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"Eigentlich ziemlich geräuschlos und unspektakulär!"

G 8, so lautet die Abkürzung für das Abitur nach zwölf Jahren, ist in einigen Bundesländer zum Schimpfwort geworden. Nicht so in Sachsen-Anhalt. 2003 hatte die schwarz-gelbe Landesregierung beschlossen, das zwölfjährige Abitur wieder einzuführen, 2007 konnten die ersten Turboabiturienten entlassen werden. Sachsen-Anhalts Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz erklärt den Umstellungsprozess.

Von Susanne Arlt | 21.11.2009
    "Eigentlich ziemlich geräuschlos und unspektakulär!"

    Jan-Hendrik Olbertz, Kultusminister von Sachsen-Anhalt, bringt es kurz und bündig auf den Punkt. Die Umstellung auf das zwölfjährige Abitur funktionierte in seinem Bundesland nahezu geräuschlos. Weder die Schüler noch die Eltern hätten sich großartig dagegen gesträubt, erinnert sich der Kultusminister, der die Diskussionen um das Turboabitur in den westdeutschen Bundesländern nicht so recht nachvollziehen kann:

    "Die Gründe, die angeführt worden sind für ein 13. Schuljahr seinerzeit, die hätte man genauso gut auch für ein 14. oder 15. anführen können, denn in der Wissensgesellschaft gibt es immer das Problem, das man viel zu viel Wissen hat und gar nicht alles vermitteln kann. Also ohnehin auf methodische Qualifikation und Lernkompetenz setzen muss und auf eine geschickte exemplarische Auswahl, man kann sowieso nicht alles lehren."

    Die Akzeptanz gegenüber G8 ist nach Meinung des Kultusministers im Osten Deutschlands wesentlich ausgeprägter als im Westen, denn das zwölfjährige Abitur gab es schon zu Zeiten der DDR. Das war ein Pluspunkt für uns, sagt Olbertz. Ein anderer, viel ausschlaggebender Aspekt, sei jedoch die sorgfältige Vorbereitung gewesen. Man habe zum Beispiel mit den einzelnen Gymnasien besprochen, ob für das doppelte Abiturjahr 2007 ein oder zwei Prüfungszeiten gelten sollten. Das zwölfjährige Schulkonzept wurde nicht hinter verschlossen Türen besiegelt, sondern immer in Absprache mit den Schulträgern und auch den Eltern, betont Olbertz:

    "Und der dritte Punkt, wo die Umstellung wirklich gut geglückt ist, ist, dass in der gymnasialen Oberstufe zwischendurch Jahrgangsübergreifende Gruppen gebildet wurden. Das heißt, für die gymnasiale Oberstufe haben wir die Schüler aus dem alten und dem neuen Modell in vielen Fächern auch gemeinsam lernen lassen und es dann sozusagen gleitend gestaltet. So dass es auch gar nicht gewesen ist, dass bestimmte Schüler einem Auslaufmodell angehörten und bestimmte schon einem neuen und deswegen ist das auch so relativ reibungslos gelaufen."
    In der Übergangsphase haben Schüler der neunten und zehnten Klasse gemeinsam die Schulbank gedrückt. Kaum einer der Jugendlichen habe sich somit zurückgesetzt gefühlt, glaubt Kultusminister Olbertz. Akribisch habe man die vorgeschriebenen 265 Jahreswochenstunden eingehalten. Am Samstag gibt es keinen Unterricht, dafür sind die Schultage innerhalb der Woche eben länger. Wer trotz allem lieber in dreizehn Schuljahren sein Abi absolvieren möchte, der kann dies in Sachsen-Anhalt an den integrierten Gesamtschulen machen. Doch den Vorwurf, die Bildung komme bei einem zwölfjährigen Abitur insgesamt zu kurz, hält Kultusminister Jan-Hendrik Olbertz für falsch:

    "Also ich nehme diesen Gedanken schon sehr ernst. Ich glaube nur, dass das was in der Bildung an Kontemplation und Muße notwendig ist, nicht von der Zeitdauer der schulischen Bildung abhängt, sondern von der inneren Struktur der Lehrpläne und von einer intelligenten Stoffauswahl."


    Ganz so problemlos wie Kultusminister Olbertz die Umstellung schildert, ist sie nach Einschätzung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft nicht: 1000 Schüler haben innerhalb der Umstellungsphase eine Klasse wiederholt, betont Vorsitzender Thomas Lippmann. Auch die Gymnasiastin Luisa Amelie Schumann findet, dass mit dem zwölfjährigen Abitur der schulische Druck gewachsen ist. Im kommenden Jahr will die siebzehnjährige ihr Abitur am Domgymnasium in Magdeburg absolvieren. Seit der elften Klasse fühle sie sich manchmal ein bisschen überfordert, sagt sie, vor allem in den Fächern Mathe und Geschichte:

    "Das heißt, dass wir in Mathe keine Zeit haben, um Sachen zu wiederholen. Sondern dass wir im Prinzip durch den Stoff einmal durchmüssen und wir haben auch keine Zeit, falls es mal große Probleme geben sollte es innerhalb der Schule zu machen. Das führt jetzt dazu, dass wir regulär Förderunterricht haben für die zwölfte Klasse."

    Und kann sie wegen einer Erkrankung eine Woche lang nicht die Schule besuchen kann, spüre sie, wie viel Stoff sie verpasst habe, sagt Luisa Amelie Schumann. Trotz allem findet es die Schülerin besser, nur zwölf Jahre lang zur Schule gehen zu müssen. Eine Schulfreundin pflichtet ihr bei:

    "Also ich sehe das als Vorteil, dass wir mit zwölf Jahren fertig sind, weil ich dann einfach ein Jahr mehr Zeit habe, dass ich noch ein freiwilliges soziales Jahr machen kann, ich habe mehr Zeit für mein Studium und ich finde eigentlich, dass die dreizehn Jahre nicht nötig sind."

    Schulleiter Dietrich Lührs sieht das genauso. Im Vergleich schlössen die Abiturienten am Magdeburger Domgymnasium nach zwölf Jahren genauso gut ab wie nach dreizehn Jahren, sagt Lührs:

    "Hier in Sachsen-Anhalt hatten wir schon einmal zwölf Jahre Abitur. Wir hatten auch die notwendigen Strukturen, sprich Mittagsversorgung, wir kannten das Modell den ganzen Tag Schule zu machen, weil es eben in den Nachmittag hinein ging, das ist im Westen anders gewesen, dort war häufig mittags Schluss, und insofern ist das eine Umstellung die nicht nur den Stoff betrifft, sondern überhaupt den Schulalltag, ich denke, das dass das eigentliche Problem ist."