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Edathy-Affäre
Tauber: "Untersuchungsausschuss nicht verweigern"

Im Interview der Woche des DLF sagte der CDU-Generalsekretär Peter Tauber, ein Untersuchungsausschuss sei dann ein hilfreiches Instrument, wenn er der Sache und der Klarheit in der Edathy-Affäre diene. Er sieht die SPD aber auch in der Pflicht, in der Großen Koalition neues Vertrauen aufzubauen.

Peter Tauber im Gespräch mit Stephan Detjen | 23.02.2014
    CDU-Generalsekretär Peter Tauber
    CDU-Generalsekretär Peter Tauber betont, dass auch für Edathy die Unschuldsvermutung gilt. (picture-alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Detjen: Herr Tauber, Sie sind seit dem 16. Dezember Generalsekretär der CDU. Da arbeiten Sie jetzt unmittelbar mit Angela Merkel zusammen. Was ist Angela Merkel für eine Chefin?
    Tauber: Eine tolle Chefin. Es macht Spaß, sie kann motivieren, sie hört gut zu und die Menschen vertrauen ihr. Das hat man ja auch bei der Bundestagswahl an unserem tollen Ergebnis gemerkt und deswegen macht die Zusammenarbeit viel Spaß.
    Detjen: Versetzen Sie sich doch mal in eine andere Rolle. Wenn Sie nicht Generalsekretär wären, sondern Minister im Kabinett von Angela Merkel und dann bekämen Sie eine vertrauliche Information, die das Zeug hat, das Land und die Regierung zu erschüttern - würden Sie Ihre Chefin Angela Merkel in diese Information einbinden?
    Tauber: Das kommt entscheidend darauf an, ob ich das Gefühl habe, dass sie diese Information haben muss.
    Detjen: Also es geht konkret um Hans-Peter Friedrich, um die Ereignisse der vergangenen Woche, die Information, die er über den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy erhalten hat und dann nur an den SPD-Chef weitergegeben hat. Nicht an die eigene Kanzlerin und Parteivorsitzende der CDU, auch den eigenen Parteichef Horst Seehofer hat er nicht informiert. Das war Grund genug, ihn zum Rücktritt aufzufordern, oder?
    Tauber: Also in der Tat, man kann das so sehen. Er ist zurückgetreten als Folge der Weitergabe dieser Information. Ich finde das auch richtig, wenn über ein solches Thema fernab der strafrechtlichen Bewertung so emotional diskutiert wird, dass Menschen in Verantwortung diese Verantwortung dann auch tragen und bei einem Politiker bedeutet das oft einen Rücktritt.
    Detjen: Aber jetzt ist ja die Frage, wenn ich kurz noch mal darf, ob der eigentliche Grund für den Rücktritt nicht die Weitergabe der Information an den SPD-Chef, sondern die Nichtweitergabe an die Kanzlerin gewesen ist.
    Tauber: Nein, das glaube ich nicht. Die Öffentlichkeit hat sich sehr stark damit beschäftigt und die Öffentlichkeit fokussiert sehr stark auf diese Frage, wer darf wann oder sollte wann was weitergeben? Wie ist es mit Vertraulichkeit? Und das bezieht sich leider am Ende des Tages auch nicht nur auf Herrn Friedrich. Der Eindruck, der nicht entstehen darf, ist, dass sozusagen die politische Klasse sich gegenseitig Informationen zuspielt, um sich zu schützen. Da versucht die SPD gerade deutlich zu machen, dass das auch nicht der Fall sei, dass niemand Herrn Edathy gewarnt habe. Aber in der Tat die Öffentlichkeit und auch die Opposition, auch wir, wir diskutieren das ja im Innenausschuss recht rege, haben da viele Fragen und die Leute haben Anspruch darauf, dass das aufgearbeitet wird.
    Friedrich, Merkel, Gabriel und Seehofer beraten sich im Bundestag.
    Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich ist bereits zurückgetreten, Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Chef Sigmar Gabriel schweigen. Horst Seehofers CSU hingegen kritisiert die SPD (v. l. n. r.) (dpa/Kay Nietfeld)
    Detjen: Auf das Verhältnis zur SPD und was dort passiert ist und was jetzt im Innenausschuss, im Bundestag noch passieren soll, da kommen wir noch drauf zu sprechen, aber mir geht es jetzt noch mal um das Binnenverhältnis zwischen der Kanzlerin und ihrem vormaligen Landwirtschaftsminister. Am Freitag voriger Woche, dem Tag des Rücktritts, verabredet Merkel zunächst mit Landwirtschaftsminister Friedrich und CSU-Chef Seehofer, Friedrich solle nur dann zurücktreten, wenn ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird und ein paar Stunden später setzt sie Friedrich dann doch die Pistole auf die Brust und fordert ihn zum Rücktritt auf. Friedrich selbst beharrt bis heute darauf, dass er richtig gehandelt und sozusagen Partei und Vaterland gedient habe. Was hat denn zu dem Meinungswandel der Kanzlerin geführt?
    Tauber: Ich weiß nicht, ob es ein Meinungswandel der Kanzlerin war. Herr Friedrich hat zunächst die von Ihnen wiedergegebenen Positionen nach außen vertreten, es gab aber einen sehr hohen Druck öffentlich, auch eine Erwartungshaltung von Kolleginnen und Kollegen, in der Sache voranzukommen, den Sachverhalt aufzuklären, und man muss Hans-Peter Friedrich attestieren, dass er mit seinem Rücktritt auch die Möglichkeit gegeben hat, dass wir auf den Sachverhalt selbst jetzt wieder stärker schauen und damit hat er der Sache am Ende gedient, das, glaube ich, kann man sagen.
    Detjen: Aber noch mal, Bilanz dieser denkwürdigen Ereignisse, es ist in dieser zurückliegenden Woche viel von Vertrauen die Rede gewesen. Vertrauen zwischen Bürgern und Politikern, Sie haben das angesprochen, aber besonders das Vertrauen zwischen den Koalitionspartnern in der jungen Regierung. Wer hat hier wessen Vertrauen beschädigt?
    Tauber: Na ich glaube, dass in der Tat es vor allem der sozialdemokratische Koalitionspartner ist, der jetzt einen Beitrag leisten muss, damit aus einem Arbeitsverhältnis in der Großen Koalition wieder ein Vertrauensverhältnis werden kann. Volker Kauder hat das sehr klar formuliert. Und Herr Oppermann, der ja in den jüngsten Tagen noch mal seinen Anspruch wiedergegeben hat, einen Stabilitätsanker dieser Großen Koalition sein zu wollen, dem muss man klar sagen, dafür muss er jetzt auch was tun. Momentan ist er eher eine Boje.
    Detjen: Er hat ja nach seinem Auftritt im Innenausschuss des Bundestages sich schon recht zerknirscht gegeben, viel persönliches Bedauern über den Rücktritt Friedrichs geäußert. Reicht das?
    Tauber: Also ein Zeichen von Reue oder eine tätige Reue im Umgang miteinander, da ist das eine. Das ist für das Binnenklima gut, aber am Ende des Tages erwarten ja auch die Menschen, dass diese Große Koalition gute Arbeit abliefert. Und wenn er als Fraktionsvorsitzender beispielsweise mal dafür sorgt, dass wir nicht jeden Tag mit neuen Vorschlägen aus der SPD konfrontiert werden, die nichts mit dem Koalitionsvertrag zu tun haben, dann wäre das ein solcher sehr sinnvoller sachlicher Beitrag.
    Detjen: Also geht und ging es jetzt auch bei den Gesprächen, die auf der Ebene der Parteivorsitzenden geführt worden sind, auch um sozusagen sachliche Kompensation? Das ist ja das, was insbesondere auch aus der CSU als Erstes kam. ‚Ja, jetzt muss uns die SPD etwa bei Thema Mindestlohn, beim Thema Rente, vielleicht auch beim Thema Maut mal entgegenkommen’.
    Tauber: Nein, das ist etwas, was im parlamentarischen Verfahren und im Kabinett ganz normal diskutiert wird. Ich war bei dem Treffen der drei Parteivorsitzenden nicht dabei, deswegen war es ja auch nur ein Treffen der drei Parteivorsitzenden…
    Detjen: … Die Kanzlerin und Parteivorsitzende wird Sie schon informiert haben.
