Donnerstag, 28. März 2024

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Eifel-Gemeinde Hillesheim
Kindheitserinnerungen statt Krimitour

Krimi-Hotel, Sherlock-Café, Mordgeschichten: Hillesheim in der Eifel ist vor allem unter Krimi-Fans bekannt. Doch der kleine Ort hat weitaus mehr zu bieten: eine beeindruckende Naturlandschaft, den liebevoll sanierten Stadtkern – und für die Autorin besonders schöne Erinnerungen.

Von Marianthi Milona | 01.09.2019
Hillesheim im Abendlicht.
Hillesheim ist das Mekka für für viele Krimi-Fans. Doch Autorin Marianthi Milona verbindet mit dem Eifel-Ort vor allem schöne Kindheitserinnerungen. (imago images / Werner Otto)
"Auf die Frage, was ich denn am Wochenende mit meiner Freizeit zu tun gedachte… Wandeln Sie jetzt auf Sherlock Holmes oder Pater Brauns Spuren?"
Weder auf den Spuren des einen noch auf die des anderen berühmten Detektivs, möchte ich sagen, als meine Schulfreundin Heidi te Baay aus Jürgen Klostermanns Kurz-Eifelkrimi "Mord ohne Leiche" eine Passage vorliest. Der Ort gilt zwar heute als die deutsche Hochburg kriminalistisch-literarischer Topoi, aber unsere Reise nach Hillesheim ist als Reise zurück in die Kindheit angelegt. Damals war das verschlafene Städtchen der Vulkaneifel geprägt von bäuerlichem Flair, von Blasmusikkapellen an Festtagen und getragener Orgelmusik während der Sonntags-Gottesdienste.
Ebenso überwog eine betörende Stille inmitten einer ländlichen Idylle. Mit einfach guten Menschen, geprägt von einer selbstverständlichen Freundlichkeit.
Unser Wochenende in der 3000-Seelengemeinde Hillesheim ist ein Wochenende der Erinnerungen. Und die Protagonisten - nicht Detektive aus einem Eifelkrimi, die die brave Region der Vulkaneifel in Aufruhr versetzen, sondern drei sich treugebliebene Schulfreundinnen: Astrid Boemer, Heidi te Baay und ich. Vierzig Jahre sind seit unserem letzten Wiedersehen vergangen. Grund genug, so dachten wir, unsere eigenen Spuren in die Vergangenheit zurück zu verfolgen. Und zu sehen, was aus unserem hübschen kleinen Heimatort in der Zwischenzeit geworden ist. Erste Station: das alte Augustinerkloster. Freundin Heidi, hat sich mit der Entwicklung des Gebäudes auseinandergesetzt.
Heide te Baay: "Wir stehen hier vor dem Augustinerkloster, was tatsächlich früher ein richtiges Kloster war, aber dann später als Landwirtschaftsschule genutzt wurde und auch der Realschule Räume bot. Zu der Zeit waren auch schon Künstler, die dort gewohnt haben, zum Beispiel die berühmte Malerin Christine Henn, die aus der Region kommt. Bis es dann zum Hotel umgebaut worden ist."
Wir betreten die alten Räume eines inzwischen modern eingerichteten Hotels. Im quadratisch angelegten Innenhof, in dem wir einst während der Schulpausen Fangen spielten, ist heute ein schöner, überdachter Frühstücksraum entstanden. An diesem Tag sind viele Wochenendgäste da. Wir vermuten, dass sich unter ihnen ganz sicher viele eingeschworene Wander- und Kriminalgeschichten-Fans befinden, die auf den Spuren der Eifelkrimi-Helden wandeln möchten.
Preisgekrönte Stadtrenovierung
Freundin Astrid, die heute im Großraum München lebt, erfuhr darüber zum ersten Mal von ihrer Mutter: "Die mir auch den ersten Eifelkrimi geschenkt hat… und dann meine Schwester. Und interessant finde ich, dass ich in Bayern jetzt in den letzten Jahren immer wieder angesprochen werde: Ach du kommst doch aus der Eifel! Da spielt doch ‚Mord mit Aussicht‘! Oder das kommen doch die Eifelkrimis her. Das habe ich in 20 Jahren vorher nicht erlebt."
"Und wenn du dann noch erzählst, ich komme sogar aus dem Ort, wo das Ganze stattfindet, was sagen sie dann?"
