Donnerstag, 28. März 2024

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Ein anderes Bewusstsein einfordern

Die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen, will den Museen mehr Handlungsmöglichkeiten für ihren eigenen Bestand einräumen. Allerdings dürfte etwa mit dem Verkauf von Gemälden und alten Schriften nicht der Haushalt einer Stadt saniert werden.

Moderation: Michael Köhler | 24.09.2006
    Michael Köhler: Als das Juwel des Kunstmuseums Krefeld, Claude Monets Gemälde "Parlamentsgebäude von London", zur Finanzierung von Sanierungsschäden verkauft werden sollte, war der Aufschrei in den Feuilletons groß, machte aber ein zunehmendes Problem deutlich: Es geht an den Bestand, ans Tafelsilber der Museen.

    In Karlsruhe sollen nun voraussichtlich kostbare mittelalterliche Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe verkauft werden. Von einer Summe im oberen zweistelligen Millionenbereich ist die Rede - wir reden über Euro. Leeren sich also die Schatzkammern deutscher Museen langsam aus Not? Die Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen, habe ich gefragt: Kennen Sie einen Ausweg, wie man das Kulturgut halten kann?

    Isabel Pfeiffer-Poensgen: Wir müssen einen Ausweg sehen. Und ich glaube, dass auf der einen Seite, finde ich schon, muss es möglich sein, dass in eng gesetzten Grenzen und auch in ganz definierten Fällen ein Museum seine Bestände verändert, um meinetwegen Sammlungen zu arrondieren, positiv ausgedrückt.

    Köhler: Sie sagen "in eng gesetzten Grenzen". Es gibt ja so etwas wie einen Kodex des Museumsbundes, der so etwas vorsieht?

    Pfeiffer-Poensgen: So ist es. Der aber noch nicht, offensichtlich - darüber habe ich vergangene Woche auch mit dem Museumsbund gesprochen -, noch nicht die Verbreitung gefunden hat, auch die Kenntnis, die wir uns wünschen würden.

    Und wir sind gerade dabei, etwas vorzubereiten, um das genau jetzt öffentlich zu thematisieren, um Museen für ihren eigenen Bestand auch Handlungsmöglichkeiten einzuräumen, nachdem die finanzielle Lage fast aller großen und auch kleinen Museen in Deutschland das nicht mehr zulässt. Grenzen sind aber da gesetzt, wo es darum geht, andere Dinge zu finanzieren. Und da denke ich, muss auch ein ganz anderes Bewusstsein wieder eingefordert werden.

    Köhler: Also "andere Dinge", das heißt, ich darf nicht ein Gemälde verkaufen, um damit ein kaputtes Dach zu reparieren?

    Pfeiffer-Poensgen: Oder noch weitergehend: Um den Haushalt einer Stadt zu sanieren. Denn das sind natürlich im Moment auch sehr konkrete Nöte, in denen Städte - und auch die Bundesländer stehen alle mit großen Schuldenbergen und der klaren Ansage: Wir wollen uns sozusagen entschulden und wir wollen unseren Kindern und Kindeskindern keinen riesigen Schuldenberg hinterlassen.

    Aber die Frage ist eben: Wie erreichen? Und es kann nicht sein, dass dann wesentliche und identitätsstiftende Bestände meinetwegen eines regionalen Museums auch - es geht ja nicht immer um die großen Häuser - dafür verkauft wird.

    Köhler: Sie sagen "es kann nicht sein". Aber wir erleben solche Fälle in Krefeld, aber auch in Karlsruhe, wo voraussichtlich Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek im oberen zweistelligem Millionenbereich verkauft werden sollen. Egal, ob das jetzt tatsächlich passieren wird oder nicht, als Horrorvision ist es da. Was kann eine Landeskulturstiftung, eine Kulturstiftung der Länder und eine Bundeskulturstiftung da tun? Sind die überhaupt die richtigen Ansprechpartner?

    Pfeiffer-Poensgen: Ich denke schon, dass wir als Stiftung, die sich ja genau den Kunstwerken von nationalem Rang verpflichtet fühlen, da ihre Stimme erheben muss, und natürlich versuchen wir auch, darauf einzuwirken. Sie nennen zwei Fälle, die sehr, sehr unterschiedliche Vorgeschichten haben und Bedingungen haben.

    Jetzt, um bei dem Karlsruher Beispiel zu bleiben, wissen wir heute noch nicht, welche Handschriften jetzt konkret hier in diese genannte Diskussion kommen. Da müssen wir nun einfach auch seriös bleiben und das genau aufklären.

    Köhler: Aber es gibt doch den Bedarf auf dem internationalen Markt - und der ist groß. Und naturgemäß werden mittelalterliche Handschriften nicht mehr, sie werden weniger.

    Pfeiffer-Poensgen: So ist es. Und hier, finde ich, ist zum Beispiel die Frage der Identitätsstiftung und der Bedeutung für die Geschichte des Landes Baden - um bei dem Beispiel zu bleiben - genau zu klären. Und ich denke, es gibt eine Reihe von Handschriften, die dürfen das Land nicht verlassen.

    Und wir müssen jetzt miteinander überlegen, wie man durch gemeinsame Anstrengungen - und das wäre ja dann vielleicht auch nicht das erste Mal, dass so etwas in Deutschland gelingt - von vielen, auch privaten Unterstützern, zumindest die wesentlichen Dinge in Deutschland gehalten werden. Aber da sind wir völlig am Anfang. Die sind ja noch nicht mal definiert bisher.

    Köhler: Frau Pfeiffer-Poensgen, Sie sagen gerade etwas Wichtiges: Gemeinsame Anstrengungen. Sie und ich erinnern sich an einen Fall, wo das gelungen ist - geradezu spektakulär. Es war im Dezember 1983, als in einer Anstrengung von Bund, Land Niedersachsen, Bayern, Stiftung Preußischer Kulturbesitz, private Spender das Evangeliar Heinrich des Löwen - damals das teuerste Buch der Welt, 32 Millionen D-Mark, das ist über 20 Jahre her - erworben werden konnte und nach Braunschweig kam. Warum ist das jetzt nicht mehr möglich?

    Pfeiffer-Poensgen: Das wissen wir ja noch nicht, ob es nicht möglich ist. Und es wird ja auch sehr viel nach wie vor für die Museen angekauft. Da könnte ich Ihnen ganz viele Beispiele zum Literaturarchiv in Marbach, Beethoven-Haus in Bonn mit wesentlichen Autogrammen und und und. Also es gibt schon auch sehr viele positive Beispiele. Man muss jetzt vielleicht nicht zu pessimistisch das betrachten.

    Trotzdem haben Sie sicherlich Recht, dass in der öffentlichen Wahrnehmung, auch im Bewusstsein vielleicht eben auch da es eine Veränderung der Werte gibt, die eben das Engagement vieler für andere Dinge stärker erscheinen lässt als meinetwegen für solche national und kulturhistorisch, kunsthistorisch besonders bedeutsamen Kunstwerke.

    Köhler: Wird das Gesetz zum Schutz von Kulturgut daran etwas ändern.

    Pfeiffer-Poensgen: Das hoffe ich zumindest. Es würde aber auch erfordern, dass eben auch alle dann in Verantwortung stehenden staatlichen Stellen auf Bundes- wie auf Länderebene sich sehr stark für dieses Thema engagieren. Und ich finde, auch das müssen wir einfordern.