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E-Autos an Hochschulen
"Wir haben hier keine Steckdosen"

Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hat entschieden: Münster bekommt ein neues Batterieforschungszentrum. Das soll dem Hochschulstandort beim Thema E-Mobilität Aufschwung geben. Abseits von Theorie und Forschung fällt die praktische Förderung von E-Autos an Universitäten allerdings dürftig aus.

Von Kai Rüsberg | 04.07.2019
11.06.2019, Sachsen, Wilsdruff: Hinweisschilder für Parkplätze mit Ladestation für Elektroautos steht am ersten Schnellladepark an der Autobahn-Raststätte "Dresdner Tor". Bis Ende 2020 will der Ladestationenbetreiber Ionity 400 Ladestationen für Elektroautos entlang von Autobahnen in 23 Ländern in Europa aufbauen. Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/ZB | Verwendung weltweit
Theorie und Praxis: An deutschen Unis wird viel geforscht zum Zukunftsthema Elektromobilität – Ladeinfrastruktur ist aber kaum vorhanden. (picture alliance / dpa / Robert Michael)
Erster Halt mit dem Elektroauto: Dortmund. Die technische Universität und die Fachhochschule haben zusammen fast 50.000 Studierende. Im Osten des Campuses leuchten die gewaltigen Solarpanele an den Wänden des Kraftwerks. Rundherum sind Tausende Parkplätze. Doch keine Ladesäule in Sicht. Ich suche Hilfe bei Studenten:
"Ich bin erstmal hier hin gefahren, weil ich dachte: Riesen-Parkplätze, stehen mehrere Tausend Autos?"
"Ne, hier befindet sich keine."
"Macht doch Sinn hier?"
"Macht Sinn, wäre logisch."
"Deutschland liegt da ganz weit hinten momentan"
In der Fakultät Raumplanung gibt es gleich zwei Lehrstühle, die sich mit Verkehrsplanung und Alltagsmobilität beschäftigen. Die Elektrotechniker entwickeln intelligente Energieversorgung, bei den Wirtschaftswissenschaften forschen die Techniksoziologen zur Mobilität der Zukunft – aber: auf dem ganzen Campus nur eine einzige Ladesäule für E-Autos. Die eine Steckdose ist belegt, vor der anderen steht ein Benziner:
"Sie parken ja hier. Sie wissen wo sie parken?"
"Ich weiß: Elektrofahrzeug, ich musste leider schnell kopieren, deswegen… Das ist ja ne megagroße Uni hier, die müssten ja schon mehr hier anbringen."
"Vor allem, weil die Uni selbst an dem Thema forscht."
"Ja, aber Deutschland liegt da ganz weit hinten momentan."
"Wüsste nicht, wo hier E-Ladestationen sind"
Nächster Versuch: Das Technologiezentrum ist nicht weit. Gerade hier muss es doch Strom für die Spitze der technologischen Forschung geben:
"Wüssten Sie, wo ich für mein Elektroauto eine Ladesäule hier finde? Technologiezentrum, dachte ich, da muss es was geben?"
"Nicht, dass ich wüsste, also nicht Bekanntes hier in der Nähe. Die großen Parkplätze an der Uni, vielleicht sind da welche?"
"Ich war da, nichts gesehen."
"Auf jeden Fall eine gute Frage, wüsste ich jetzt nicht, wo hier E-Ladestationen sind."
Weiter geht es im Elektroauto nach Bochum. Zum Glück ist die Batterie noch zu 75 Prozent gefüllt. An der Hochschule Bochum gibt es den ersten Lehrstuhl für Elektromobilität und heute wird ein Auto vorgestellt, das sich selbst auflädt: ein Solarcar. An der Einfahrt steht ein Student und weist die Parkplätze zu:
"Können Sie mir sagen, wo ich Strom für das Auto kriege?"
"Das weiß ich tatsächlich nicht. Wir haben hier keine Steckdosen…"
Auf dem Campus steht heute eine große Bühne, hunderte Gäste, der Rektor lobt die Innovationskraft der Forschung:
"Deshalb ist dieses Projekt so wegweisend, weil hier entstehen tatsächlich spannende neue Arbeitsgebiete..."
Ein Widerspruch in sich
Doch auch Rektor Jürgen Bock kann mir momentan keinen Autostrom anbieten:
"Wir haben vier Elektrosäulen: zwei stehen im Eingangsbereich, die sind aber, weil ich das weiß, weil ich da gerade auch tanke, belegt. Wir haben hier vorne auch noch zwei Tanksäulen, die musste man leider abklemmen. Weil es im Moment noch Versorgungsprobleme gibt. Aber ansonsten haben wir vier Säulen hier an der Hochschule."
Belegte E-Ladesäulen an der Hochschule Bochum
Belegte Ladesäulen an der Hochschule Bochum (Deutschlandradio / Kai Rüsberg)
Ok. Vier Säulen, aber zwei abgeschaltet und zwei dauerbelegt. Und der Rektor sieht ein, dass dies kein gutes Bild für den Forschungsstandort abgibt:
"Das ist paradox und deshalb ist das ein Forschungsthema, mit dem wir uns beschäftigen im Bereich angewandter Forschung. Wir haben eine Stiftungsprofessur und die beschäftigt sich mit dem Thema Ladeinfrastruktur und wir hoffen, dass wir einen kleinen Beitrag leisten können. Aber sie haben vollkommen recht: Wenn man auf der einen Seite Elektrofahrzeuge propagiert, aber nicht die Ladeinfrastruktur hat, dann ist das ein Widerspruch in sich."
An der benachbarten, viel größeren Ruhr-Universität Bochum steht eine Ladesäule, die in öffentlichen Verzeichnissen eingetragen ist. Aber: sie ist dauerhaft stillgelegt. Die zusätzlichen drei Ladeplätze der Verwaltung sind für eigene Elektroautos reserviert. Kein Strom für mehr als 60.000 Studierende, Mitarbeiter und Besucher, die sich hier täglich stundenlang aufhalten. Axel Schäfer, langjähriger Bundestagsabgeordneter der SPD, wundert sich:
"Ja, das war für mich überraschend. Wir haben mehrere Projekte in Bochum, wo auch mit Bundesmitteln genau diese Ladestationen gefördert werden. Da muss sich etwas ändern."
"Als Hochschule mit gutem Beispiel vorangehen"
Nächster Stopp: Recklinghausen. Die Fahrt zum Campus der westfälischen Hochschule ist aber vergeblich. Dort gibt es zwar den Lehrstuhl für Grundlagen der Automobilwirtschaft – doch keinen Autostrom. Auf dem Campus in Gelsenkirchen hingegen sind Steckdosen installiert – aber wieder nur für die Dienstfahrzeuge.
Auf der Weiterfahrt Richtung Essen nähert sich die Ladeanzeige im Auto der 50-Prozent-Marke. Und hier habe ich Glück: es gibt hier 2 Säulen mit 4 Ladepunkten. Endlich Strom. Insgesamt ist das Laden an den Hotspots der Forschung zur Zukunftsmobilität eher ein Wagnis, bestätigt der Rektor der Hochschule Bochum, Jürgen Bock:
"Ich glaube, dass an der Stelle wirklich noch enorm viel Luft nach oben ist und dass die Konzepte, die es gibt, auch noch nicht so richtig miteinander abgestimmt sind. Gerade wir als Hochschule müssen mit gutem Beispiel vorangehen."