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Eduard von Keyserling: „Feiertagskinder“
Der deutsche Impressionist

Von Rilke und Thomas Mann wurde er bewundert: Von Eduard von Keyserling sind nun die drei letzten Romane aus den Jahren 1911 bis 1917 und die Erzählung „Feiertagskinder“ erschienen. Ein bewundernswertes Unterfangen, da Keyserlings gesamter Nachlass auf seinen Wunsch hin vernichtet wurde.

Von Christoph Schröder | 01.03.2020
Eduard von Keyserling, Gemälde von Lovis Corinth und das Buch „Feiertagskinder. Späte Romane“
Die Wiederentdeckung des großen Erzählers Keyserling geht weiter (Porträt: dpa/picture alliance/Gemälde von Lovis Corinth, Buchcover: Manesse Verlag)
Mit großem Gepäck und einer Vielzahl an Gesellschafterinnen, Mamsellen und Dienstboten kommt die Reisegruppe in einem Ostseebad an, um dort die Sommerfrische in einem angemieteten Haus zu verbringen: Die Baronin von Buttlär mit ihrer Mutter, der Generalin von Palikow. Dazu die beiden soeben erwachsenen Töchter der Baronin, Lolo und Nini, sowie der fünfzehnjährige Sohn Wedig. Der Baron von Buttlär soll nach Abschluss der Heuernte hinzukommen; ebenso wird Lolos Bräutigam Hilmar von dem Hamm demnächst erwartet.
Unabdingbare Tragödien
Doch die sommerlich-feudale Idylle ist von Beginn an nicht nur gestört, sondern geradezu bedroht: In einem Fischerhaus in Sichtweite hat sich der personifizierte Skandal einquartiert: Gräfin Doralice Köhne-Jasky und ihr neuer Mann, der bürgerliche Maler Hans Grill, erscheinen der feinen Gesellschaft mehr als nur ein Ärgernis zu sein. Den Kindern verbietet man den Umgang mit der geächteten Doralice, die es gewagt hat, ihren Ehemann zu verlassen, um mit dem Maler ein neues Leben anzufangen. Man kennt sich, und doch wird beschlossen, jene fremde Frau Grill, wie sie nur genannt wird, zu ignorieren.
"Wellen", jenes schwebende Sommerbuch aus dem Jahr 1911, ist der wohl berühmteste Roman Eduard von Keyserlings. In einer erzählten Zeitspanne von nur wenigen Wochen entfaltet Keyserling eine langsam, aber unabdingbar voranschreitende Tragödie. Die technische Virtuosität von Keyserlings Erzählen zeigt sich bereits auf den ersten Seiten, in denen die Perspektive unaufdringlich zwischen den einzelnen Figuren hin- und hergeschwenkt wird. Doralice formuliert gegenüber ihrem Geliebten Hans angesichts der Ankunft der von Buttlärs einen vielsagenden Traum:
"Auf Schritt und Tritt das alte Leben. Weißt du, was ich möchte? Dort drüben über dem Meer müsste man eine Hängematte aufhängen können, gerade so hoch, dass die Wellen sie nicht erreichen, aber doch so, dass, wenn ich die Hand herabhängen lasse, ich den Wellen in die weißen Bärte fassen kann, und so, siehst du, könnten, glaube ich, keine Erinnerungen kommen."
Das Meer ist der eigentliche Protagonist von "Wellen". Vor seiner imposanten, zwischen Schönheit und Bedrohlichkeit stetig wechselnden Kulisse spielt sich auf engem Raum ein Drama ab. Das Meer ist Ausdruck des Unberechenbaren, Unkontrollierbaren. Doralices Vorstellung, unbehelligt von der Wildheit der Gegebenheiten existieren zu können, ist eine Illusion, die im Roman selbst erodiert. Von zwei Seiten ist Doralices Beziehung zu Hans bedroht: Zum einen von der Tatsache, dass der Gedanke, man sei als Paar, das sich dem sozialen Codex entzogen habe, automatisch auch frei, ein Selbstbetrug ist. Zum anderen aber nagt der Alltag allzu schnell an der ersten Verliebtheit.
