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"Ein begehrtes Ziel für Einbrecher"

Der Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes, Jürgen Kohlheim, hat sich strikt gegen ein Verbot der Aufbewahrung von Schusswaffen zu Hause ausgesprochen. Würden die Waffen zentral in einem Schützenverein gelagert, wäre das Risiko eines Einbruchs viel höher als bei der dezentralen Lagerung. Eine große Anzahl von Waffen und Munition an einem Ort wären "ein begehrtes Ziel für Einbrecher", sagte Kohlheim.

Jürgen Kohlheim im Gespräch mit Bettina Klein | 13.03.2009
    Bettina Klein: Schärfere Kontrolle der Aufbewahrung von Waffen und Munition. Das ist nach dem Amoklauf in Winnenden eine der wichtigen Fragen, die sich stellt, eine der Fragen, die wir mit den Schützenvereinen besprechen sollen, sagte Innenminister Schäuble gerade, und das wollen wir auch direkt umsetzen. Wir sind jetzt verbunden mit Jürgen Kohlheim. Er ist Vizepräsident und Waffenrechtsexperte des Deutschen Schützenbundes. Guten Morgen, Herr Kohlheim.

    Jürgen Kohlheim: Einen schönen guten Morgen.

    Klein: Lassen Sie mich zunächst fragen: Spüren Sie eigentlich so etwas wie eine Mitverantwortung für das schreckliche Geschehen in Winnenden?

    Kohlheim: Eine Mitverantwortung sicherlich nicht. Wir spüren natürlich auch die Trauer. Wir sind betroffen und wir können es eigentlich alle gar nicht fassen, was hier passiert ist, weil dies so außergewöhnlich ist und weil es für mich auch als Vater von Kindern nicht nachvollziehbar ist, dass ein junger Mann sein Leben wegwirft und dabei eben auch noch viele andere Unschuldige mit sich nimmt.

    Klein: Der Sohn des Mannes, der Mitglied bei den Schützen ist, durfte die Waffen benutzen. Ist das eigentlich normal in Schützenvereinen?

    Kohlheim: Nein. Es ist grundsätzlich so, dass in einem Schützenverein Jugendliche unter Aufsicht, vor allen Dingen auch unter Aufsicht eines zur Kinder- und Jugendarbeit befähigten und lizenzierten Trainers schießen können. Dies bedeutet aber nicht, dass sie die Waffen dann anschließend an sich nehmen oder mit nach Hause nehmen dürfen. Das geht nicht. Es bleibt eine Waffe, die im Verein verbleibt, und ein Minderjähriger, so wie der Schütze hier, kann grundsätzlich keine Waffe, keine eigene Waffe erwerben.

    Klein: Kontrollieren Sie das?

    Kohlheim: Das kontrollieren die Behörden! Die Voraussetzungen für den Waffenerwerb - einer großkalibrigen Pistole - legen fest, dass ein Schütze mindestens 21 Jahre alt sein muss. Und wenn er unter 25 Jahre alt ist, dann wird sogar ein fachpsychologisches Gutachten gefordert, ob er die erforderliche Eignung für den Umgang mit Waffen besitzt. Dies prüfen die Ordnungs- beziehungsweise die Polizeibehörden nach, wenn der Betreffende die anderen Voraussetzungen, nämlich Zuverlässigkeit, Alter, was auch Voraussetzungen sind, die die Behörden überprüfen, und eben auch ein Bedürfnis geltend gemacht hat. Das heißt, er muss darlegen, dass er die Waffe für seine schießsportlichen Zwecke braucht. Aber ein 17-Einhalbjähriger kommt grundsätzlich eigentlich nicht an eine eigene Waffe heran.

    Klein: Aber er kam an die Waffen des Vaters. Die Waffen sind im Tresor zu verschließen, getrennt von der Munition. Das ist Gesetzeslage, wenn ich richtig verstehe. Das ist in Winnenden nicht so gewesen. Wer kontrolliert das? Kontrollieren Sie es überhaupt?

    Kohlheim: Grundsätzlich können die Behörden die ordnungsgemäße Aufbewahrung der Schützen kontrollieren.

    Klein: Kontrollieren Sie es als Verein?

    Kohlheim: Wir als Verband sind verpflichtet, unsere Vereine auf die Einhaltung der waffenrechtlichen Vorschriften zu kontrollieren. Das machen wir auch. Aber wir können natürlich keine Kontrolle ausüben über den einzelnen Schützen. Dafür ist in dem Waffengesetz die Zuständigkeit der Behörde geregelt.

    Klein: Das heißt, Sie schieben den Schwarzen Peter jetzt zu den Behörden und sagen, die müssten eigentlich Stichproben durchführen, oder wie verstehe ich das?

