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E-Scooter
"Kein Spielzeug auf Gehwegen"

E-Scooter seien als Verkehrsmittel gedacht, sagte der CDU-Politiker Christoph Ploß im Dlf. Ihre Einführung halte er für richtig. Ein neues Mobilitätskonzept werde aber immer auch Umstellungen nach sich ziehen. Die Kommunen und Bundesländer seien in der Pflicht, die Regeln zu kontrollieren.

Christoph Ploß im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 06.08.2019
Ein Paar fährt zu zweit fährt mit einem E-Scooter auf der Strasse durch Berlin.
Ein Paar fährt zu zweit fährt mit einem E Scooter auf der Strasse durch Berlin (imago/ R Price)
Zu schnell gegangen sei die Einführung der E-Scooter auf keinen Fall, sagte Ploß, Mitglied des Verkehrsausschusses im Bundestag. Man habe sich in Deutschland sehr viel Zeit dafür genommen, habe sie als letztes Land in der EU eingeführt
Man wollte ein möglichst gutes Mittelmaß zwischen einer unbürokratischer Lösung und dieser neuen Form der Mobilität finden, sagt er. In vielen Gesprächen mit den Bundesländern sei dies abgestimmt worden.
Gedacht seien die E-Scooter als Verkehrsmittel. Deshalb teile er die Kritik, dass in einigen Städten noch nicht genügend kontrolliert werde, so Ploß. E-Scooter seien kein Spielzeug auf Gehwegen, sage die Verordnung. Für die Umsetzung und die Kontrollen seien aber die Kommunen und Bundesländer zuständig.
Der CDU-Politiker Christoph Johannes Ploß
Der CDU-Politiker Christoph Johannes Ploß ist seit 2017 Mitglied des Bundestages. (dpa / picture alliance / Christian Charisius)

Das komplette Interview zum Nachlesen:
Tobias Armbrüster: Am Telefon ist Christoph Ploß von der CDU, er sitzt für seine Partei im Verkehrsausschuss des Bundestags und er ist Berichterstatter der Fraktion in Sachen E-Mobilität. Schönen guten Morgen, Herr Ploß!
Christoph Ploß: Einen schönen guten Morgen!
Armbrüster: Herr Ploß, ist das alles etwas zu schnell gegangen mit den E-Scootern?
Ploß: Zu schnell gegangen ist das auf keinen Fall, denn Deutschland ist ja das Land in der Europäischen Union gewesen, das die E-Scooter als letztes eingeführt hat. Viele Länder waren da schon deutlich weiter, haben die einige Jahre vorher eingeführt. Und wir haben uns hier in Deutschland sehr viel Zeit dafür genommen, aus Sicht einiger sogar zu viel Zeit. Aber uns war wichtig, dass wir ein gutes Mittelmaß finden einerseits zwischen einer möglichst unbürokratischen Lösung und andererseits natürlich auch dieser neuen Form der Mobilität.
Armbrüster: Aber das alles sorgt jetzt für eine Menge Ärger, wir haben es gehört, viele E-Scooter, wahllos abgestellt, sorgen für ein völlig neues Stadtbild in vielen Großstädten, außerdem natürlich jede Menge Unfälle. Da bleibt die Frage: Hätte man das nicht etwas besser vorbereiten können?
Ploß: Also diese Lösung, die wir gefunden haben, die ist zusammen mit den Bundesländern wirklich in vielen Gesprächen abgestimmt worden, mit grünen Bundesländern, mit roten Bundesländern, auch mit schwarzen Bundesländern, und deswegen kann ich die Kritik nicht teilen. Was aber vorher auch klar war: Wenn ein neues Verkehrsmittel auf die Straßen oder auf die Radwege kommt, dann wird das natürlich immer auch eine Umstellung nach sich ziehen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht neue Formen der Mobilität auch auf Deutschlands Straßen und Deutschlands Radwegen einführen sollten, denn da ist ganz viel im Wandel. Und die Nutzer haben auch unterschiedliche Ansprüche heutzutage. Zum Beispiel möchten viele für die ersten zwei Kilometer einen E-Scooter nehmen, dann auf die U-Bahn wechseln und dann auf der letzten Meile wieder den E-Scooter nehmen. Da ist ganz viel im Wandel. Und dem sollte auch die Politik Rechnung tragen.
Armbrüster: Und, Herr Ploß, wir sollten das nicht unterschlagen: Viele Nutzer benutzen diese E-Scooter nicht unbedingt als Verkehrsmittel, sondern als Spielzeug.