"Wellen" ist ein Roman, in dem es keine Auswege, keine Kompromisse gibt, weil diese noch nicht erfunden sind. Aus seiner Herkunft kommt keiner der Charaktere heraus und erst recht nicht aus seinem Begehren. Die Literaturwissenschaftlerin und –kritikerin Daniela Strigl stellt in ihrem instruktiven Nachwort fest, dass der Movens von Keyserlings Prosa die Libido sei. So wie Hans Grills Energie Doralice aus ihrer Ehe herauskatapultiert, so landet sie selbst kurz darauf in einem neuen Geflecht aus erotischer Anziehung:
"Doralice ließ es geschehen, es war ihr, als fasste das Leben sie mit starken gewaltsamen Armen und trug sie mit sich fort. Wenn Doralice an diese Zeit dachte, empfand sie wieder das seltsame schwüle Brennen ihres Blutes, empfand sie die stete Angst vor etwas Schrecklichem, das kommen sollte, das jeder Liebesstunde auch ihr furchtbar erregendes Fieber beimischte."
Am Ende ist der Maler Hans Grill tot, ertrunken während einer selbstzerstörerischen Fahrt auf einem Fischerboot. Die adelige Gesellschaft ist abgereist; Doralice bleibt allein zurück. Allein wie Keyserling in seiner Beschreibung der stürmischen Nacht und der aufgepeitschten See den Tod des Malers vorwegnimmt, ist paradigmatisch für Keyserlings Fähigkeit zur sprachlichen Malerei:
"Die Nacht war ganz schwarz und schien voll wilden Getümmels, ein Blitz zuckte auf und zeigte für einen Augenblick in einem blauen Lichte das seltsam veränderte Meer. Es erhob sich dort wie große schwarze Mauern, Mauern, die schwankten und stürzten und überall lag es auf ihnen wie bläulicher Schnee."
So unglücklich die Figuren, die dieser Autor erfindet, um sie in ihre goldenen Gefängnisse aus Unentrinnbarkeit zu sperren, auch sein mögen – so glücklich macht die Lektüre dieser Romane die Leser. Es gibt nichts, was Eduard von Keyserling nicht beherrscht. In wenigen Sätzen lässt er ganze Biografien begreifbar werden. Die jahreszeitlichen Stimmungen finden sich bei ihm in prächtige Bilder gefasst und in Deckungsgleichheit gebracht mit der Verfasstheit der Menschen, die in Keyserlings Landschaften mehr gefangen als zu Hause sind.
Prächtige Bilder, aufgeladene Stimmung
Die Romane scheinen gradlinig erzählt, sind aber tatsächlich durchkomponiert und bereiten Ereignisse und Umschwünge anhand von exakt gesetzten Leitmotiven vor. Jedes Detail sitzt, jeder Dialog ist mit Bedeutung aufgeladen, jede Beschreibung ist motiviert. Das erscheint umso erstaunlicher vor dem Hintergrund, dass der erblindete Autor seine Romane nicht selbst niedergeschrieben, sondern diktiert hat.
Keyserlings Romane sind stets auch Erzählungen von Generationenkonflikten. Die Älteren, die Großväter und Väter, halten Werte wie Ehre und Etikette, Tradition und Familie, geradezu verzweifelt aufrecht. Da sie aber gleichzeitig dem Bedeutungsverlust ihres eigenen Standes, "dem heraufdämmernden Ende der alten Welt", wie Daniela Strigl es formuliert, zuschauen müssen oder zumindest eine Ahnung davon in sich tragen, haftet ihnen etwas zugleich Verzweifeltes und Trotziges an. Die Abgeschiedenheit der Schauplätze verstärkt diesen Effekt noch. Das weite Land, das hier beackert wird, ist ein idealer Echoraum für Keyserlings Abgesänge auf eine einstmals stolze Welt. Alles ist morsch; das Leben so sinnlos wie das Sterben.