    Tauber: Ja, aber dort ging es nur um diese atmosphärischen Fragen, die aber genauso wichtig sind, weil sie die Grundlage für die inhaltliche Arbeit sind. Und das, was ich meinte, zielte eher darauf ab, dass die Sozialdemokraten sich bitteschön an das, was wir im Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben, halten, und nicht links und rechts ständig neue Themenfelder aufmachen, bei denen wir in den Koalitionsverhandlungen auch relativ klar bei vielen Punkten gesagt haben. Darüber brauchen wir die nächsten vier Jahre nicht reden, da werden wir schwerlich auf einen Nenner kommen. Und wenn man das schafft, wenn er das schafft, seine Fraktion da ein bisschen zu disziplinieren, dann kann er in der Tat wieder zu so einem Stabilitätsanker werden, der Herr Oppermann.
    Detjen: Wenn ich Ihnen da zuhöre, Herr Tauber, dann drängt sich mir doch der Eindruck auf, dass da bei der Union auch einige Krokodilstränen über den Rücktritt Friedrichs vergossen worden sind. Tatsächlich ist die ganze Affäre und auch der Rücktritt des Landwirtschaftsministers für Sie doch ein guter Anlass, die SPD und ihren Fraktionsvorsitzenden jetzt unter Druck zu setzen.
    Tauber: Na, ich glaube, wir müssen mal dahin kommen, dass wir jetzt nicht permanent nur über Herrn Friedrich reden, sondern Auslöser der ganzen Geschichte ist ja die offene Frage, ob Herr Edathy neben den Bildern, die er da gekauft hat von nackten Kindern, da sind ja auch noch so viele offene Fragen. Was ist mit diesem angeblich geöffneten Brief? Warum sind die Computer alle verschwunden? Was ist da jetzt noch zu finden? Wie verhält es sich mit dem angeblich geklauten Laptop von Herrn Edathy? Und da gibt es eine Menge noch offener Fragen und ich finde es der Sache auch nicht gerecht, wenn wir jetzt weiter nur über Herrn Friedrich reden und ein mögliches Fehlverhalten, das man politisch und moralisch und juristisch bewerten kann. In der politischen Bewertung ist die Bewertung durch den Rücktritt ja bereits erfolgt, alles andere ist noch offen. Und den Blick auf den eigentlichen Auslöser zu richten, das halte ich für dringend geboten.
    Detjen: Das tun Sie ja auch, Herr Tauber, im Bundestag, das geht da bis hin zur Forderung nach einem Untersuchungsausschuss. Aber mir geht es jetzt auch darum, das aufzuklären, was wir aus der Regierung, was wir aus der Koalition hören. Auf der einen Seite, Friedrich sei Opfer der SPD und auf der anderen Seite hören wir, die Kanzlerin hat ihn selbst zum Rücktritt gezwungen. Aber gut, lassen wir uns auf das weitere Vorgehen mit der Opposition zu sprechen kommen. Untersuchungsausschuss: Kann sich diese Koalition das überhaupt jetzt leisten, in der Sache noch einen Untersuchungsausschuss einzurichten, wo dann die SPD-Leute faktisch auf der Anklagebank sitzen und die Union mit den Linken und den Grünen die Anklägerrolle übernimmt?
    Porträt des damaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy
    SPD-Politiker Sebastian Edathy meldete seinen Bundestags-Laptop als gestohlen (dpa / picture-alliance / Rainer Jensen)
    Tauber: Wenn der Wunsch nach einem Untersuchungsausschuss besteht und den hört man an vielen Stellen…
    Detjen: … Der kam ja, und zwar aus der Koalition.
    Tauber: Der kam durchaus auch von Stimmen aus der Koalition. Dann wird es einen geben, da bin ich ziemlich sicher. Spannend ist, und das ist eine Bewertung, die auch die Kollegen im Innenausschuss, glaube ich, federführend treffen müssen, ob nach den Diskussionen und Debatten dort der für nötig erachtet wird. Das kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend sagen.
    Detjen: Sie sind selbst Abgeordneter: Wollen Sie einen Untersuchungsausschuss?
    Tauber: Ich würde mich einem Untersuchungsausschuss nicht verweigern, wenn es den gibt. Im Gegenteil, wenn es der Sache und der Klarheit dient, dann ist das ein hilfreiches Instrument unter Umständen.
