Mittwoch, 24. April 2024

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EEG-Novelle
"Akzeptanz der Energiewende darf nicht kippen"

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hält die Reform der EEG-Umlage für einen vorübergehenden politischen Kompromiss. Die Wettbewerbsfähigkeit einiger Unternehmen sei durch die Novelle immer noch nicht gesichert, sagte Ratsmitglied Harald Bradke im DLF. Gleichzeitig warnt er vor den Folgen von Mehrbelastungen für die Verbraucher.

Harald Bradke im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker | 11.07.2014
    Ein Strommast aus der Froschperspektive
    Das Gesetz zu den erneuerbaren Energien wurde reformiert. (Jan-Martin Altgeld )
    Ann-Kathrin Büüsker: 6,24 Cent pro Kilowatt-Stunde Strom, so viel zahlt jeder von uns für die Energiewende, und zwar in Form der EEG-Umlage. Diese soll jetzt neu aufgestellt werden. Das Gesetz zu den erneuerbaren Energien wurde reformiert. Der Bundestag hat es vor zwei Wochen beschlossen, heute liegt es nun im Bundesrat auf dem Tisch bei der letzten Sitzung vor der Sommerpause.
    Im Mittelpunkt stehen dabei die wirtschaftlichen Aspekte. Jede Menge Zahlen, jede Menge Daten. Das eigentliche Ziel, der Umweltschutz, der kommt dabei allerdings nicht mehr allzu sehr zur Sprache. Deshalb wollen wir ihn jetzt wieder in den Fokus rücken. Ich bin verbunden mit Professor Harald Bradke. Er ist Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen und als solcher auch Mitautor eines Gutachtens zur zukünftigen Gestaltung des Strommarktes. Herr Bradke, Theo Geers hat ja als erstes Ziel der EEG-Novelle genannt, dass der Zuwachs an Ökostrom gesteuert werden soll, also de facto gedeckelt. Wie nachhaltig und umweltfreundlich ist denn so eine Energiepolitik überhaupt?
    "Mehr Planungssicherheit"
    Harald Bradke: Die sind ja nicht nur gedeckelt, sondern sie haben einen Ausbaukorridor, und dieser Korridor gibt Ober- und Untergrenzen an, und wenn wir den Korridor weiterfahren, dann erreichen wir die Ziele der Bundesregierung, also mindestens 80 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050. Und durch diesen Ausbaukorridor kriegen wir mehr Planungssicherheit hin, sowohl für die Erneuerbaren als auch für den Netzausbau und auch für die konventionellen Kraftwerke, die wir ja noch einige Jahrzehnte brauchen werden.
    Büüsker: Die Kohlekraftwerke spielen ja auch weiterhin eine wichtige Rolle im Energiekonzept. Wird es trotzdem klappen mit den Einsparungen an CO2? Was meinen Sie?
    Bradke: Die Kohlekraftwerke sind das große Problem. Aufgrund des Frackings in den USA sind die Kohlepreise sehr stark gesunken, weil die USA nicht das Gas exportieren können, sondern nur die Kohle. Und zusätzlich sind die Zertifikatpreise für den Ausstoß von CO2 in Europa sehr stark gesunken, vor allen Dingen aufgrund der Wirtschaftskrise in Europa, sodass jetzt massiv Kohlekraftwerke laufen, und wichtig ist, wenn wir die CO2-Ziele erreichen wollen, dass wir auch einen Ausstiegsbeschluss für Kohlekraftwerke erreichen.
    Büüsker: Ein weiteres wichtiges Ziel der EEG-Novelle war ja, die Energiewende insgesamt bezahlbarer zu machen, gleichzeitig aber auch ihre Finanzierung zu sichern. Ist das aus Ihrer Sicht mit der neuen Novelle gelungen?