Hang zur Selbstzerstörung
Sind die damit einhergehenden Erschütterungen in "Wellen" noch dezent arrangiert, so hat der darauf folgende Roman "Abendliche Häuser" etwas Drängendes, Aggressives und auch höchst Unheimliches. Schleichende Dekadenz geht in "Abendliche Häuser" Hand in Hand mit triebgesteuerter Bereitschaft zur Selbstzerstörung – ein Resultat vergeblicher Rebellion gegen das noch so eben aufrecht erhaltene Normengerüst.
Die junge Baronin Fastrade von der Warthe, deren Mutter bei der Geburt ihres zweiten Kindes gestorben ist, verliebt sich in ihren bürgerlichen Hauslehrer Arno Holst. Als die Liaison öffentlich wird, zwingt Fastrades Vater den Lehrer, das Schloss zu verlassen. Zwei Jahre später folgt Fastrade Arno Holst nach Hamburg, wo dieser mittlerweile schwerkrank in einem Hospital liegt, und pflegt ihn bis zu dessen Tod. Kurz darauf stirbt Fastrades Bruder bei einem Duell. Um dem nach einem Schlaganfall im Rollstuhl sitzenden Vater beizustehen, kehrt Fastrade zurück auf das elterliche Schloss.
In der Beschreibung eines Abends kurz nach ihrer Rückkehr inszeniert Keyserling auf subtile Weise die Tristesse, die nicht nur über diesem Haus liegt:
"Das Kabinett neben dem Saal war hell vom Ofenfeuer erleuchtet, vor dem Ofen saß Merlin, der alte Setter, und schaute ernst in die Flammen; als Fastrade eintrat, wandte er den Kopf nach ihr um und schaute sie ruhig an. ‚Merlin‘, sagte Fastrade, da stand er langsam auf, ging zu ihr hin und rieb seinen Kopf sanft gegen ihr Knie; Fastrade musste an die stille, müde Art denken, in der Tante Arabella sie gestern begrüßt hatte. Merlin saß neben ihr und beide starrten jetzt in die Glut, und es war Fastrade, als wäre sie nie fortgewesen, als hätte sie nie aufgehört, zu diesem wunderlichen, alten Hause zu gehören, in dessen dunkelen, verschlafenen Ecken überall eine stumme Klage zu wohnen schien."
Ein Generalthema von "Abendliche Häuser" ist das Aufeinanderprallen zweier Liebesbegriffe. Fastrades gelebter "Karitas", der Wohltätigkeit und Nächstenliebe, setzt Keyserling die dämonische Figur des Barons Dietz von Egloff entgegen. Von Egloff ist ein Getriebener ohne Richtung. Für ihn existieren weder individuelles Glück noch der Gedanke, in einer sinnvollen historischen Kontinuität zu stehen. Er ist ein Abgeschnittener, ein Wurzelloser im Wortsinn. Ein Spieler, der die Wälder abholzen lässt, um seine Schulden bezahlen zu können. Eine Nachtgestalt, die in wildem Ritt durch die leergefegte Landschaft prescht, um seine Lebensumstände, vor allem aber sich selbst aushalten zu können:
"Er bedurfte des weiten Raumes, dieses Lichtes, dieser Bewegung, zu Hause erwarteten ihn doch nur Geldsorgen und widerwärtige Gedanken. Also vorwärts, hinein in den Lichtnebel, vorüber an kleinen Katen, die still unter ihren Schneehauben schliefen, die leere Dorfstraße entlang, auf der nur hie und da ein schläfriger Hund anschlug. Vor einem Kruge hielt er an, um das Pferd einen Augenblick verschnaufen zu lassen. Und in der niedrigen Krugstube qualmte eine Lampe über dem Schenktisch; die schwarze Lene, die Krügerstochter, hatte die nackten Arme auf den Tisch und den Kopf auf die Arme gestützt und schlief ganz fest."