"Dann sind sie eher ganz baff! Ja, dann ist das Interesse groß und wenn die Leute dann erfahren, wie Hillesheim sich auf die Kriminalgeschichten spezialisiert hat, dass es eben ein Kriminalhotel, usw. gibt. Ja, sind sie ganz interessiert und überlegen sogar, ob sie vielleicht dann doch mal in die Eifel kommen."
Das Krimi-Haus in Hillesheim.
Hillesheim in der Vulkaneifel gilt als Krimi-Hochburg - und hat sich ganz darauf eingestellt. (imago stock&people)
Noch bevor wir mit unserem Rundgang in Hillesheim beginnen, frage ich die beiden, ob sie sich an das alte Hillesheim überhaupt noch erinnern können? Freundin Heidi meint:
"Hillesheim war ein kleiner Marktort. Der Kern mit der Kirche usw. war noch gar nicht erschlossen. Da gab es ziemlich alte Häuser, noch viele Misthaufen. Ich kann sagen, es war wirklich nicht schön. Und bei den Maßnahmen von der europäischen Städtekampagne für die Stadterneuerung, wurde Hillesheim in seinem Stadtkern total renoviert, neu aufgebaut, moderner gestaltet. Es wurde alles attraktiver. Die Stadtmauer wurde renoviert. Und die haben tatsächlich auch einen Preis gewonnen."
Wenn Astrid an das Hillesheim von früher zurück denkt, dann erinnert sie sich gerne an die reiche Naturlandschaft, mit dem dazugehörigen kleinen angrenzenden Wäldchen.
"Das eindrücklichste Sinneserlebnis in der Natur, was ich mit der Eifel erinnere, ist ein Herbstwald. Das Rascheln der Blätter, ich hab das geliebt als Kind durch diese Blätter durchzufegen und sie aufzustöbern, dass sie eben dieses Knistern von sich geben. Der ganz besondere Duft des feuchten Waldbodens, der Tannen, also dieser Waldduft. Und auch die Geräusche: Die Vögel, der Specht, der Kuckuck, das ist sehr intensiv. Und einmal bin ich einem Hirsch begegnet, Auge in Auge. Der ist durch den Wald getrappt und ich bin kurz stehen geblieben, weil ich dachte: Was höre ich da? Dann höre ich so ein richtiges Tadam, Tadam, Tadam, und ehe ich mich umdrehe: Woher kommt das Geräusch? Blickt mir ein wirklich kapitaler Hirsch ins Auge. Ich weiß nicht, wer von uns beiden mehr erschrocken war."
"Wir wohnen da, wo Milch und Honig fließen"
Kurze Zeit später laufen wir entlang der Hauptstraße. Wir sehen, dass viele alte Geschäfte, neuen, moderneren gewichen sind. Heidi erinnert sich ganz besonders an das Geschäft eines alten Ehepaares, in dem wir als Kinder immer willkommen waren.
Wir verlassen die Hauptstraße und folgen einem schmalen Weg. Nach ungefähr fünf Minuten haben wir unsere alte Realschule bereits erreicht. Freundin Astrid bemerkt sofort, dass sich zum Glück die Umgebung kaum verändert hat.
"Wir sehen einen kleinen Bach, der früher der Milchbach hieß. Der hieß Milchbach, weil dort vom Milchwerk die Milch reingeflossen ist. Und wir haben gesagt, wir wohnen da, wo Milch und Honig fließen. Die Schule liegt umgeben von grünen Wiesen. Im Moment sehen wir wunderschöne Pusteblumen darauf. Es gibt Bäume, man hört ja auch die Vögel. Es gibt mehrere Ahornbäume. Was ist das? Das ist eine Kastanie, ne? Tannen. Der Bach ist gesäumt von Hecken. Üppiges Grün drum herum. Also alles in allem eine sehr idyllische ruhige Lokation, wo man sehr gut lernen kann."
Weiter geht’s Richtung Grundschule. Wir laufen dabei entlang eines kleinen Wiesentals und stehen plötzlich vor dem vermutlich bekanntesten Haus unserer Heimatstadt. Es ist direkt an der Außenseite der mittelalterlichen Stadtmauer erbaut, so als wäre es dort vom Bauherrn regelrecht festgeklebt worden. Keine Postkarte Hillesheims, auf der es nicht zu sehen ist. In Garten sehen wir die Besitzerin, Frau Mastiaux. Und diese kann nach einem kurzen Moment sich dann doch noch ganz gut an uns erinnern.
