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Ein "bisschen Austritt" gibt es nicht

Katholisch bleiben, aber keine Kirchensteuer zahlen? Eine neue – vom Vatikan gebilligte – Regelung schließt das kategorisch aus. Wer fortan die katholische Kirche verlässt, wird nicht exkommuniziert, aber die Rechtsfolgen entsprechen genau jenen der Exkommunikation: keine Sakramente, kein Taufpate, möglicherweise auch keine kirchliche Beerdigung.

Von Matthias Gierth | 21.09.2012
    Mehr als 125.000 Katholiken haben ihrer Kirche im vergangenen Jahr in Deutschland den Rücken zugekehrt. Natürlich spielen dabei finanzielle Erwägungen einer Rolle; aber in der Regel geht dem Gang zum Amtsgericht oder Standesamt eine längere Entfremdung von der Kirche voraus.
    Die Möglichkeit, den Austritt vor einer staatlichen Behörde zu erklären, stammt noch aus dem Kulturkampf, als Bismarck den Einfluss der katholischen Kirche begrenzen wollte. Die Bürger sollten sich öffentlich von ihrer bisherigen Religionsgemeinschaft distanzieren und damit auch der Kirchensteuerpflicht entledigen können.

    Der Vatikan allerdings hat dieses deutsche Modell nie wirklich verstanden. Vor allem wollte Rom nicht akzeptieren, dass die Erklärung des Kirchenaustritts allein vor einer weltlichen Instanz für eine Exkommunikation – die Aberkennung aller kirchlichen Rechte – ausreichen sollte.
    Diesen seit Jahren schwelenden Konflikt machte sich so mancher zunutze. Der Kirchenrechtler Hartmut Zapp erklärte 2007 seinen Austritt aus der katholischen Kirche "als Körperschaft öffentlichen Rechts". Zugleich jedoch betonte er, sich weiter als gläubiges Mitglied der katholischen Kirche zu verstehen.

    Hätte diese Auffassung den Segen Roms erhalten, die Folgen wären enorm gewesen: Auch ohne Kirchensteuer zu zahlen, hätte jeder Kirchenmitglied bleiben können. Doch beim Geld hört der Spaß bekanntlich auf.

    Selbstverständlich hat das, wie es in Rom heißt, bei der jetzigen Neuregelung keinerlei Rolle gespielt. Aber natürlich weiß man in der Ewigen Stadt nur zu gut, dass ohne pecunia aus Germania so manche vatikanische Festakademie reichlich mager ausfallen würde. Fakt ist jedenfalls, dass mit dem jetzigen Dekret der Bischofskonferenz zum Kirchenaustritt niemand mehr behaupten kann, zwischen Rom und der deutschen Kirche bestünde Dissens.
    Wer fortan die katholische Kirche verlässt, erhält einen Brief von seinem Pfarrer. Der weist darauf hin, dass der Gläubige mit seiner Austrittserklärung vor dem Staat gegen die Pflicht verstößt, die Kirche finanziell zu unterstützen. Zwar wird der Pönitent nicht exkommuniziert, aber die Rechtsfolgen des Austritts entsprechen zufällig genau jenen der Exkommunikation: keine Sakramente mehr, kein Taufpate, möglicherweise auch keine kirchliche Beerdigung.

    Alles bleibt beim Alten – und doch ist alles anders. Sage keiner, dass Rom und das katholische Kirchenrecht es nicht schon immer verstanden haben, pragmatische Lösungen zu finden.

    Ein Nachsatz noch: Die Regelung gilt partikularrechtlich allein für die deutsche Kirche. Von soviel römischem Verständnis für hiesige Eigengesetzlichkeiten kann man sonst nur träumen.