"Die Kontrollen verschärfen"
Ploß: Gedacht sind sie natürlich als Verkehrsmittel und deswegen teile ich auch die Kritik, dass in einigen Städten noch zu wenig kontrolliert wird. Wir müssen aus meiner Sicht die Kontrollen deswegen verschärfen: Wo sich E-Scooter-Nutzer nicht an die Regeln halten, da müssen sie viel schärfer sanktioniert werden. Und auch, wenn die E-Scooter nicht richtig abgestellt werden, muss das stärker verfolgt werden. Diese Kritik teile ich. Aber ich glaube, da kann man gute Ansätze finden. Und wenn man da mit Ordnungsdiensten hinterher ist, dann wird man da auch eine Lösung finden.
Armbrüster: Aber dass man diese ganzen Regelungen jetzt erst hinterher einführen will, dass man das erst hinterher sieht, das macht jetzt, schätze ich mal, viele Leute stutzig, weil wenn man sich das einfach mal ansieht, da ist ein neues Verkehrsmittel, kleine Geräte, elektrisch betrieben, leicht zu bedienen, da ist doch eigentlich klar, dass diese Geräte für eine Menge Chaos sorgen werden, weil es einfach so viele Nutzer geben wird, die diese Dinge einfach wahllos gebrauchen.
Ploß: Also wir hatten in vielen Gesprächen mit den Bundesländern deswegen gesagt, dass die E-Scooter nicht auf den Gehwegen fahren dürfen. Das steht ja so in der Verordnung drin. Und das muss aber vor Ort von den Kommunen und von den Bundesländern auch umgesetzt werden. Das heißt, für die Kontrollen sind ja die Städte und Bundesländer dann zuständig. Und hier erwarte ich, dass dann auch die Kontrollen stattfinden. Die Verordnung sagt ganz klar, kein Spielzeug auf Gehwegen oder durch Fußgängerzonen rasen. Und das muss man umsetzen. Allerdings halte ich es schon für auch sinnvoll, dass einige E-Scooter auf Radwegen unterwegs sind, da können sie sich auch sehr sinnvoll in den Radverkehr einfügen. Und es gibt auch viele, die deswegen das Auto stehenlassen, auch das darf man nicht vergessen. Und wir wollen ja gerade verkehrspolitisch Rahmenbedingungen schaffen, dass die Menschen vom Auto auch auf andere Verkehrsmittel umsteigen.
Armbrüster: Herr Ploß, weil Sie jetzt so viel von Verkehrskontrollen sprechen, ich will mal ganz kurz zitieren aus dem Polizeibericht der Polizei von Köln vom vergangenen Wochenende, das heißt es wörtlich drin: "Am Wochenende haben sich in Köln vier E-Scooter-Fahrer beim Stürzen zum Teil schwere Verletzungen zugezogen. Ein 24-Jähriger brach sich beim Aufprall auf den Asphalt den Kiefer. Ein 29-jähriger Tourist stürzte mit rund 1,4 Promille. Bei acht von 16 Alkoholfahrten ohne Verkehrsunfall zeigten die Vortests mehr als 1,1 Promille an. Selbst ein 15-Jähriger war am späten Sonntagabend mit rund 1,3 Promille auf einem E-Scooter unterwegs." Wenn Sie jetzt von Verkehrskontrollen sprechen, heißt das, da kommt auf die Polizei jetzt die Aufgabe zu, sich zusätzlich um diese ganzen Verkehrsdelikte zu kümmern?
Ploß: Also es gibt ja auch Kontrollen der Polizei für Autofahrer, auch teilweise für Radfahrer. Und natürlich muss es die dann auch für E-Scooter-Nutzer geben, das ist völlig klar. Allerdings kann das ja auch zusammen passieren. Deswegen sehe ich das jetzt gar nicht als das entscheidende Problem. Es gibt aus meiner Sicht zwei größere Probleme, die wir lösen müssen. Das eine ist, dass die E-Scooter nicht korrekt abgestellt werden. Da gibt es aus meiner Sicht einen guten Lösungsvorschlag, das haben wir auch am Anfang gehört, von einigen Anbietern, dass man zum Beispiel ein Foto machen muss, dass man den E-Scooter richtig abgestellt hat. Und erst dann der Vorgang abgeschlossen ist beim Verleiher. Dadurch entsteht dann natürlich der Druck, das wirklich auch korrekt zu machen und die nicht irgendwo in die Gegend abzustellen. Und das andere Problem ist tatsächlich, dass sich die Nutzer nicht an die Regeln halten. Und das wird nur über schärfere Kontrollen zu regeln sein.
Armbrüster: Kann man das denn einfach den Verleihfirmen jetzt überlassen, diese Regelungen zu formulieren?
Ploß: Ich bin sehr offen dafür, dass wir die politischen Rahmenbedingungen anpassen und zum Beispiel es gegenüber den Anbietern verpflichtend machen, dass man ein Foto an die Anbieter schicken muss, wenn man den E-Scooter dann nicht mehr benutzt und den dann abstellt. Weil bei den Anbietern, die das jetzt ja schon freiwillig durchführen, sieht man, da werden die E-Scooter dann in der Regel auch korrekt abgestellt. Und man hat nicht die Situation, dass viele E-Scooter einfach irgendwo wahllos in der Gegend herumstehen, was ja viele Bürger auch zu Recht aufregt.
