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E-Zigaretten
Reduziertes Risiko für Raucher

Mit Glimmstengeln haben E-Zigaretten nichts zu tun. Sie verbrennen keinen Tabak, sondern verdampfen Flüssigkeiten, die wahlweise Nikotin enthalten oder nicht. Da dabei weniger krebserregende Substanzen entstehen, raten Experten in Großbritannien Rauchern schon länger umzusteigen. Neue Studien geben ihnen Recht.

Von Volker Mrasek | 30.11.2020
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Verdampfer setzen weniger Schadstoffe frei als die Verbrennung von Tabak (imago)
Vor vier Jahren erschien schon einmal ein Cochrane-Gutachten über E-Zigaretten als Mittel zur Raucherentwöhnung. Damals lagen nur 15 Studien zum Thema vor. Heute seien es bereits 50, sagt Jamie Hartmann-Boyce. Die Gesundheitwissenschaftlerin ist Mitglied der Cochrane-Forschungsgruppe über Tabaksucht an der Universität Oxford in England, die jetzt eine neue Publikation zur Raucherentwöhnung mit E-Zigaretten veröffentlicht hat.
"Es gibt inzwischen mehr Forschung auf diesem Gebiet. Und auch einige zusätzliche Studien, die als die verlässlichsten gelten. Man nennt sie randomisierte Kontrollstudien. Und wir haben jetzt stärkere Belege dafür, dass E-Zigaretten dabei helfen können, das Rauchen aufzugeben."
Zehn Prozent der Raucher verzichten dank E-Zigaretten auf Tabak
Die meisten der analysierten Studien stammen aus den USA, aus Großbritannien und Italien, keine einzige aus Deutschland. Die Cochrane-Gutachterinnen und Gutachter leiten daraus ab: Wenn Tabakraucher Nikotin-Pflaster oder -Kaugummis nutzen, um das Qualmen aufzugeben, also die üblichen Mittel zur Entwöhnung, dann führt das nur in sechs von hundert Fällen zum Erfolg. Entscheiden sie sich dagegen für E-Zigaretten mit Nikotin, dann schaffen es zehn von hundert Raucherinnen oder Rauchern, keinen Tabak mehr anzurühren, sagt Jamie Hartmann-Boyce.
"Das mag erst einmal nach keiner besonders hohen Zahl klingen. In einer perfekten Welt würde jeder, der es will, einfach mit dem Rauchen aufhören. Aber in der Realität ist das äußerst schwierig. Deshalb macht es schon einen Unterschied, wenn zehn von hundert Rauchern aufhören und nicht nur sechs. Denn das ist das Beste, was sie für ihre Gesundheit tun können."
Offenbar kommt es auf das Nikotin an. Denn E-Zigaretten, die es nicht freisetzen, schneiden kaum besser ab als Nikotinpflaster und -kaugummis.
Ob langfristige Nebenwirkungen drohen, ist noch unklar
In den Studien seien bisher keine bedenklichen Nebenwirkungen durch das Dampfen von E-Zigaretten aufgefallen, sagt Nancy Rigotti. Die US-Medizinerin leitet ein Tabakforschungszentrum in Boston:
"Die E-Zigaretten wurden gut vertragen, ernste Gesundheitsschäden traten nicht auf – was man allerdings nur für die kurzen Zeiträume der Studien sagen kann. Die große Frage ist: Was passiert, wenn man E-Zigaretten langfristig nutzt? Darauf kann unser Gutachten keine Antwort geben. Studien, wie wir sie hier bewerten, laufen im Allgemeinen sechs oder vielleicht zwölf Monate. Längere Datenreihen haben wir im Moment nicht zur Verfügung."
Mediziner zu E-Zigaretten - "Die Jugend wird süchtig gemacht"
Mediziner Thomas Münzel hat vor der schädlichen Wirkung und der hohen Nikotinkonzentration von E-Zigaretten gewarnt. Die Industrie habe sich auf den Jugendmarkt konzentriert, sagte er im Dlf.
Sie würde Rauchern durchaus E-Zigaretten empfehlen, wenn sie mit Nikotin-Pflastern oder -Kaugummis nicht klarkommen, sagt die Harvard-Professorin. Das Gesundheitsrisiko beim Dampfen sei sicher geringer als das durchs Rauchen.
Dampfen ist gesünder als Rauchen - aber gesund ist es nicht
In einem neuen Übersichtspapier aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum liest sich das nicht anders. Das DKFZ betont aber auch, E-Zigaretten seien keineswegs harmlos. Die Biologin Katrin Schaller leitet die Stabsstelle für Krebsprävention im DKFZ: "Was man halt noch nicht weiß: Wie viel weniger schädlich sie letztendlich sind. Also, wenn Raucher auf E-Zigaretten umsteigen, dann kann es sein, dass sie ihr Schädigungspotenzial deutlich reduzieren. Sie sollten dann langfristig natürlich auch mit den E-Zigaretten aufhören, weil die wahrscheinlich auch eine gewisse Gesundheitsgefahr bergen."
Genau lässt sich das aber noch nicht sagen, denn es gebe bisher keine entsprechenden Langzeitstudien, betont Katrin Schaller: "Auf der anderen Seite ist es auch so, dass eben für Nichtraucher, insbesondere für Jugendliche, E-Zigaretten überhaupt nicht geeignet sind. Weil für diejenigen, die sonst keinen Rauch inhalieren, natürlich alles andere eine Gesundheitsgefährdung darstellt."
E-Zigaretten als Entwöhnungshelfer
Heino Stöver ist Professor für Suchtforschung an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Frankfurt am Main. Der Sozialwissenschaftler lud vor Kurzem zu einer Fachtagung über neue Wege zur Eindämmung des Rauchens. Daraus entstand ein Positionspapier mit dem Appell, E-Zigaretten stärker als geeignete Ausstiegshilfen zu propagieren. Sie verringerten schon heute die Zahl der Raucherinnen und Raucher und die Gesundheitsrisiken, die mit der Tabakzigarette verbunden seien: "Bei den E-Zigaretten wird ja nur ein Liquid erhitzt und eben nicht verbrannt. Das ist der wesentliche Unterschied. Und dieser wesentliche Unterschied führt eben dazu, dass die Risiken überschaubar sind. Es ist nicht gesund, zu dampfen, aber es ist weit, weit weniger schädlich als das Rauchen."
Vielen Rauchern sei das allerdings gar nicht bewusst. Deshalb hält Stöver auch mehr Aufklärung für nötig: "Die Mehrzahl der Bevölkerung geht noch immer davon aus, dass die E-Zigarette genauso schädlich sei oder sogar noch schädlicher als die Verbrennungszigarette. Und das ist natürlich eine Fehlinformation!"
Die E-Zigarette ist immer noch hochumstritten, aber eigentlich sind sich die Fachleute weitgehend einig: Rauchern kann sie helfen, auszusteigen und ihr Gesundheitsrisiko zu senken – Nichtraucher sollten lieber die Finger davon lassen!