    Detjen: Okay, Sie haben es eben schon angesprochen, Herr Tauber, es hat auch eine Dimension, die weit über die Verwicklungen und Verstrickungen innerhalb der Koalition hinausgeht, es geht um Kinderpornografie, das ist ein Reizwort. Es geht um rechtliche Grauzonen zwischen nicht strafbaren sogenannten Posing-Bildern und pornografischen Darstellungen von Kindern, die auf harten sexuellen Missbrauch beruhen. Muss da gesetzgeberisch etwas geschehen?
    Tauber: Offensichtlich. Also wenn der Verkauf solcher Bilder in Kanada nicht zulässig ist und bei uns ist er erlaubt, dann haben wir eine aus meiner Sicht offenkundige Gesetzeslücke. Man muss da dann natürlich noch mal genau unterscheiden, um es noch mal deutlich zu sagen, wofür, glaube ich, niemand Verständnis hat, ist, dass mit solchen Bildern, die ja unter fragwürdigsten Umständen entstehen, Handel getrieben wird, dass man die käuflich erwerben kann, dafür fehlt mir persönlich und ich glaube, auch jedem sonst jedes Verständnis. Es geht nicht darum zu verbieten, wenn Eltern ihre Kinder beim Spielen im Garten im Sommer im Planschbecken mal fotografieren für das Familienalbum, da geht es ja auch nicht um Weitergabe von Bildern. Manche tun ja jetzt so, als ob das verboten werden soll, und stellen da auch wieder obskure Vergleiche an. Noch mal, wenn es eine Lücke gibt, bei der der Handel solcher Bilder zulässig ist und es eine Abschichtung gibt in der Bewertung, die – das sagen ja auch Kriminologen, bei denen, die eine pädophile Neigung haben, so gar nicht funktioniert, weil die ganz anders getaktet sind mit dieser Krankheit, die es ja ist – dann muss der Gesetzgeber da klarere Rahmenbedingungen setzen. Da bin ich fest von überzeugt.
    Detjen: Die ganze Diskussion ist ausgelöst worden, tja, durch einen SPD-Bundestagsabgeordneten, von dem wir bis heute nicht wissen, was er eigentlich wirklich gemacht hat. Und auch das ist ein Aspekt dieses Themas: Gilt für Sebastian Edathy, galt für Sebastian Edathy auch in der zurückliegenden Woche eigentlich noch die Unschuldsvermutung?
    Tauber: Ich finde, jeder Mensch hat Anspruch darauf, fair behandelt zu werden und dazu gehört in einer Bewertung, einer moralischen, einer juristischen eben diese sogenannte Unschuldsvermutung. Die Schwierigkeit ist immer – und ich glaube, da ist niemand von uns frei – dass im Kopf natürlich Bilder entstehen. Und wenn man dann hört, dass Computer mutwillig zerstört worden sind, dass ein Laptop geklaut wird, dass er nicht erreichbar ist, dass er im Ausland weilt, dann sind das halt alles Indizien, die es schwerer machen für den einen oder anderen, an dieser Unschuldsvermutung vorbehaltlos festzuhalten. Ich glaube trotzdem, dass sie ein hohes Gut ist und dass man das immer wieder sagen muss. Aber die Wahrheit ist auch, dass Herr Edathy selbst und auch andere in seinem Umfeld etwas zur Aufklärung beitragen könnten, damit da schneller Klarheit herrscht. Und ich hoffe, dass die Ermittlungsbehörden da einen guten Job machen und auch im Sinne auch des Vertrauens in ein Rechtssystem.
    Detjen: Das Deutschlandfunk Interview der Woche heute mit dem, man darf es sagen, immer noch neuen Generalsekretär der CDU, Peter Tauber. Herr Tauber, in Ihrer Funktion ist es eine Ihrer Hauptaufgaben, dafür zu sorgen, dass die CDU 2017 beim nächsten regulären Bundestagswahltermin nach dann zwölf Regierungsjahren nicht inhaltlich und programmatisch sehr ähnlich erschöpft ist, wie es die CDU Mitte der 90er Jahre unter Helmut Kohl war. Das ist doch für jede Regierungspartei eine Gefahr, um die sich der Generalsekretär kümmern muss, oder?
