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E-Bike-Rennen
Rad- und Motorsport streiten um Hoheit

Im klassischen Radsport sind Elektromotoren als E-Doping verboten. Die E-Bike-Szene aber entwickelt sich. Es gibt erste Wettkämpfe – und einen bizarren Verbandsstreit.

Von Tom Mustroph | 21.04.2019
Rennen beim E-Bike-Festival in Dortmund
Rennen beim E-Bike-Festival in Dortmund (imago images / Cord)
E-Bikes sind im Kommen. Auf den Straßen sowieso. Aber auch im Sport werden die Pedelecs mit ihren maximal 250 Watt Zusatzleistung auf den Pedalen immer relevanter. Sportlich bedeuten 250 Watt eine ganze Menge. Tour de France-Fahrer müssen um die 450 Watt aufbringen, um bei Bergetappen ganz vorn zu sein.
Freizeitfahrer kommen also gefühlt in diese Liga. Knapp eine Million E-Bikes wurden im letzten Jahr allein in Deutschland verkauft. Das Potential ist groß. So groß, dass der Weltradsportverband UCI und der Weltmotorradsportverband FIM aneinander gerieten.
Der Rad-Verband hat für den August 2019 die "UCI E-Mountain Bike World Championships" angekündigt. Der Motorradsportverband - er ist für motorisierte Zweiräder das, was der Automobilverband FIA für vierrädrige Rennmaschinen mit Motor ist - plant für den Juni den FIM E-XBike World Cup.
Die einen rüsten auf, bauen Motoren in Räder ein. Die anderen rüsten um, vom Verbrennungsmotor auf elektrischen Antrieb. Eine neue Schnittmenge entsteht - und genau um die buhlen die Weltverbände mit ihren WM-Formaten.
"Die erste Meisterschaft ist im Rahmen der E1 Mountainbike-Serie über die Bühne gegangen", erzählt Hubert Stanka, Vorsitzender der Offroad Association International. Sie hat die Deutsche Meisterschaft 2018 organisiert und richtet auch die Deutsche Meisterschaft in diesem Juli aus.
Autonomer Event in Deutschland
Stanka sagt: "Es wird nicht nur reines Mountainbike/Enduro sein, sondern es werden verschiedene Disziplinen eingebaut. Das ist ja auch die Stärke der E-Bikes. Es gibt zum Beispiel Cross Country, Uphill und Beschleunigungstests."
Stanka erwartet jetzt mehr als 100 Teilnehmer, anstelle der 60 im letzten Jahr. Und es wird ein komplett autonomer E-Bike-Event. "Das ist ausschließlich für E-Bikes, da ist nichts für normale Mountainbikes dabei. Das ist jetzt getrennt, denn das war auch eine der Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr. Das beißt sich einfach. Das sind verschiedene Anforderungen", sagt Stanka.
Dass sich das beißt, Menschen auf Rädern mit Motoren und Menschen, die Räder nur mit Beinkraft antreiben, hat auch der Tour de France-Ausrichter ASO schon bemerkt, erzählt Vivien Hocquet, Verantwortlicher der ASO für Jedermann-Events: "Es gibt manchmal Leute, die es selbst beim Radtourismus nicht besonders gern sehen, wenn jemand an ihnen fast ohne Kraftanstrengung vorbeifährt."
Bei der Roubaix Challenge nahmen kürzlich einen Tag vor den Profis etwa 7.000 Amateure die historischen Pflastersteine unter die Räder. Bei der Etape du Tour fahren 15.000 Teilnehmer eine Tour de France-Etappe ab. Hocquet organisiert auch die Roc d’Azur, eine Art Woodstock der Mountainbikeszene. Er sagt:
"Der Roc d’Azur ist ein Event, der im Oktober in Frejus 20.000 Teilnehmer versammelt. Es gibt ihn seit 1984, mit 35 verschiedenen Disziplinen auf allen Niveaus, für Amateure wie Profis, das ist ein Mix."
E-Bike-Anmeldungen gehen schnell weg
2018 gab es dort erstmals ein eigenes Event für E-Biker. Die 200 Anmeldungen gingen schnell weg. Für dieses Jahr hat die ASO das Kontingent auf 600 erhöht.
"Dieses besondere Feld der E-Bikes fährt auf dem gleichen Parcours wie die anderen, es sind 51 km. Sie passieren dieselbe Strecke. Aber wir lassen sie vor den traditionellen Rädern starten, um die möglichen Störungen auf ein Minimum zu reduzieren", sagt Hocquet.
Sogar auf den Straßen des Giro d'Italia sind E-Bikes schon unterwegs. Giro-Veranstalter RCS rief im letzten Jahr den Giro E ins Leben. Er findet auch in diesem Mai statt. Mannschaften aus jeweils sechs Teilnehmern gehen auf die Strecke. Die Etappen sind kürzer als die der Profis, etwa 120 km lang.
Anderthalb Stunden vor den Profis passieren die E-Bike-Teilnehmer den Zielstrich, sagt RCS-Manager Paolo Bellino: "Das ist kein Wettkampf, sondern eine Form von Radtourismus, eine Möglichkeit, den Giro d'Italia zu genießen und auch E-Bike-Projekte zu unterstützen. Denn das ist die Zukunft der Mobilität."
Internationale Verbände brauchen noch eine Einigung
Die E-Bike-Szenerie ist also heterogen. Es gibt bereits Wettkämpfe im E-Mountainbike. Dazu kommt E-Bike-Tourismus auf der Straße und im Gelände, angedockt an Events der großen Veranstalter im Straßenradsport.
Das Potential ist groß, meint ASO-Manager Houcquet: "Sicher ist, dass die Entwicklung der E-Bikes zum Nachdenken über neue Formate in der Zukunft führen wird."
Damit es zu den neuen Formaten kommt, müssten allerdings der Radsport-Weltverband UCI und der Weltmotorsportverband FIM ihr Kriegsbeil begraben. Anbieten würde sich eine pragmatische Lösung wie hier in Deutschland. Dort fanden der Bund Deutscher Radfahrer und der Deutsche Motor Sport Bund einen Kompromiss, erklärt Hubert Stanka, der Organisator der deutschen E-Bike-Meisterschaft
"BDR und DMSB haben sich ja scheinbar geeinigt auf nationaler Ebene. Da will, wenn ich das richtig verstanden habe, der BDR die klassischen Pedelecs, also bis 25 km/h, unter sich haben und der DMSB alles mit E-Motor, was darüber hinausgeht."
Der BDR bestätigte dem Deutschlandfunk diese Regelung. Nun liegt es an den internationen Verbänden, sich zu einigen. Sie sollten dies auch deshalb tun, weil das EU-Kartellrecht Sanktionen gegen Sportler, die sich an Wettbewerben anderer Verbände beteiligen, ausschließt. Der Eislauf-Verband ISU bekam deswegen schon einmal eine Rüge. Der neu entstehende Zweiradsport mit E-Motoren könnte auch rechtlich die ganze Rad- und Motorsportszene aufmischen.