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Ei aus dem Nest oder aus der Batterie

Gestern hat das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Kleingruppenhaltung von Legehennen untersagt. Hier haben die Hennen zumindest etwas mehr Platz als bisher in den Käfigen. Tierschützer fordern nun ein neues Verfahren.

Von Ludger Fittkau | 03.12.2010
    Kurt Beck hat viel Geduld gebraucht. Vier Jahre ist es her, seitdem der rheinland-pfälzische Ministerpräsident die Klage gegen die Legehennen-Verordnung der Bundesregierung eingereicht hatte. Sie zielte gegen die damals eingeführte "Kleingruppenhaltung" im Käfig, die jedem Tier nur wenig mehr Platz als auf einem DIN-A-4-Blatt eingeräumt. Jetzt muss die Bundesregierung handeln und dem Tierschutz bei der Hühnerhaltung gesetzlich mehr Gewicht geben, fordert Beck:

    "Die Bundesregierung ist aufgefordert, ein völlig neues Verfahren durchzuführen, in dem die Tierschutzorganisationen jetzt ordnungsgemäß angehört werden. Ich denke, es ist ein guter Tag für den Tierschutz in Deutschland. Und ich denke, es ist eine Bestätigung, dass man eben nicht so nebenbei über tierschutzrechtliche Fragen weggehen kann und das an irgendein Gesetz anhängen kann."

    Auch der Deutsche Bauernverband sieht jetzt den Bundesgesetzgeber am Zug. Helmut Born, der Geschäftsführer des Verbandes, glaubt allerdings, dass die seit 2006 erlaubte Kleingruppenhaltung der Hühner in einem neuen Gesetzgebungsverfahren nicht abgeschafft werden muss:

    "Streitig hier ist die Kleingruppenhaltung, von der wir ausgehen, dass sie auch bei einer Novellierung durch den Gesetzgeber Bestand hat oder vom Gesetzgeber jetzt so geregelt wird, dass sie als wirklich moderne und tiergerechte Haltung anerkannt wird und Bestand hat."

    Zehn Prozent der deutschen Legehennen werden zurzeit in Kleingruppen-Käfigen gehalten. Auch in dieser Haltungsform können Hühner nicht artgerecht leben, bemängeln Tierschützer. Der Bioland-Verband, der bundesweit rund 5000 Öko-Landwirte vertritt, sieht nach dem Karlsruher Urteil nun eine Chance auf ein erneutes grundlegendes Verbot der Käfighaltung. Thomas Dosch, Präsident von Bioland:

    "Von etwa 500 Quadratzentimeter pro Legehenne im Käfig ist man auf etwa 800 Quadratzentimeter gegangen, das ist nach wie vor viel zu wenig. Und die Tierschützer bemängeln das natürlich zu Recht, dass es so nicht bleiben kann. Und von daher wird es ganz bestimmt eine neue Diskussion um diese Haltungsform geben."

    Der Bioland-Verband sieht als Konsequenz des neuen Verfassungsgerichtsurteils zur Käfighaltung von Hühnern auch eine Verschlechterung der Marktchancen deutscher Hühnerhalter im Vergleich zur internationalen Konkurrenz. Die mangelhafte Kennzeichnung von Eiprodukten aus Käfighaltung schade deutschen Erzeugern, die ihre Hühner im Freiland halten, so Bioland-Chef Thomas Dosch.

    "Der Verbraucher will keine Eiprodukte von Hühnern aus Käfigen. Beim Frischei sind die Produkte entsprechend gekennzeichnet, das haben die Menschen verstanden. Wir brauchen jetzt auch eine Kennzeichnung für verarbeitete Produkte. Ich kann die Sorgen der Kollegen sehr gut verstehen, die Angst haben, dass eben weniger gut produzierte Eiprodukte aus anderen Ländern nach Deutschland gebracht werden, billig verarbeitet werden und dann in Nudeln oder in anderen verarbeiteten Produkten landen. Also auch auf diese Produkte gehört ein klares Zeichen drauf, damit der Verbraucher weiß, wie die Eier erzeugt wurden, die dort verarbeitet sind."

    Fazit: Das Verfassungsgericht hat also die Diskussion um Käfighaltung von Hühnern neu angestoßen. Wenn dabei unter dem Strich mehr Tierschutz und eine klarere Kennzeichnung der Eiprodukte herauskommen, hat sich vielleicht auch die vierjährige Wartezeit auf das Urteil gelohnt. Streitpunkt bleibt jedoch die sogenannte "Kleingruppen-Käfighaltung" der Legehennen.