    Tauber: Ich finde es eher eine Herausforderung. Also ich bin jetzt ja nun schon lange CDU-Mitglied, mehr als die Hälfte meines Lebens. Ich bin jetzt 39 Jahre alt, bin mit 18 eingetreten, habe in meiner Partei vom Ortsbeirat bis zum Kreistag viele ehrenamtliche Ämter auch ausgefüllt und natürlich ist es richtig, die Menschen, die bei uns Mitglied sind, die, die uns gewählt haben, die die Anhänger der CDU sind, haben eine Erwartung. Sie wollen natürlich, dass wir die Probleme lösen, die tagespolitisch neu aufscheinen, sie wollen, dass wir dafür sorgen oder einen Beitrag leisten, dass es den Menschen gut geht in diesem Land. Aber viele fragen auch nach den Ideen, also woraus leitet die CDU ihre Politik ab, was ist unsere Haltung, was sind unsere Überzeugungen?
    Detjen: Die Antwort bisher war ja einfach: Angela Merkel. Wann muss die CDU anfangen, sich von der Über-Kanzlerin, tja, zu emanzipieren und ein eigenständigeres programmatischeres Profil auch wieder aufzubauen für eine Nach-Merkel-Ära?
    Tauber: Das ist, glaube ich, eine Sicht, die nur Menschen haben können, die nicht in der CDU sind. Ich glaube, unsere Mitglieder wissen, was Angela Merkel für uns als Partei leistet. Inhaltlich, programmatisch, aber auch als Persönlichkeit. Die Menschen vertrauen ihr, Vertrauen ist ein Wert, der in der Politik ein unheimlich hohes Gut ist.
    Detjen: Wünschen Sie sich, dass dieses Vertrauen dann auch über das Jahr 2017 weiter zum Punkt der CDU gemacht werden kann, dass Angela Merkel dann noch mal antritt?
    Tauber: Also ich wünsche mir, dass Angela Merkel, solange sie es will und solange die Menschen es wollen, Verantwortung hat in unserem Land und dass wir gemeinsam mit allen Freundinnen und Freunden, die in der CDU engagiert sind, an unserer Programmatik arbeiten. Das tun wir permanent und vor dieser Herausforderung stehen wir auch mit Blick auf 2017 und in einer Großen Koalition. Vielleicht meinen Sie auch das natürlich ganz besonders, weil wir mit den Sozialdemokraten – das ist Sinn und Zweck einer Koalition – Kompromisse eingehen müssen und wollen, damit wir Entscheidungen treffen. Die Wahrheit ist auch, es gibt immer wieder Themen, da würden wir es, wenn wir es alleine entscheiden können, anders machen.
    Detjen: Nehmen wir mal nicht nur die Koalition in den Blick, sondern auch die Koalitionsverhandlungen, wo die Menschen erlebt haben, SPD, CDU/CSU, Grüne, da kann eigentlich jeder mit jedem, wovon unterscheiden sich diese Parteien eigentlich im Kern noch programmatisch, was wollen Sie da als CDU-Generalsekretär in den nächsten Jahren als Identitätskern Ihrer Partei herausarbeiten?
    Tauber: Also erst mal finde ich das gut, dass jede demokratische Partei mit jeder zusammenarbeiten kann. Wir erleben ja in Hessen gerade das spannende Beispiel einer schwarz-grünen Landesregierung – und das sage ich auch wieder an die Adresse unseres Koalitionspartners in Berlin – dort klappt die Arbeit ja sehr reibungslos, sehr harmonisch. Man hört wenig von Streit, da kann sich der eine oder andere auch in der Großen Koalition ein Beispiel dran nehmen. Und ich glaube, das erwarten die Leute zunächst auch mal, dass wir das können und dass wir Kompromisse finden können. Was ist der Kern…
    Detjen: Was unterscheidet die CDU von der SPD?
