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DVDs aus dem Schornstein

Recycling von Glas, Papier oder Metall ist mittlerweile selbstverständlich. Könnte man nicht auch das Treibhausgas Kohlendioxid recyceln, statt es einzulagern oder gar in die Atmosphäre zu blasen? Diese Frage diskutieren Chemiker derzeit bei der in New Orleans.

Von Arndt Reuning | 09.04.2008
    Begraben und vergessen - das ist das Motto vieler Wissenschaftler, die im Moment nach einer Lösung suchen für die steigenden Mengen an Kohlendioxid in der Atmosphäre. Sie wollen das Klimagas direkt im Kohlekraftwerk abfangen, verflüssigen und unter die Erde pumpen. Der Chemiker Toshiyasu Sakakura vom japanischen Nationalen Institut in Tsukuba hat eine andere Idee.

    " Weil wir eine nachhaltige Gesellschaft aufbauen wollen, suchen wir nach Wegen, wie wir uns Kohlendioxid zu Nutze machen können. Und jetzt haben wir ein Verfahren entwickelt, mit dem wir aus CO2 den Kunststoff Polycarbonat herstellen. "

    Polycarbonat ist ein durchsichtiger, sehr stabiler Kunststoff. DVDs und CDs bestehen aus Polycarbonat - und die Scheiben vor Autoscheinwerfern zum Beispiel. Der Name sagt es schon: Dieses Material ist ein Polymer, es besteht aus langen Kettenmolekülen aus vielen einzelnen Bausteinen. Und diese Bausteine ähneln chemisch gesehen dem Kohlendioxid. Es muss nur ein klein wenig umgebaut werden. Weil Kohlendioxid aber vom Charakter her eher träge ist und sich nicht gerne verändern lässt, musste Toshiyasu Sakakura einen Reaktionsbeschleuniger finden, einen sogenannten Katalysator. Der nimmt das Kohlendioxid quasi bei der Hand und führt es mit seinem Reaktionspartner zusammen.

    " Der Vorteil unseres Katalysators: Er ist ein Feststoff, er löst sich nicht in der Reaktionsmischung auf. Deshalb können wir ihn nach der Reaktion leicht wieder entfernen. Oder wir lassen die Reaktionsmischung einfach kontinuierlich über den festen Katalysator drüber strömen. "

    Kohlendioxid ist nicht nur sehr träge, es ist auch das Ergebnis einer Verbrennung. Und damit fehlt ihm etwas ganz entscheidendes, um eine neue Verbindung mit einem Partner einzugehen: Energie. Das heißt, nur solche Substanzen kommen für eine Reaktion in betracht, die selbst genug eigene Energie mitbringen. Der Chemiker Thomas Müller vom Katalysezentrum CAT an der RWTH Aachen setzt hier auf eine besondere Chemikalie, auf ein sogenanntes Epoxid.

    "Es ist sehr energiereich und damit auch sehr reaktiv. Also, das ist dann richtig spritzig und, ja, das Epoxid verbindet die CO2-Moleküle im Prinzip. Wir können uns das so vorstellen, dass wir Frauen und Männer haben, und die bilden jetzt immer abwechselnd eine Kette. Also dann würden wir über eine alternierende Polymerisation sprechen."

    Natürlich muss auch die Energie des Epoxids irgendwo her kommen. Und das ist im Moment noch die Krux am Kohlendioxid-Recycling: Die Energie stammt am Ende dann doch wieder aus Kohle, Öl oder Gas. Die verbrannt werden, um aus einfachen Grundstoffen das Epoxid zu erzeugen. Und die beim Verbrennen Kohlendioxid frei setzen.

    "Man kann sich langfristig dann vorstellen, dass man Licht zu Beispiel, also andere Energiequellen einsetzt, um dann CO2 zur Reaktion mit anderen Molekülen zu bringen, um dann den Aufbau von langen Ketten zu ermöglichen."

    Das wäre dann so eine Art von künstlicher Photosynthese. Denn auch Pflanzen benutzten Kohlendioxid, um ihre Kettenmoleküle herzustellen, aus denen sie zum Beispiel ihre Fasern aufbauen. Und weil Kohlendioxid sehr viel Sauerstoff enthält, ähneln sich künstliche und natürliche Polymere, die aus diesem Gas hergestellt werden, in ihrer Zusammensetzung.

    "Zum Beispiel Stärke, Zellulose - all die in der Natur verwendeten Materialien sind alle sauerstoffhaltige Polymere."

    Wollte man Kohlendioxid zu den "klassischen" Kunststoffen umbauen, zum Beispiel zu Polyethylen, dem Material aus dem die Tragetaschen bestehen, dann müsste man noch sehr viel mehr Energie in die Reaktion hinein stecken. Sollte sich diese Spielart des Recyclings durchsetzten, dann werden die ersten Produkte wohl DVDs sein und nicht Plastiktaschen. In ungefähr fünf Jahren könnte es soweit sein.