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eCarTec-Messe für Elektromobilität
Kann die Elektromobilbranche von Dieselgate profitieren?

Der Abgasbetrug bei Volkswagen könnte der Elektromobilität einen kräftigen Schub geben. Das hoffen zumindest die Aussteller auf der Messe eCarTec in München. Denn während VW seine Rußschleudern künstlich sauberrechnete, entwickelte sich andernorts die Elektro- und Hybridtechnik weiter.

Von Susanne Lettenbauer | 21.10.2015
    Eine Frau hält auf der Fachmesse eCarTec in München (Bayern) den Stecker eines Ladekabels neben den Steckplatz an einem Auto.
    Eine Frau hält auf der Fachmesse eCarTec in München (Bayern) den Stecker eines Ladekabels neben den Steckplatz an einem Auto. (picture alliance / dpa / Andreas Gebert)
    Aufbruchstimmung in der Elektromobilbranche. Der Abgasskandal bei VW habe gezeigt, dass die Möglichkeiten der Elektromobilität jahrelang unterschätzt wurden, sagt Robert Metzger, Chef der Vorzeigemesse für elektrisches Fahren eCarTec. Ob in der Batterieforschung, im Bereich der Schnellladung, im Leichtbau und auch bei den Anschaffungskosten habe sich soviel verändert, dass ein Elektroauto heute ein ernst zu nehmender Konkurrent für Dieselfahrzeuge geworden sei:
    "Ich denke, das wird der Branche sehr stark helfen, endlich auf Elektromobilität umzusteigen. Im Augenblick ist alles ja, gerade bei den deutschen Herstellern noch ein bisschen mit angezogener Handbremse, aber das wird sich ändern."
    Absatzzahlen bei Elektroautos stagnieren - noch
    Die Dieselkrise könne man als Chance für den Umstieg auf Elektromotoren sehen, für eine längst fällige Strukturreform, so Mezger. Die Branche sei dafür längst gut aufgestellt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks will eine Kaufprämie von 5000 Euro durchsetzen. Denn - die Absatzzahlen dümpeln noch immer vor sich hin. Laut Kraftfahrtbundesamt lag der Anteil der Neuzulassungen von E-Mobilen im August bei 0,4 Prozent. Das dürfte sich jetzt ändern, ist Mezger überzeugt. Das gelte selbst für den Volkswagen-Konzern:
    "VW ist zumindest gut aufgestellt dafür. Sie haben ja im letzten Jahr den eCarTec gewonnen für ihren e-Golf, sie können ja auf einem Band sowohl elektrisch, als auch as und Benzin produzieren und dadurch kann VW sehr schnell die Kapazität nach oben stellen. Ich hoffe, sie stellen da die richtigen Wegen und geben da richtig Strom."
    Weit über 6000 Ladestellen stehen mittlerweile an den Straßen in Deutschland, oftmals an Autobahnen oder Supermärkten. Apps führen den Autofahrer zu den Standorten. Inzwischen gibt es für das Laden der Batterie über Nacht einen einheitlichen Stecker, bei der Schnellladung konkurrieren allerdings nach wie vor zwei Anbieter um die Vorherrschaft. Mittlerweile sei man bei Ladekapazitäten von 80 Prozent innerhalb einer halben Stunde, sagt Volker Lazzaro vom Ladestationenhersteller Mennekes. Die Zeit soll noch weiter verkürzt werden, aber:
    "Die Geschwindigkeit des Ladens ist einfach ein physisches Thema, wo die Erhöhung der Temperatur zur Schädigung der Batterie führt und deshalb gibt es eine physische Grenze, und die Grenze liegt heute bei einer halben Stunde. Man arbeitet aber intensiv daran, dass man das in Richtung fünfzehn oder zehn Minuten reduzieren kann."
    Infrastruktur ausbaufähig
    Noch hake es trotz aller sogenannter Schaufensterregionen wie Bayerischer Wald oder Garmisch-Partenkirchen vor allem bei der flächendeckenden Förderung der Infrastruktur in Deutschland, betont Lazzaro. Da seien Länder wie die Niederlande oder Norwegen noch immer ein großes Stück voraus. Auf der IAA hatte die Bundeskanzlerin Verbesserung zugesagt. Als direkte Folge des Dieselskandals. An einen schnellen Aufschwung glaubt Lazzaro allerdings trotzdem nicht.
    "Ich glaube, so schnell geht das nicht. Also wir spüren heute nicht, dass dreimal so viele Ladestationen bei uns gekauft würden wie vorher. Das braucht Zeit. Da müssen erst mal die Dinge aufgearbeitet werden, da müssen Strategien entwickelt werden und dann gibt es irgendwann einen Impact auf den Markt, aber das geht nicht so schnell."
    Im Bereich der Batterien, der jahrelangen Schwachstelle bei Elektroautos, scheint der Durchbruch geschafft. Kleinere, leistungsfähigere Lithiumbatterien haben die klobigen Raumfresser der Anfangsgeneration ersetzt.
    Nicht nur Premiumanbieter wie Tesla bieten seit geraumer Zeit attraktive Reichweiten über 250 Kilometer.
    Mit seinen neuen 30-Kilowatt-Batterien im Fußraum der Fahrzeuge will auch der japanische Autohersteller Nissan weiter wachsen. Mehr als 190.000 Elektro-Pkw-Fahrzeuge der Marke "Leaf" hat das Unternehmen mittlerweile verkauft. Und das unabhängig von dem Dieselskandal bei Volkswagen, ist Roberto Russo überzeugt. Der Nissan-Vertriebschef für Süddeutschland glaubt nicht, dass sich durch die Krise bei Dieselfahrzeugen die Entwicklung im Automobilbereich komplett auf den Kopf stellen wird.
    "Also ich würde sagen, dass ist noch zu früh, um einen großen Wandel zu merken, vielleicht wird einem potenziellen Autokäufer bewusster, dass er sich vielleicht noch mal überlegen sollte, ob er sich mit seinem Fahrprofil nicht doch für ein Elektroauto entscheiden will, aber das kommt auf die Meinung der Leute an."
    30-kW-Batterien wie die von Nissan bieten mittlerweile eine Reichweite von rund 250 Kilometern, fast ohne Wartung. Für Elektroautos eine konkurrenzfähige Laufleistung. Und das alles ganz ohne Abgastest.