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E-Skin
"Elektronik, die sich ähnlich verhält wie Frischhaltefolie"

Die Laufgeschwindigkeit, der Puls oder der Kalorienverbrauch lassen sich beim Joggen mit sogenannten Fitnessarmbändern kontrollieren. Doch es geht noch kleiner und leichter, um die Körperfunktionen zu überwachen. Japanische und österreichische Wissenschaftler haben eine extrem dünne Folie entwickelt, bestückt mit allerhand Elektronik.

Von Jochen Steiner | 18.04.2016
    Frischhaltefolie kann, wie der Name schon sagt, Lebensmittel vor Bakterien und Keimen schützen und sie so im Kühlschrank länger frisch und appetitlich halten. Die Folie, die Martin Kaltenbrunner mit seinen japanischen Kollegen entwickelt hat, sieht auf den ersten Blick aus wie Frischhaltefolie, sie ist aber für ganz andere Zwecke vorgesehen.
    "Wenn Sie jetzt ein Blatt Papier nehmen, das ist zwar flexibel und biegbar, aber das schmiegt sich nicht wirklich an eine Oberfläche wie Ihre Hand. Wenn Sie dann aber eine Frischhaltefolie nehmen, die ist schon wesentlich dünner und wesentlich anschmiegsamer. Und unser Ziel ist jetzt quasi, dass wir Elektronik machen, die sich ähnlich verhält wie Frischhaltefolie. Das heißt, sie soll wirklich extrem dünn, sehr flexibel und auch sehr leicht sein."
    Der Physiker von der Universität Linz hat zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Tokio bereits hauchdünne Solarzellen auf solche Folien aufgebracht oder hauchdünne Touchpad-Folien entwickelt. Die neuste Entwicklung ist eine extrem dünne Folie, die mithilfe von organischen Leuchtdioden, kurz OLEDs, und Fotorezeptoren den Sauerstoffgehalt des Blutes sowie den Puls misst. Momentan ist dafür noch eine externe Stromversorgung nötig. Die Folie wird zum Beispiel auf die Hand geklebt und kann die Messergebnisse farblich darstellen.
    "Die OLEDs sind im Prinzip eine Lage aus einer transparenten Elektrode, weil da muss ja natürlich zum einen Strom hin und zum anderen Licht hinaus. Dann kommt eine Lage von einem Emitter-Polymer, das heißt, es gibt spezielle Polymere, die können in verschiedensten Farben emittieren, wir haben jetzt rote, grüne und blaue LEDs genommen. Und dann oben drauf kommt noch eine Elektrode, die ist dann nicht mehr transparent. Und das ist im Prinzip vereinfacht gesagt ein dreilagiges System, das insgesamt so knapp unter 100 Nanometer dick ist."
    Und damit drei Mal dünner als Frischhaltefolie. Martin Kaltenbrunner und sein Team haben erstmals eine elektronische Haut gebaut, die nicht nur extrem dünn und anschmiegsam ist, sondern auch langlebig – mehrere Wochen lang kann sie den Sauerstoffgehalt im Blut sowie den Puls messen.
    Dazu senden grüne und rote LEDs Licht in die Haut, das vom Blut teilweise absorbiert wird. Ein Teil des Lichts wird aber reflektiert und vom Fotorezeptor in der Folie registriert. Aus diesen Werten kann ein Chip, der noch nicht in der Folie verbaut ist, den Sauerstoffgehalt des Blutes sowie den Puls berechnen.
    "Das einzige, was bei dieser Demonstration noch fehlt, ist quasi die Umrechnung, das heißt die Messdaten müssen dann natürlich umgerechnet werden in einen digitalen Wert. Und das wird jetzt noch extern gemacht, also das Ziel wäre es dann, einen kleinen Chip zu integrieren, und das dann alles auf einer Plattform zu machen und nicht den Umweg über ein externes Gerät zu gehen."
    Die Messwerte können dann farblich durch die LEDs auf der Folie dargestellt werden, in der Publikation der Forscher sind mehrere Fotos davon zu sehen. Martin Kaltenbrunner und seine Kollegen denken nun zum einen darüber nach, weitere Sensoren in ihre Folie zu integrieren, um noch mehr Körperwerte messen zu können.
    "Zum anderen möchten wir natürlich diese Folien auch 'wireless', also kabellos betreiben. Das heißt, wir müssen uns jetzt Gedanken darüber machen, wie wir die Kommunikation mit dem Umfeld und die Energieversorgung noch besser bewerkstelligen. Wir haben da schon Konzepte, aber das ist in diesem Paper jetzt noch nicht gezeigt worden."
    So könnte in ein paar Jahren eine extrem dünne Folie auf den Markt kommen, die wichtige Körperwerte misst und die Ergebnisse dem Träger farblich präsentiert, und das alles ganz ohne Kabel. Die Kosten wären vergleichsweise gering, so Martin Kaltenbrunner, weil alle Bestandteile ausgedruckt werden könnten.