Nur wenige Schritte davon entfernt, geht es über eine große Treppe etwas weiter hinauf. Und wir erreichen das Gebäude, in dem unsere Freundschaft begann: die Grundschule von Hillesheim.
Heidi te Baay: "Sieht noch genauso aus wie früher! Unsere Klasse im dritten Schuljahr. Aber wir saßen andersrum. Ach schau mal, den Nebenraum gibt’s auch noch. Wir haben dich immer interviewt und du hast mit einer Engelsgeduld das griechische Alphabet immer erzählt, wenn wir es wieder vergessen hatten. Und was ich so schön fand und mich daran erinnern kann, war, wenn du dann kamst, und das hat der Herr Meier gesagt, so dann kümmert euch auch um Marianthi."
Hexeturm, Schießschachte, Kanonen
Hinter der Grundschule geht es dann noch ein Stück weiter hinauf Richtung Stadtmauer. An berühmten Marktplatz legen wir einen kurzen Zwischenstopp ein. Und Freundin Astrid erinnert uns, wie der Kuhhandel früher abgewickelt wurde.
Astrid Boemer: "Früher waren hier noch so Eisenstangen, wo die Kühe, Kälber und Pferde angebunden waren, wenn hier Viehmarkt war. Ich kann mich noch erinnern als Kind, wie die Viehhändler in ihren Arbeitsklamotten dort standen und den Viehhandel dort abgeschlossen haben. Da ging es so, dass die immer sagen 100, 80, 70. Bei jedem neuen Gebot wurde an die Hand geklatscht, einer gegen die Hand des anderen. Und wenn man sich einig war, dann schlug man richtig zu einem Handschlag ein. Und dann war der Kauf getätigt und das war der Kaufvertrag. Man brauchte nichts zu unterschreiben. Nein, das war gültig. Der Handschlag galt.
Luftaufnahme von Hillesheim in der Vulkaneifel.
Der Ortskern von Hillesheim aus der Luft, vorne erkennt man die historische Stadtmauer. (imago images / Hans Blossey)
Hinter dem Marktplatz betreten wir einen kleinen romantisch angelegten Weg, der uns schließlich zum inneren Stadtmauerbereich führt. Mit Blick auf einen schönen Park, gibt es Bänke zum Verschnaufen. Jetzt ist Freundin Heidi wieder an der Reihe.
Heidi te Baay: Den Turm, den wir vor uns sehen, das ist der Hexenturm. Da wurden anscheinend früher die Hexen eingesperrt, oder die man als solche hielt. Mit Sommersprossen, rothaarige Frauen. Kanonen sind noch da, es gibt Schießschachte, da wurde auch von da aus verteidigt. Das geht bis zum Mittelalter zurück."
Freundin Astrid ist vom Anblick der Mauer ganz besonders ergriffen: "Also ich bin immer wieder erstaunt nach dieser langen Zeit hier her zu kommen und zu sehen, wie schön, sie das hergerichtet haben. Die Freilichtbühne ist super geworden und die gesamte Länge der Stadtmauer, der Wehrgang nennt man das glaube ich, ist hergerichtet worden, so dass man da rauf steigt und die gesamte Mauer abgehen kann, um in die Gegend zu schauen."
Am Ende kommt es uns vor, als wäre die langersehnte Reise in unsere Vergangenheit sehr rasch vergangen. Aber uns allen ist klar, es bleibt etwas, dass wir mit nehmen wollen: Die gemeinsamen Erinnerungen, die nur uns gehören. Und der Entschluss, uns bald wieder in Hillesheim zu treffen. Allerdings wissen wir auch, Hillesheim wird für uns niemals der Ort der Krimischauplätze werden. Es wird ein märchenhafter Ort sein, von kindlichen Träumen und romantischen Erinnerungen.
Astrid Boemer: "Das ist auf jedem Fall etwas, das verbindet. Das merkt man ja bei diesem Spaziergang, wie viele Erinnerungen aufkommen. Kannst du dich an das oder das erinnern? Das ist schon sehr berührend wieder her zu kommen."