    Bradke: Da kann man natürlich lange drüber streiten. Wichtig ist, dass zum einen die Bevölkerung und auch die Industrie nicht zu stark belastet wird. Ansonsten kippt die Akzeptanz für die Energiewende in der Bevölkerung. Das wäre sehr kontraproduktiv. Zum anderen müssen wir natürlich sehen, dass wir noch energieintensive Industrien in Deutschland halten. Wie hoch genau diese Ausnahmeregelungen sein müssen und welche Betriebe tatsächlich betroffen sind von einem internationalen Wettbewerb, ist eine andere Frage. Aber grundsätzlich müssen wir sehen, dass es noch bezahlbar wird. In den letzten Jahren hatten wir einen etwas unkontrollierten Zubau, der dazu geführt hat, dass es Überangebote gab, dass dadurch die Strompreise an der Börse gesunken sind und indirekt dadurch die EEG-Umlage deutlich gestiegen ist.
    "Das ist im Moment ein politischer Kompromiss"
    Büüsker: Es ist ja jetzt so, dass weiterhin zahlreiche energieintensive Betriebe von der EEG-Umlage ausgenommen werden. Gleichzeitig wird durch das neue Gesetz für den Privatmann eigentlich nichts günstiger. Ist es dann insgesamt überhaupt eine gerechte Lösung?
    Bradke: Darüber ist lange diskutiert worden und die Industrieverbände haben natürlich eine sehr gute Lobby, vielleicht besser als die Verbraucher. Wichtig ist, dass man sehr genau hinguckt, welche energieintensiven oder stromintensiven Branchen betroffen sind. Es gibt Bereiche, wo sehr kleine Auswirkungen, sehr kleine Änderungen im Strompreis schon über die Wirtschaftlichkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, einzelner Industriebetriebe entscheiden können. Da wird man sicherlich in Zukunft noch mal genauer hinsehen, wie viel man Ausnahmen geben kann und wie viele nicht. Das ist im Moment jetzt ein politischer Kompromiss.
    Büüsker: Im Gesetz steht ja viel darüber, wie Strom denn erzeugt werden soll. Es geht auch darum, wie er verbraucht werden soll. Aber es geht kaum darum, wie er denn gespart werden kann. Wäre das nicht vielleicht auch eine Maßnahme im Zuge der Energiewende, dass man flexibler mit dem Stromangebot umgeht und vielleicht auch wieder verstärkt Strom spart?
    Bradke: Ja, auf jeden Fall! Das sind zwei Aspekte, die Sie angesprochen haben: einmal die Flexibilisierung. Es ist sicherlich kostengünstiger, wenn man große, stromintensive Verbraucher wie Aluminiumhütten oder Elektrostahlwerke vertraglich geregelt über einige Stunden bis Tage abschaltet, als wenn man für einige Stunden bis Tage Kraftwerke in Reserve hält, um dann Strom zu erzeugen, wenn mal kein Strom aus Wind und Sonne kommt. Das andere ist natürlich, dass wir mit dem Strom deutlich sparsamer umgehen können. Es gibt noch sehr viele hoch wirtschaftliche Stromeinsparpotenziale in der Industrie und in privaten Haushalten und aller Strom, der nicht gebraucht wird, muss auch nicht erzeugt werden, muss nicht transportiert werden, muss nicht zwischengespeichert werden. Dort muss noch viel stärkeres Augenmerk darauf gelegt werden.
    "Hoch rentable Einsparpotenziale"
    Büüsker: Was wäre denn da Ihr Vorschlag? Wie kann man da die Unternehmen auch mit ins Boot holen, dass sie das mitmachen?
    Bradke: Es gibt Möglichkeiten oder Projekte im Moment, wo die Unternehmen gemeinsam Einsparziele vereinbaren, nachdem sie von speziell geschulten beratenden Ingenieuren analysiert worden sind. Ein großes Projekt mit etwa 360 Unternehmen, die das durchgeführt haben, zeigt, dass die Energieintensität etwa halbiert werden kann, die Energieeffizienz gesteigert werden kann von ein Prozent pro Jahr im autonomen Fall auf etwa zwei Prozent pro Jahr in dem Fall, in dem diese an den Netzwerken teilgenommen haben. Und dass die Einsparinvestitionen sich mit etwa 30 Prozent verzinsen, also hoch rentable Einsparpotenziale vor allen Dingen auch im Strombereich.
    Büüsker: Professor Harald Bradke vom Sachverständigenrat für Umweltfragen. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Gespräch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.