"Abendliche Häuser" ist das atmosphärisch beeindruckende, kalte, winterliche Gegenbuch zu den sommerlichen "Wellen". Und es ist der Beweis dafür, dass Keyserling im Alter sein Schreiben zunehmend radikalisiert hat. In stilistischer Schärfe treibt er die Dinge auf die Spitze: Von Egloff, der Bilderstürmer und Erotomane, macht Fastrade einen Heiratsantrag, den sie zur Überraschung aller und zum Entsetzen ihres Vaters annimmt. Doch von Egloff ist, das muss auch Fastrade erkennen, nicht zu retten. Als sie die Verlobung löst, weil er Lydia, die Frau seines besten Freundes Fritz von Dachhausen, verführt hat, wirft er ihr vor, in kleingeistiger Tugendhaftigkeit zu verharren, anstatt mit ihm den großen Befreiungsschlag zu führen.
Baron Dietz von Egloff wird im Duell seinen Freund von Dachhausen töten und anschließend zunächst sein Pferd und dann sich selbst erschießen. In der Schlussszene sitzen die alten Barone, der eine davon im Rollstuhl, beim Portwein beisammen und versichern sich gegenseitig, dass es nichts Neues in der Gegend gebe und dass nun endlich wieder alles zur Ruhe gekommen sei. Fastrade horcht währenddessen auf das Pochen ihres Herzens und das Fiebern ihres Blutes, wie es heißt. Dass sich nichts verändert hat, glauben tatsächlich nur die alten Männer. Wenn sie es überhaupt glauben und ihr behagliches Lachen nicht schon das Lachen von Gespenstern ist.
Begehren und gesellschaftliche Norm
Keyserlings letztes zu Lebzeiten erschienenes Buch, der Roman "Fürstinnen" aus dem Jahr 1917, treibt den Leerlauf auf die Spitze. In seiner Kongruenz von Inhalt und Form, von äußerer Ereignislosigkeit, Gleichmaß der Tage und stilistischer Klarheit, ist "Fürstinnen" nicht nur Keyserlings umfangreichster, sondern wohl auch sein sperrigster Roman.
Fürstin Adelheid von Neustatt-Birkenstein hat sich nach dem Tod ihres Mannes mit den drei Töchtern Marie, Roxane und Eleonore auf ihr Landgut zurückgezogen. Die beiden älteren Töchter hat sie standesgemäß verheiratet; die jüngste und angeblich etwas kränkliche Marie ist noch auf dem Gut geblieben. Auf der Ereignisebene weit weniger wendungsreich als die beiden Vorgänger, lebt "Fürstinnen" in dramaturgischer Hinsicht von zwei motivisch bereits eingeführten Handlungssträngen: Zum einen ist es wiederum das Aufeinanderprallen körperlichen Begehrens mit den gesellschaftlich verordneten Handlungsmaximen, das sich im Verhältnis zwischen Marie und dem draufgängerischen Knaben Felix von Dühnen spiegelt. Der wagt es eines Tages, Marie aus dem Nichts heraus zu küssen – ein Verstoß gegen die Standesregeln:
"Marie saß regungslos und bestürzt da, das hatte sie nicht erwartet. Es verletzte sie, er war wirklich zu wild, und es fehlte ihm an Subordination. Und doch erschütterte es sie tief, Tränen traten in ihre Augen, sie begann zu weinen, Tränen, die von der Sonne auf den Wangen heiß wurden; sie weinte, weil er sie beleidigt hatte und weil ihr Erlebnis heute zu Ende war und weil sie den großen, wilden Jungen hier unter dem Johannisbeerstrauch so schmerzlich vermisste."
Zum anderen ist es das sich in ungeklärter Schwebe befindliche Verhältnis zwischen der Fürstin selbst und ihrem Berater Graf Donald von Streith. Die Hoffnung der Fürstin, dass von Streith, der als elegante Variante eines Don Quichote beschrieben wird, ihr die Ehe andienen könnte, erfüllt sich nicht. Stattdessen macht er der in jeder Hinsicht plumpen, aber erst achtzehnjährigen Britta den Hof. Die Selbsterkenntnis der Fürstin ist niederschmetternd und folgt der Feststellung Lion Feuchtwangers, nach der Keyserlings Welt eine Welt hinter weißen Vorhängen sei, in der von der Geburt bis zum Tod alles in feste Formen eingeschlossen ist.