    Tauber: Na ja, uns unterscheidet erst mal eins, das wird auch im Parteinamen deutlich, wir sind eine Partei, aber wir haben das Wort Partei gar nicht im Namen, wir sind eine Union. Und wir haben einen sehr starken Blick auf den Ausgleich von Interessen unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen. Bei uns kann eben der mittelständische Unternehmer sich genauso mit der CDU identifizieren wie der Arbeiter. Und das ist natürlich eine Herausforderung für die Partei, programmatisch für alle diese Gruppen Angebote zu mache. Und zu einer der Herausforderungen für die CDU gehört, dass wir die Gruppen, die in der Partei noch unterrepräsentiert sind, stärker ansprechen. Wir haben viel zu wenig Menschen mit Zuwanderungshintergrund in der CDU, ich wünsche mir viel mehr Frauen, die sich in der CDU engagieren, auch durchaus noch mehr junge Leute. Und das ist zum Beispiel eine Aufgabe, die ein Generalsekretär hat, sich diesen Gruppen stärker zuzuwenden und ihnen auch zu vermitteln, was für ein Angebot macht die CDU.
    Detjen: Zwei Parteien, Herr Tauber, haben sich angeschickt in den vergangenen Jahren, das etablierte Parteiensystem einschließlich der Grünen aufzubrechen. Die Piraten und die AfD, machen Sie mal eine Prognose, wie viel Prozent kriegt die AfD bei der Europawahl am 25. Mai?
    Tauber: Ich glaube, dass da eine Prognose derzeit noch gar nicht möglich ist. Sagen übrigens auch die Demoskopen, die sich mit der Europawahl intensiver beschäftigen.
    Detjen: Manche tun es ja und sagen…
    Tauber: Manche tun es, aber die Zahlen, die werden von anderen wieder bestritten, weil mir ein kluger Mensch, der in dem Bereich tätig ist, erklärt hat, dass die Menschen die Europawahl noch nicht so stark auf dem Fokus haben, dass sie jetzt schon da eine klare Präferenz wirklich ableiten können. Die AfD speist sich, ähnlich wie es die Piraten eine Zeit lang getan haben, natürlich auch aus Menschen, die unzufrieden sind, die enttäuscht sind, die verunsichert sind, die klassischen Protestwähler. Und die spannende Frage wird bei der Europawahl sein, nicht nur in welcher Umgebung findet sie statt, wie steht es in der Zeit um den Euro, was passiert da gerade in der Ukraine? Das sind ja äußere Einflüsse, die wir gar nicht bis ins letzte Detail steuern können, die einen Wahlkampf dann auch ein bisschen spontan oder nicht planbar machen bis zum letzten Plakat. Und davon wird es abhängen, ob die Menschen bei einer Situation, in der sie Verunsicherung spüren, eher vertrauen denjenigen, die Verantwortung haben oder ob sie protestwählen. Ich werbe sehr dafür, dass wir uns mal anschauen, was ist in Europa in den letzten Jahren geschehen, was ist da auch zu kritisieren, wo haben wir vielleicht zu viel Bürokratie und wer macht da ein glaubwürdiges Angebot, die Probleme zu lösen? Und ich finde, es ist nicht die AfD.
    AfD-Chef Lucke spricht auf dem Bundesparteitag in Aschaffenburg an einem Rednerpult, im Hintergrund ist das Logo der Alternative für Deutschland auf blauem Grund sichtbar
    Tauber hält die AfD (hier Parteichef Lucke) für wenig glaubwürdig. (picture-alliance / dpa / David Ebener)
    Detjen: Sie müssen jetzt als CDU-Generalsekretär einen Wahlkampf vorbereiten, indem sich die CDU auch gegen den Koalitionspartner SPD profilieren muss, das kann auch zu einer Belastung für das Regierungsbündnis werden. Da stellt sich ja ganz grundsätzlich die Frage, ist die SPD in der Europapolitik ein zuverlässiger Regierungspartner?
    Tauber: Also man muss feststellen, dass im Koalitionsvertrag das Kapitel zum Thema Europa 1:1 das ist, was wir wollten. Also auch in der Frage, wer hat sich eigentlich wo durchgesetzt, muss man für dieses Kapitel im Koalitionsvertrag attestieren, das ist unsere Handschrift, das haben wir geschrieben. Das ist sehr klug, dass die SPD zumindest in Deutschland nicht mehr über Eurobonds spricht, nicht mehr über die Vergemeinschaftung von Schulden spricht. Die Sozialisten in Europa und auch Martin Schulz tun es auf der Ebene noch. Vielleicht kann die SPD da ein bisschen einen Beitrag leisten, dass man von diesen Ideen auch im sozialistischen Lager dann doch Abstand nimmt. Und das ist einer der zentralen Unterschiede, den werden wir im Kontext der Europawahl natürlich betonen und natürlich wird es dann wieder Streit geben. Aber – und das steht übrigens auch im Koalitionsvertrag so drin, das haben wir extra hineingeschrieben – dass es im Europawahlkampf einen Wettbewerb gibt zwischen beiden Koalitionspartnern, bei dem wir kollegial miteinander umgehen wie mit anderen Wettbewerbern auch, aber hart in der Sache streiten.
