zum Glück.
    Buchmann: Und Sie haben dort nicht nur gesungen, sondern auch Wanderungen gemacht, Holz gehackt und irgendwelche körperlichen Ertüchtigungen, um einfach noch besser... Gartenarbeit...
    Scandella: Geheut haben wir auch. Gras geschnitten, so richtig mit der Sense. Weil Musik machen ist so intuitiv. Das ist so ein Gefühl und das muss einfach stimmen. Und wenn man nicht da ist gefühlsmäßig - und da ist Alex Sprave, der Produzent, extrem feinfühlig - wenn er nicht die letzten zehn Prozent hat von allem, dann ist er nicht zufrieden. Es ist zwar gut, aber es ist nicht alles und er versucht noch das Letzte aus einem raus zu bekommen. Dann ist es besser, man geht heuen. Oder man geht eine Runde wandern, trinkt ein Bier und kommt zurück und ist frisch und 'tack' und singt. Das war schon die Idee vom ganzen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.