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Ebola
Herzmedikament könnte Krankheit abschwächen

Bei einer Ebola-Epidemie sterben bis zu 90 Prozent der Infizierten qualvoll an inneren Blutungen. Die Krankheit ist aber auch sehr selten - deshalb lohnt es sich für Pharmaunternehmen kaum, Medikamente zu entwickeln. Wissenschaftler in Hannover und Marburg haben deshalb herauszufinden versucht, ob vielleicht bereits zugelassene Präparate helfen könnten – und sind fündig geworden.

Von Michael Engel | 07.08.2014
    Eine Krankenschwester in Monrovia, Liberia. Das westafrikanische Land verschärfte angesichts der Ebola-Epidemie den Ausnahmezustand.
    Eine Krankenschwester in Monrovia, Liberia. Das westafrikanische Land verschärfte angesichts der Ebola-Epidemie den Ausnahmezustand. (EPA/AHMED JALLANZO)
    "Unser Ansatz ist ganz naiv", sagt Doktor Thomas von Hahn mit einer gehörigen Portion Understatement. Er sucht im Institut für Mikrobiologie der Medizinischen Hochschule Hannover nach einem Wirkstoff gegen Ebola.
    "Wir nehmen menschliche Zellen und wir infizieren sie mit Viren. Und wir behandeln sie gleichzeitig mit einem breiten Spektrum von Medikamenten, die zugelassen sind – für ganz verschiedene menschliche Krankheiten, von denen man weiß, sie sind sicher im Menschen. Und wir schauen dann, ob da nicht welche dabei sind, die die Fähigkeit des Virus, sich in dieser Zelle zu vermehren, beeinträchtigen – die Zelle sozusagen 'unbewohnbar' machen für das Virus."
    Fündig wurde der Wissenschaftler bei einem schon seit langem zugelassenen Medikament gegen Herzrhythmusstörungen. Der Wirkstoff heißt "Amiodaron-hydrochlorid". Die Substanz blockiert die Ionenkanäle auf der Zelloberfläche und greift auch sonst tief ins chemische Räderwerk der Zelle ein. Für Ebola-Viren wird es dadurch schwer, sich einzunisten, erklärt der Wissenschaftler.
    "Das Eindringen von Ebola in eine menschliche Zelle läuft so, dass das Virus an die Oberfläche der Zelle bindet, dann in ein sogenanntes 'Endosom', das ist ein kleines Membranbläschen, aufgenommen wird und erst im zweiten Schritt aus dem Endosom in das Innere – wirkliche Innere – der Zelle freigesetzt wird. Es scheint so zu sein, dass sich in Gegenwart von Amiodaron in vielen Fällen zwar das Virus an die Zelle bindet, und auch in das Endosom aufgenommen wird, aber aus diesem nicht mehr freigesetzt wird, und so das Innere der Zelle, wo es die Infektion auslöst, nicht erreicht."
    Hemmungen von über 60 Prozent
    Mehr als 99 Prozent der Ebola-Viren wurden durch das Medikament blockiert. Erst waren es ungefährliche "Pseudoviren", bei denen nur die Virushülle der von Ebola ähnlich sah. Dann folgten Experimente mit echten Viren an der Uni Marburg - im Hochsicherheitslabor. Auch dort mit dem gleichen Ergebnis. Als besonders wirksam erwies sich Amiodaron bei sogenannten "Endothelzellen", die beim Menschen die Blutgefäße von innen auskleiden. Bei anderen Zellen - aus Haut, Leber oder Bindegewebe - wurden Hemmungen zwischen 60 und 90 Prozent erreicht. Vorerst sind es nur Versuche im Labor. Doch denkt der Forscher heute schon weiter – auch an Heilversuche mit Menschen.
    "Ich persönlich würde das Potenzial dieser Substanz im Kontext von Ebola vor allem in der Begrenzung der Schwere der Erkrankung sehen. Denn Ebola läuft so: Man infiziert sich, und dann dauert es auch einige Tage, in denen man schon krank wird, bevor dann eine massive Ausbreitung im gesamten Körper stattfindet und diese sehr, sehr schwere Krankheit, dieses hämorrhagische Fieber ausbricht. Und ich würde dieses Potenzial vor allem darin sehen, vielleicht diese dramatische Entwicklung hin zu einer überwältigenden, lebensbedrohlichen Infektion zu unterbinden."
    Farbige Elektronen-mikroskopische Darstellung der ultrastrukturellen Morphologie eines Ebola Virus Virion.
    Das Ebola-Virus unter dem Elektronen-Mikroskop. (AFP PHOTO / CDC / Cynthia Goldsmith)
    Heute sterben 50 bis 90 Prozent der Infizierten. Mithilfe des Medikamentes wären es vielleicht deutlich weniger. Als sogenannter "Off-Label-Use" könnte das Präparat relativ rasch auch gegen Krankheiten wie Ebola eingesetzt werden, für die es gar nicht zugelassen ist. Zudem ist das Präparat sehr preiswert.
    "Wir sind auch herangetreten an die WHO und an die Organisation 'Ärzte ohne Grenzen', haben sie auf diese Forschungsergebnisse hingewiesen. Was dann wirklich im Feld, im Gebiet, wo der Ausbruch stattfindet, eingesetzt wird, liegt natürlich im Ermessen der dort behandelnden Ärzte. Da sind wir nicht direkt beteiligt."
    Einsatz trotz Nebenwirkungen
    Allerdings hat das Präparat auch Nebenwirkungen: darunter Lungenfibrose, Nervenschädigungen bis hin zu toxischen Veränderungen der Schilddrüse. Für Ebola-Patienten, die einer tödlichen Gefahr ausgesetzt sind, wäre es wohl das kleinere Übel, zumal das Präparat nur für kurze Zeit verabreicht werden müsste.
    "Ich muss klar sagen, wenn ich mir vorstelle, dass wenn wir Patienten mit Ebola auf einer unserer Intensivstationen behandeln würden, dann wäre der Einsatz von diesem Medikament für mich absolut denkbar."
    Neben Amiodaron ist jetzt ein weiteres Medikament "entdeckt" worden, das gegen Ebola helfen könnte. Amerikanische Wissenschaftler fanden heraus, dass auch "Clomifen", ein gynäkologisches Präparat zur Steigerung der Fertilität, helfen könnte. Bleibt abzuwarten, wann sich die Medikamente im Ernstfall bewähren.