    Kohlheim: Nein, das ist kein Schieben eines Schwarzen Peters. Nur wir haben gar nicht die Möglichkeiten, bei jedem einzelnen der 1,5 Millionen Mitglieder, die wir haben, in irgendeiner Form die Aufbewahrung zu kontrollieren. Das geht einfach nicht und das hat auch mit Schwarzem Peter gar nichts zu tun. Wir weisen unsere Schützen bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass sie die Vorschriften der Aufbewahrung sorgsamst beachten werden, weil daran auch ihre Zuverlässigkeit hängt. Wer seine Waffen nicht ordentlich aufbewahrt, ist unzuverlässig und hat zu befürchten oder zu gewärtigen, dass die Waffenbesitzkarte widerrufen wird und er seine Waffen abgeben muss und er dann den Sport an den Nagel hängen kann.

    Klein: Herr Kohlheim, die Minister des Innern und der Justiz, Schäuble und Zypries, sehen die Schützenvereine, auch den Deutschen Schützenbund in der Verantwortung, sich stärker für diese Kontrolle zu engagieren. Sie sagen jetzt, wir haben die Möglichkeit gar nicht.

    Kohlheim: Wir haben keine Möglichkeit dahingehend, dass wir gewissermaßen Kontrollpersonen als Deutscher Schützenbund in die einzelnen Haushalte der 1,5 Millionen Schützen schicken. Das geht nicht. Das Waffengesetz sieht eben auch ausdrücklich vor, dass dies Aufgabe der Behörde ist, die auch die erforderlichen Möglichkeiten hat, dann in die Wohnung eines Schützen hineinzugehen.

    Klein: Aber wenn Sie zustimmen und sagen, das muss in Zukunft stärker kontrolliert werden, damit eben solche Amokläufe nicht passieren, was wäre denn Ihr Vorschlag, wie man das kontrollieren kann?

    Kohlheim: Das ist natürlich jetzt schwierig, da konkrete Vorschläge zu machen. Sie können natürlich auch nicht von der Behörde verlangen, dass sie jeden Tag jeden Schützen aufsucht. Und das, was hier passiert ist, dass ein Schütze ganz offensichtlich bewusst die erforderlichen Aufbewahrungsregelungen nicht eingehalten hat, das kann auch unmittelbar nach der Kontrolle passieren. Wenn sich die Behörde anmeldet und kommt, dann hat der Schütze natürlich seine Waffen ordnungsgemäß aufbewahrt. Das schließt aber nicht aus, dass aus Unachtsamkeit oder aus welchen Gründen letztlich auch immer dann jemand die Regelungen, die rechtlichen Regelungen nicht einhält. Dafür kann niemand seine Hand ins Feuer legen.

    Klein: Das spricht doch nun aber wiederum dafür, dass es eben doch Sinn haben würde, dass man die Lagerung von Munition und Waffen in Privathaushalten verbietet.

    Kohlheim: Nein, weil das Risiko, wenn sie das Ganze in einem Schützenverein lagern, viel größer ist. Wir haben hier eine dezentrale Aufbewahrung, die sich aufgrund der sehr scharfen Vorschriften im Grundsatz bewährt hat. Wenn sie Waffen und Munition in die Schützenhäuser verlagern, dann haben sie das Problem, dass sie dort eine große Ansammlung von Waffen haben, die ein begehrtes Ziel für Einbrecher sind oder für Leute, die sich Waffen beschaffen wollen, denn Schützenhäuser liegen nicht irgendwo unmittelbar in der Mitte der Stadt, eines Ortes, sondern sie liegen meistens am Ortsrand, sie sind grundsätzlich nicht bewohnt und wenn am Sonntagabend der Vorsitzende das Schützenhaus abschließt und dann am Mittwochnachmittag zum Training wieder aufschließt, dann hätte jemand, der sich Waffen beschaffen will, genügend Zeit, dies zu tun. Da helfen auch noch so große Sicherheitsvorkehrungen nicht.

    Klein: Das heißt, Sie sagen aber auch, Sie können an der Situation eigentlich nichts ändern und die Gesellschaft muss mit diesem Risiko leben?

    Kohlheim: Es ist ein Restrisiko, was wir ja in vielen anderen Bereichen auch haben. Wir können immer nur daran appellieren, dass Gesetze eingehalten werden. Wir sehen auch in vielen anderen Bereichen: wenn Sie an die vielen Zahlen der kriminellen Taten denken, die wir ja leider auch hier in diesem Lande haben, dann wird deutlich, dass grundsätzlich scharfe Gesetze kriminelle Taten nicht verhindern können. Wir können nicht verhindern, dass sich jemand außerhalb der Grenzen des Gesetzes stellt. Und wenn ich das noch sagen darf: Wenn die Waffe im Schützenverein aufbewahrt würde und der Täter dort ja auch einging, was hätte ihn denn bei seinem Plan gehindert. Er wäre am Vormittag ins Schützenhaus gegangen, hätte sich eine Waffe zum vorgeblichen Schießen auf der Schießstätte aushändigen lassen und hätte vielleicht als erstes die Aufsicht und den Schützenmeister erschossen und hätte dann seine Bluttat angerichtet.

    Klein: Herr Kohlheim, wir müssen leider zum Ende kommen. Ich bedanke mich für das Gespräch. - Das war Jürgen Kohlheim, der Vizepräsident des Deutschen Schützenbundes. Danke Ihnen für das Gespräch und einen guten Tag.