Eingeschlossen bis zum Tod
Das Gefühl eines unentrinnbaren Eingeschlossenseins trifft auch auf Irma von Buchow, eine der Hauptfiguren in Eduard von Keyserlings letzter, posthum veröffentlichter Erzählung "Feiertagskinder", zu. Auch in "Feiertagskinder" verbinden sich spätherbstliche Tristesse, die Abgeschiedenheit eines Landguts und die Ausweglosigkeit einer erstarrten Existenz mit Keyserlings sprachlicher Suggestivität.
Ulrich von Buchow, Irmas Ehemann, liebt das Graue und fühlt sich gerade erst dann im besonderen Maße zur Pflichterfüllung bereit, wenn die Umstände freudlos sind. "Feiertagskinder" ist ein Aufbegehren gegen die Maxime, dass das Leben ausschließlich eine harte Schule sei. Und doch löst die Erzählung diese Erkenntnis dann wieder ein. Mit Achaz von Buchow, Ulrichs Bruder, kommen Farbe und Bewegung in die Eintönigkeit. Achaz, ein Diplomat und Spieler, kann sich nur dank Ulrichs finanzieller Zuwendungen über Wasser halten. Doch nachdem Uli, Irmas und Ulrichs siebenjähriger Sohn, an einer Lungenkrankheit gestorben ist, nähern Irma und Achaz sich einander an:
"‚Still, hörst du, jetzt kommt der Wind, wir wollen uns biegen lassen, wie die Birken.‘ Sie saßen still da, und als der Wind in die Tannen fuhr und die Föhren metallisch zu rauschen begannen, da fingen auch Achaz und Irma an sich zu wiegen, sich zueinander zu neigen und sich voneinander fortzubiegen. ‚So ist es gut, so ist es gut‘, rief Achaz, ‚ich fühle die ganze Baumwonne!‘"
Die Birke als ein Symbol der Fruchtbarkeit und Vitalität präfiguriert das weitere Geschehen: Irma verlässt gemeinsam mit Achaz das Gut, ihren Mann und ihre kleine Tochter. Die Angst vor dem Lebensversäumnis ist stärker als die Fessel der Konvention.
"Feiertagskinder" ist eine schmale und großartige Erzählung, in der alle Stärken Keyserlings noch einmal aufscheinen und die vor allem zeigt, dass Keyserling bei aller historischen Überkommenheit der gesellschaftlichen Verhältnisse ein Autor von psychologischer Modernität war. Die Eleganz seines Stils und der Figurenzeichnung erstreckt sich im Übrigen auch auf den verlassenen Ulrich, der am Ende in einer letzten Wende plötzlich als ein bemitleidenswerter Charakter erscheint:
"O wie er sie alle hasste, die da draußen lachten und weinten und mit diesem grausamen, unergründlichen Dinge Leben wie die Kinder spielten. ‚Ihre hellen Wege gehen‘, hatte Irma gesagt, o, er kannte diese hellen Wege, auf die legten sich nur allzu bald die tiefsten Schatten. Nein, er wollte das neue Leben kräftig anfassen, mit der Kandare wollte er es reiten, er wollte der Herr sein."
Zur Tragik all dieser Keyserling’schen Herren gehört es, dass sie zwar spüren, aber nicht glauben wollen, dass sie längst nicht mehr ihre eigenen Herren sind. Die Melancholie, die damit einhergeht, fängt Keyserling ebenso meisterlich ein wie das Aufbegehren und die Wut, die die darauf folgende Generation prägt. Auch darin ist Eduard von Keyserling nicht nur ein fabelhafter, sondern auch ein ausgesprochen gegenwärtiger Autor.
Eduard von Keyserling: "Feiertagskinder. Späte Romane"
Schwabinger Ausgabe, Band 2
Herausgegeben und kommentiert von Horst Lauinger
Mit einem Nachwort von Daniela Strigl
Manesse Verlag, München. 720 Seiten, 28 Euro.