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Eher lahme Technikhistorie

Im vergangenen Jahr sorgte die Filmkomödie "In guten Händen" für Diskussionen um ein Stück Technik, über das sonst eher geschwiegen wird: den Vibrator. Nun legt das Theater nach: Das Stück unter dem Titel "Nebenan - The Vibrator Play" erfuhr seine deutsche Erstaufführung am Cuvilliés-Theater in München.

Von Rosemarie Bölts | 27.02.2012
    Wenn das keine revolutionäre Erkenntnis ist! Thomas Edison, der Erfinder der Glühbirne, ist schuld an der Frauenemanzipation! Den schlagenden Beweis liefert die Aufführung des Stücks "Nebenan – The Vibrator Play", das seine deutschsprachige Uraufführung stilgerecht im Münchner Cuvilliéstheater feierte.

    Viel verschwurbelter Schnickschnack in Gold und Rot, Putten, die am Rokoko-Himmel kleben, unbequeme Zuschauer-Stühle, was hat man da zu erwarten? Eine zweigeteilte Bühne, die eine Hälfte in sterilem Weiß, puritanisch mit einer OP-Liege und akkurat angeordneten Handwerkszeugen an der Wand bestückt. Die andere Bühnenhälfte in Schwarz, nur mit einem Klavier ausgestattet und dem durch riesige Verandascheiben freien Blick auf Garten, in dem aus einer überdimensionalen Calla-Blüte ein Penis ragt, und Naturlandschaft, die fürs wilde Treiben steht. Naturalistische Symbolik, dass es nur so kracht. Hier noch Türen, durch die man offiziell den Raum betritt oder verlässt. Dort der große, weiße Vorhang, hinter dem man verschwinden kann, und der kleine, lila! Vorhang, hinter dem das Unaussprechliche getätigt wird:

    "Hu...huu...hu...- Das war schön, Mrs. Daldry, sehr schön. Wunderbar. Ist dieses Ding nicht ein Wunderwerk?"

    Es geht um die Frühgeschichte des Vibrators, der im "Laboratorium" des Dr. Giving die verklemmte, amerikanische Gesellschaft von 1880 "erlöst". Die Modekrankheit "Hysterie" behandelt der nüchterne Doktor mit einem King-Size-Föhn, dem wahlweise, je nach "Härtegrad" der zu behandelnden Vagina, runde Spülbürsten oder Federbüschel aufgesetzt werden. Der Mann in der Patientenrunde, ein Künstler, also eine Memme, bekommt anal einen Schlagbohrer verpasst. Damit jedoch nicht genug der eindeutigen Rollenzuweisung. Die beiden Gattinnen sind: überdreht, blass, zickig, albern, neugierig, oberflächlich. Sie hopsen und toben durchs Gelände wie zwei pubertierende Schnattergänse. Die Schwarze Amme ist das abgeklärte, ideale Muttertier, und Doktor Givings hochgeschlossene Assistentin entpuppt sich durch ihre mechanische Handarbeit am hysterischen Subjekt als lesbische Alternative im sexuell bestimmten Unglück. Die Männer sind: Draufgänger, Wichtigtuer, Welterklärer und ansonsten heillos überfordert von den Frauen:

    "Die Hand an der Wange, Muskeln, das sind Fakten! Meine Liebe, es stört mich nicht. Kein Grund zur Eifersucht. Und ich hatte gehofft, es stört dich! Catherine? Sprich mich nicht an! Nicht heute! Nicht morgen! Nicht übermorgen!"

    Regisseurin Barbara Weber hat versucht, der hysterischen Misere durch Musical-Einlagen etwas Leichtigkeit zu verschaffen. Aber selbst wenn sie das ganze Stück als Musical inszeniert hätte, hätte das nichts genützt. Die Klischees sind so platt, die Schauspieler so slapstickmäßig, die Inszenierung so holzschnittartig, dass man sich fortwährend nicht im kurfürstlichen Cuvilliés-Schmuckstück wähnt, sondern bei Heidi Kabel auf den Brettern des Hamburger Ohnesorg-Theaters, mit derselben kathartischen Lachsalvenwirkung –nur, dass dann doch, auf Staatstheaterniveau.

    Dass dieses Stück und diese Aufführung irgendwie emanzipatorisch angelegt seien, Thomas Edison dahinter stecken würde und der Vibrator der Ursprung sexueller Befreiung wäre, ist natürlich ein Witz. Ein irreführender.