    Detjen: Die Frage nach der Zuverlässigkeit der SPD hat natürlich einen Hintergrund. Sie bezog sich auf die Bemerkung der Kanzlerin am Ende des Bundestagswahlkampfes, als sie zur Empörung der SPD gesagt hat, die SPD sei in der Europapolitik - Zitat - "total unzuverlässig", das hat sich erledigt? Meinungswandel?
    Tauber: Wir wollen es hoffen, zumindest hat die SPD es ja jetzt hier im Programm so stark nicht mehr formuliert, wenngleich wie gesagt der Hinweis, dass die sozialistische Parteifamilie für diese Ziele Eurobonds und Vergemeinschaftung der Schulden immer noch steht. Man muss das im Wahlkampf sehr genau beobachten, mit welchen Konzepten da geworben wird. Aber auf diese sachliche Auseinandersetzung freue ich mich auch, Wahlkampf macht Spaß.
    Detjen: Wenn man das Regierungsprogramm liest, dann finde ich da doch zumindest auch einige Positionen, die ich stärker mit der SPD in Verbindung bringe als mit der CDU. Die SPD hat sich im Bundestagswahlkampf viel entschiedener als die CDU und uneingeschränkter für eine Fortsetzung, für eine Vertiefung der europäischen Integration, auch institutionell in den demokratischen Institutionen, Stärkung des Parlaments usw. ausgesprochen. Vom Slogan, den die Kanzlerin auch einmal im Munde geführt hat auf dem Höhepunkt der Eurokrise "Wir brauchen mehr Europa", war jedenfalls in der CDU zuletzt nicht mehr allzu viel zu hören.
    Tauber: Da würde ich schon widersprechen. Ich glaube, es tut aber allen gut, wenn wir uns anschauen, wo wir mehr Europa brauchen. Also wenn man weiß, dass die Lufträume in Europa immer noch nationalstaatlich organisiert sind, dann ist es, glaube ich, keine schlechte Idee, da über eine Vereinheitlichung zu sprechen. Da kenne ich auch niemanden, der das für dummes Zeug hält. Wenn wir darüber reden, wie wir die Rahmenbedingungen so setzen, dass sich das, was wir die letzten drei Jahre mit ja mühsamen Prozessen im Zuge der sogenannten Eurokrise, der Staatsschuldenkrise in Europa versucht haben, gerade zu rücken, wenn man das strukturell anders fassen kann, dafür vielleicht auch an der einen oder anderen Stelle die europäischen Verträge ändern muss, dann ist das auch richtig. Darüber hinaus, glaube ich, kann man aber sagen, dass nicht jede Frage, die Europa betrifft, in Europa entschieden werden muss. Es gibt ganz viele Dinge, die können wir auf den untergeordneten Ebenen viel besser regeln. Das ist oft mühsam, wir leiden ja manchmal auch unter unserem Föderalismus und jammern und sagen "Hah, wäre das nicht leichter, man macht es irgendwie zentral?" Aber in Wahrheit ist es doch so, dass es ja meistens ganz gut ist, wenn die einzelnen Ebenen, die es unmittelbar betrifft, auch selbst Entscheidungen treffen können. Und dieses Subsidiaritätsprinzip, das ist ein Wort, was ganz schrecklich ist und nicht jeder kann sich darunter etwas vorstellen im praktischen Alltag, das ist uns schon sehr wichtig, deswegen schreiben wir in unserem Programm ja auch die sogenannte Regulierungsbremse rein. Wir wollen eben, dass die nationalen Parlamente hier und da Brüssel auch mal in den Arm fallen können und sagen können "Also Leute, hört mal zu, das machen wir schon besser bei uns vor Ort, das brauchen wir nicht in Europa regeln." Und ich glaube…
    Detjen: … Aber es zeichnet sich als Wahlkampfrhetorik der Union ab: Man sagt: ‚ja, Europa ist gut’ und dann kommt ein ‚Aber’. Können Sie, ohne das zu relativieren, sagen, wo wollen Sie mehr Europa? Sie haben gerade Vertragsänderungen angesprochen.
