Dienstag, 23. April 2024

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Werkstoffe für Konservendosen
Suche nach Alternativen zu Bisphenol A

Die Chemikalie Bisphenol A ist schon lange in der Kritik. Frankreich hat sie in der Beschichtung von Konservendosen bereits vor sechs Jahren verboten. Seitdem suchen Hersteller nach Alternativen. Einige davon sind inzwischen marktreif.

Von Hellmuth Nordwig | 23.03.2021
Drei Konservendosen hängen an Fleischerhaken.
Konservendosen sind innen oft mit Plastik beschichtet, das Bisphenol A enthält (imago )
Konservendosen sind innen beschichtet, sonst würde das Weißblech leicht korrodieren. Lange Zeit bestanden diese meisten dieser Beschichtungen aus einem Epoxidharz, das aus der Chemikalie Bisphenol A hergestellt wird. Doch im Jahr 2016 stand längst fest: Die Substanz wirkt im Körper ähnlich wie Östrogen. Zwei Fraunhofer-Wissenschaftlerinnen haben deshalb eine alternative Dosen-Innenbeschichtung erforscht. Katharina Weber sagte damals dem Deutschlandfunk:
"Die Alternative zu Bisphenol-A-Beschichtungen basiert auf Polyestern, wobei die auch sehr unterschiedlich sein können. Das sind spezielle Polyester, die noch mit einem anderen Polymer vernetzt werden, damit sie die vollen Eigenschaften ausbilden können und die gleichen Anforderungen erfüllen wie ein Bisphenol-A-haltiger Lack."
Das konnten die Forscherinnen von den Fraunhofer-Instituten für Produktionstechnik und für Verpackung später bestätigen: Der Polyester-Lack schützt das Blech der Dose genauso gut wie Epoxid auf der Basis von Bisphenol A. Allerdings steht im Abschlussbericht des Projekts aus dem Jahr 2018: Es könnte sein, dass auch aus dieser Innenbeschichtung Chemikalien in Lebensmittel übergehen. Getestet haben die Expertinnen das seinerzeit mit Ravioli in Tomatensoße und Gulasch.

Dosen mit neuer Beschichtung auf dem Markt

Inzwischen ist das Forschungsvorhaben längst Vergangenheit, keine der Fraunhofer-Wissenschaftlerinnen möchte sich mehr zum Stand der Dinge bei den Polyestern äußern. Auf dem Markt gibt es aber durchaus schon Dosen, die damit beschichtet wurden, zum Beispiel für die Kokosmilch eines Bioherstellers. Eine weitere Alternative ist ein anderes Epoxidharz aus einem Grundbaustein, bei dem es sich um einen chemischen Verwandten von Bisphenol A handelt.
"Because it was a bisphenol as well, we wanted to know whether or not there was some estrogenic activity."
Es geht um ein anderes Bisphenol, berichtet Maricel Maffini. Und deshalb wollten Forschende in den USA wissen, ob es ebenfalls so wirkt wie Östrogen, sagt die freiberuflich tätige Biologin, die dazu zwei Artikel in Fachzeitschriften veröffentlicht hat. Die Substanz heißt Tetramethyl-Bisphenol F, kurz TMBPF.
"Mit unterschiedlichen Testsystemen konnten wir zeigen, dass die Substanz keine Östrogen-Wirkung hat - anders als Bisphenol A. Das zeigten Untersuchungen mit menschlichen Zellen, mit Hefe und mit Tieren."
Auch Babyflaschen sind mit Bisphenol A versetzt.
Auch Bisphenol-A-Ersatzstoffe könnten Nebenwirkungen haben
Die EU hat den Einsatz von Bisphinol-A (BPA) in Plastikflaschen für Babynahrung verboten. BPA steht in Verdacht, die Entwicklung von Samen- und Eizellen hormonell beeinflussen zu können. Eine Studie schürt jetzt den Verdacht: Auch von als BPA-frei gekennzeichneten Produkten könnte Gefahr ausgehen.

Alternative ohne hormonelle Wirkung

Und mehr noch: Werde den Tieren nicht nur die Substanz selbst, sondern sogar ein Extrakt aus der Beschichtung von Dosen verabreicht, die auf TMBPF basiert, sei auch da keine hormonelle Wirkung feststellbar. Nun ist aber von Bisphenol F allein, also der gleichen Substanz ohne angehängte Tetramethylgruppe, durchaus bekannt, dass es ähnlich wirkt wie Östrogen. Es könnte aber sein, dass genau das Anhängsel am Molekül verhindert, dass TMBPF an den Östrogen-Rezeptor in Zellen andockt und folglich im Körper schaden kann. Die Expertin hat noch eine Erklärung:
"Es scheint, dass TMBPF nicht aus dem Epoxidharz herauskommt. Wenn dieser Kunststoff gebildet wird, muss man TMBPF auch nicht dauernd zugeben. Es entsteht am Anfang, und dann bildet sich daraus sofort das Polymer. Wenn man aber ein Epoxidharz aus Bisphenol A herstellt, muss man immer mehr davon hinzufügen, damit die Kette des Moleküls länger wird."
... erklärt Maricel Maffini, die früher als Professorin an der Bostoner Tufts University über Bisphenol A und Brustkrebs geforscht hat. Inzwischen hat sie sich als Beraterin selbstständig gemacht und die Versuche über die alternative Dosenbeschichtung konzipiert.

Verbot in Frankreich hatte Folgen

Da diese Tests von deren Herstellerfirma initiiert worden waren, sollte man die Ergebnisse allerdings mit Vorsicht betrachten. Und genau das haben auch die Zulassungsbehörden getan. Doch sie konnten keinen Haken finden. Die französische Behörde stellt der neuen Beschichtung ein einwandfreies Zeugnis aus. In unserem Nachbarland sind Konservendosen mit Bisphenol A schon seit 2015 verboten. Die europaweite Zulassung für die Beschichtung mit TMBPF ist beantragt, und in einigen Ländern ist das alternative Epoxidharz bereits zugelassen, darunter in China, Kanada und in den USA.
"In den USA gibt es schon Milliarden von Getränkedosen, die mit diesem neuen Harz beschichtet sind."
Neben Polyestern und den alternativen Epoxidharzen gibt es weitere Möglichkeiten, Konservendosen von innen zu beschichten: Acrylharz oder ein Sprühlack aus Polyethylen oder Polypropylen. Der "Verband Metallverpackungen" bestätigt auf Anfrage, es gebe Lösungen für eine Reihe von Füllgütern - aber es sei im Einzelfall doch schwierig, geeignete Beschichtungen ohne Bisphenol A zu finden. Fest steht: Die Produzenten bemühen sich darum, denn das Verbot in Frankreich hat ihnen Beine gemacht. Und auch die Einzelhandelsketten machen Druck. Wie hoch der Anteil alternativ beschichteter Dosen bei uns aber wirklich ist und woraus die Beschichtungen genau bestehen, dazu gibt es keine belastbaren Zahlen.