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Edmund Stoiber als Wahlhelfer

Die Zeiten als ungelenker CSU-Chef scheinen vorbei zu sein, Edmund Stoiber drehte einen Wahlspot und verweist aufs Internet. Als Ehrenvorsitzender der CSU ist der 71-jährige Edmund Stoiber immer noch für seine Partei im Einsatz. Er hat es auf die jungen Wähler abgesehen und auf die Wahlmüden.

Von Michael Watzke | 12.09.2013
    "So! / Ich hätte bitte gern auch eines. Für Manuela. / Für Manuela. Wo kommen Sie denn her? / Ich bin aus Weilheim."

    Manuela Terlecki, 29, will ein Autogramm von Edmund Stoiber. Darauf hat die Büro-Angestellte fast zehn Minuten in der Besucher-Schlange gewartet.

    "Ich bin ein totaler Politikmuffel. Ich schau weder Nachrichten noch lese ich Zeitung. Und da bin ich heute geschimpft worden, dass ich auf jeden Fall zur Wahl gehen muss. Deshalb bin ich hier. / Dann war das ja sozusagen ein beiderseitiger Erfolg, gell? / Ja, weil Sie mich total überzeugt haben. Hat mich sehr gefreut. / Dankeschön!"

    So gefällt das Edmund Stoiber. 71 Jahre alt – und noch immer junge Fans. Der Ehrenvorsitzende der CSU hat soeben zwei Stunden lang in der Stadthalle von Weilheim in Oberbayern gegen Politik-Verdrossenheit angeredet.

    "Von den 61 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland sagen 20 Millionen: Geht mich nix an! Aus den verschiedensten Gründen. Aber eine Wahlbeteiligung von unter 70 Prozent bei der Bundestagswahl ist für mich kein gutes Zeichen."

    Bei dieser Wahl würde eine niedrige Beteiligung vor allem der Union schaden. Weil sie verhältnismäßig viele junge Anhänger hat – und die geben ihre Stimme seltener ab als die Älteren. Deshalb sieht man Edmund Stoiber nun im jungen TV-Sender Pro7 als bayerischer Grantler verkleidet im Biergarten sitzen. Neben einem putzigen Rauhaardackel.

    "I und wählen? Für wos’n? Die san doch alle gleich. Oana wia da andere! Dafür soll i mei Kreiz macha? Naaa. Drei Kreizel mach i, wenn der Schmarrn vorbei is. Is’ doch eh wurscht, Maxl. Geh weida! / Deine Stimme kann mehr als meckern! Geh’ wählen!"

    Am Ende des Anti-Wahlmuffel-Spots reißt sich Edmund Stoiber den angeklebten Bart aus dem Gesicht, nimmt den Hut ab – und fordert:

    "Meckern reicht nicht. Gehen Sie wählen! Hoffentlich das Richtige."

    Dieser letzte, geflüsterte Satz sorgt bei Alexander Dobrindt für diebische Freude. Dobrindt ist Wahlkampf-Manager der CSU.

    "Dieser YouTube-Film, der hat unglaublich hohe Klickzahlen. Und du sagst am Schluss: Leute, geht’s wählen. Hoffentlich das Richtige. / Es gibt tatsächlich Leute, die sagen, ich hätte unzulässige Wahlwerbung für die Union gemacht. Da kann ich nur sagen … / Wie kann man darauf nur kommen? / Genau!"

    Da grinsen die beiden CSUler vergnügt. Ironie – auch Selbstironie – hat sich Edmund Stoiber erst in den letzten Jahren antrainiert. Er kann jetzt auch mal über sich selbst lachen. Wenn ihm jemand mitten in seiner Rede ein Weißbierglas reicht, sagt Stoiber:

    "Wir wollen … au ja! Wir wollen …"

    Der alte Stoiber hätte höchstens Kamillentee getrunken. Der neue Stoiber sagt Sätze wie:

    "Ja verdammt noch mal, was mich ankotzt …"

    … und er fordert sein zunehmend junges Publikum regelmäßig auf:

    "Ihr müsst heute mal ins Netz schauen!"

    In der CSU positioniert sich Stoiber als Internet-affiner Junge-Leute-Versteher, der sein Lebens-Thema "Schulden-Abbau" vor allem als Beitrag zur Generationen-Gerechtigkeit sieht:

    "Ich kann nicht in einem sich so verändernden Land – die Älteren werden mehr, die Jungen werden weniger – da kann ich nicht noch mehr Schulden anhäufen und die den weniger werdenden Jungen übertragen. Das ist schon eine Frage der Gerechtigkeit. Auch der sozialen Gerechtigkeit."

    Mit solchen Themen punktet Stoiber – der "aktive Ehemalige", wie er sich selbst nennt – vor allem bei Jugendlichen.

    "Er kommt auf jeden Fall gut an, muss ich sagen. Ich darf dieses Jahr noch nicht wählen, ich werde erst drei Wochen nach der Bundestagswahl 18, aber ich bin trotzdem hier gewesen, aus eigenem Interesse. Und er macht eine gute Figur auf der Bühne! / Das war recht witzig. Da hat man mal einen anderen Stoiber gesehen. / Man muss auch dazusagen, dass sehr viele junge Leute der Meinung sind, sie hätten sich sehr gern einen Bundeskanzler Stoiber gewünscht. Und sie wünschen sich den heute immer noch. Weil Edmund Stoiber so eine Kultfigur geworden ist."

    Man muss allerdings auch dazusagen: Es sind vor allem Mitglieder der Jungen Union Bayern, die Stoiber auf seiner Wahlkampf-Tour durch den Freistaat als Kultfigur bejubeln. Und zur ganzen Wahrheit gehört ebenso, dass selbst diese Fans untereinander grinsende Blicke austauschen, wenn Stoiber wieder mal Worte vertauscht, Ääähs in die Länge zieht und andere, typisch Stoiber’sche Ungelenktheiten zeitigt:

    "Wenn Sie ungelenk sagen: Ich glaube, dass die Menschen mein Brennen für Bayern und auch für Deutschland und meine Leidenschaft und Emotion für, äääh, ja, äääh: authentisch gesehen haben."

    Authentisch ist der neue Stoiber 2.0 tatsächlich – bis hin zu seiner nie versiegenden Eitelkeit, mit der der CSU-Ehrenvorsitzende bei jeder Gelegenheit betont:

    "Ich bin nun immer noch – und leider viel zu viel – in Talkrunden, weil ich halt so viele Einladungen bekomme."

    Auch das Autogramme-Schreiben nach seinen mehr als 20 Wahlkampf-Veranstaltungen macht dem 71-jährigen Stoiber nichts aus. Im Gegenteil – die langen Schlangen schmeicheln ihm.

    "Und deswegen werden auch diese Veranstaltungen – Sie haben es heute erlebt, ich erlebe es in ganz Bayern – dass die Säle voll waren, auch wenn es größere Säle waren. Das interessiert anscheinend die Leute."

    Als Edmund Stoibers Parteifreund Michael Glos aus der Politik ausstieg, da fragte er: "Für Trinker gibt es eine Trinkerheilanstalt – gibt es etwas Ähnliches auch für Politiker?" Edmund Stoiber scheint es im Wahlkampf gefunden zu haben.