Armbrüster: Was ist denn mit den anderen gesetzlichen Bestimmungen, Helmpflicht zum Beispiel? Ich meine, ich habe es aus dem Polizeibericht von Köln zitiert. Wäre da nicht darüber nachzudenken, dass man die E-Scooter-Fahrer besser schützt, indem man ihnen zum Beispiel sagt, ihr müsst einen Helm tragen? Sagt man vielen Fahrradfahrern ja auch. Und die fahren mit deutlich weniger als 20 km/h.
Ploß: Ja, wie beim Radverkehr gilt genau für E-Scooter, dass ein Helm natürlich sehr sinnvoll wäre. Allerdings halte ich auch nichts davon, dass wir jetzt in Deutschland wirklich jede Kleinigkeit bis ins allerletzte Detail regeln. Das ist auch eine Eigenverantwortung dann eines jeden Einzelnen, diese Entscheidung zu fällen. Ich kann nur appellieren, möglichst den Helm zu tragen, das ist für die eigene Gesundheit am besten. Aber man muss nicht alles bis ins letzte Detail regulieren.
Armbrüster: Auch wenn dabei möglicherweise Menschenleben in Gefahr sind?
Ploß: Ja, jeder ist ja auch in gewisser Weise für sich selbst verantwortlich. Also natürlich gefährdet man sich immer in gewisser Weise auch in anderen Situationen. Aber wir haben ja mündige Bürger auch in unserem Land und ich glaube, wir brauchen nicht eine Politik, die von morgens bis abends das gesamte Leben der Menschen reguliert.
Armbrüster: Herr Ploß, wir haben jetzt seit einigen Tagen diese Debatte, seit einigen Wochen, im Grunde, seitdem es losgegangen ist. Da gab es ja schon kurze Zeit, nachdem die E-Scooter auf den Straßen waren, die erste Kritik daran. Wir haben es hier jetzt in den letzten Minuten besprochen, die ersten Unfälle, die ersten Fälle von E-Scootern, die einfach wahllos abgestellt werden und dann auch den Straßenverkehr behindern. Haben Sie diese Debatte vorausgesehen, als die Dinger eingeführt wurden im Juni?
"Mit einem neuen Verkehrsmittel gibt es immer irgendwo Diskussionen"
Ploß: Also, mir war völlig klar: Mit einem neuen Verkehrsmittel gibt es immer irgendwo Diskussionen. Das ist in Deutschland so. Wenn Sie irgendetwas Neues, Innovatives einführen, gibt es irgendwo Widerstand. Ich verstehe Politik aber nicht so, dass man jetzt sagt, okay, es kann irgendwo Diskussionen geben und Widerstand geben und deswegen können wir überhaupt keine neuen innovativen Konzepte mehr etablieren. Und deswegen sage ich auch, wir müssen gucken, dass wir die Kinderkrankheiten, die es jetzt auch am Anfang gibt, ausmerzen, dass wir die Verbesserungen herbeiführen, gerade mit Blick auf falsch abgestellte E-Scooter, und an teilweise E-Scooter-Nutzer, die sich nicht an die Regeln halten. Ich würde jetzt aber wirklich nicht den Bogen so weit überspannen, dass man sagt, jetzt werden die E-Scooter wieder abgeschafft und dürfen nicht benutzt werden. In vielen Ländern der Welt sind sie Teil des Verkehrs und erfreuen sich großer Beliebtheit und sorgen auch dafür, dass viele Menschen nicht das Auto benutzen, sondern dann wirklich umweltfreundlichere Verkehrsmittel.
Armbrüster: Und diese Kinderkrankheiten, wie Sie sie beschreiben, die waren nicht absehbar?
Ploß: Natürlich war es absehbar, dass irgendwo es Kritik gibt oder es vielleicht zu Situationen kommt, die schwierig sind. Und natürlich war auch klar, wenn Sie ein neues Verkehrsmittel einführen, gibt es mit diesem Verkehrsmittel irgendwo einen Unfall. Das haben Sie ja bei Autos, bei Radfahrern, bei jedem Verkehrsmittel, das im Straßenverkehr da ist. Aber noch mal: Deswegen muss man gucken, wo kann man jetzt punktuelle Verbesserungen herbeiführen, aber ich würde diese Elektrokleinstfahrzeuge beziehungsweise E-Scooter nicht infrage stellen, weil ich glaube, langfristig werden sie ein wichtiger Teil in der Mobilität sein. Und wir brauchen sie, um auch Menschen dazu zu bewegen, auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umzusteigen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.