    Tauber: Ja, ich habe genau diesen Punkt gerade angesprochen. Ich glaube, dass wir im Zuge der Finanz- und Wirtschaftsstrukturen in Europa eben eine Vereinheitlichung und auch europäische Kompetenzen brauchen, wenn wir das, was wir jetzt auch auf den Weg gebracht haben an Reformen, am Ende durchsetzen wollen.
    Detjen: Einschließlich Vertragsänderungen, was dann heißt…
    Tauber: Einschließlich auch von Vertragsänderungen, das steht bei uns so im Programm drin. Das ist natürlich ein langer Prozess, das weiß man, das wissen wir. Aber wir meinen das sehr, sehr ernst, weil wir glauben, es braucht eine verlässliche und tragende Struktur für die Dauer. Und an anderer Stelle gibt es eben Bereiche, auch da müssen wir über europäische Kooperation reden, das Thema Forschung ist ein ganz wichtiges. Die SPD schreibt übrigens kein Wort in ihrem Europawahlprogramm zum Thema Bildung und Forschung, zum Schwerpunkt Forschung.
    Detjen: Das ist aber ein klassisches nationales Thema, wenn es um die Grenzen Europa geht.
    Tauber: Nein, das ist ein nationales Thema, aber wir brauchen eine entsprechende Vernetzung und wir müssen vor allem auch andere in Europa überzeugen, dass sie das im selben Maße tun wie wir. Da geht es über die Kooperation auch der Nationalstaaten, da gilt es viel zu tun. Wir haben uns ja in Deutschland auf dieses 3-Prozent-Ziel des BIP für Investitionen in Bildung und Forschung festgelegt im Koalitionsvertrag. Und wenn uns andere da in Europa folgen würden, wäre es gut für alle.
    Detjen: Es wird, das wird etwas ganz Neues bei der jetzigen Europawahl sein, europäische Spitzenkandidaten geben. Die SPD hat ihren schon nominiert, den Deutschen Martin Schulz. Die Kanzlerin ist da im Verbund der christlich-konservativen Volksparteien in Europa, der EVP, noch skeptisch, noch nicht ganz festgelegt. Welche Einwände sprechen da noch dagegen?
    Tauber: Es wird einen geben, also darauf haben sich alle Parteien in der EVP-Familie verständigt. Es gibt jetzt mehrere wohlklingende Namen, Herr Barnier, Herr Junker sind genannt. Wir haben als CDU zunächst mal…
    Detjen: Christine Lagarde aus Frankreich …
    Tauber: Genau, also es sind eben mehrere Namen, die genannt werden von verschiedener Seite. Wir haben zunächst als CDU David McAllister nominiert. Das ist unser nationaler Spitzenkandidat.
    Detjen: eben nur der nationale …
    Tauber: Ich weiß, dass der David sich sehr auf den Wahlkampf freut, auch schon sich intensiv vorbereitet, also das wird sehr, sehr spannend. Und in der EVP haben wir einen Fahrplan, wann wir das entscheiden und die Kanzlerin und Parteivorsitzende der CDU, Angela Merkel wird ihre Position da entsprechend in dem Zeitplan, der vereinbart ist, dann auch mit den Freunden versprechen.
    Detjen: Und wer ist aus Sicht der CDU der beste europäische Kandidat? Einige Namen haben Sie genannt. Donald Tusk, den polnischen Premier, kann man noch hinzufügen.
    Tauber: Ja, das Schöne ist ja, dass wir als EVP-Familie viele wohlklingende Namen haben und jeder hat seine Stärken. Für uns steht da im Vordergrund, wir wollen gerne, dass die EVP die stärkste politische Kraft im Parlament wird. Und das ist die Voraussetzung dafür, dass vieles, über das wir jetzt auch schon gesprochen haben, die Vergemeinschaftung von Schulden verhindern, Eurobonds verhindern, dass das gelingt. Weil da die EVP sich schon als einen Stabilitätsanker in Europa versteht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.