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Ein Dandy in Teheran

Die Hauptfigur des Romans "Softcore" ist ein weit gereister Flaneur, ein Dandy mit Schwäche für alles Exotische. Über dreißig Jahre nach der Revolution kommt er, ein junger Iraner, in sein Heimatland zurück, um dort eine Galerie für Kunst zu eröffnen.

Von Claudia Cosmo | 22.08.2008
    Wie es sich für einen ordentlichen Dandy gehört, präsentiert er sich dem Leser als leicht gelangweilt und kokettiert mit seiner kosmopolitischen Lebensauffassung. Das haben Hauptfigur und Autor gemeinsam. Die literarische Figur heißt wie der Autor: Tirdad. Der Autor präsentiert Tirdad als einen Besserwisser. Dieser brüstet sich damit, in Lagos aufgewachsen zu sein und einer mondänen, intellektuellen Familie zu entstammen.

    Einen besonderen Stellenwert nimmt Tirdads Tante Zsa Zsa ein, die in den Jahren vor der Revolution in Teheran zur intellektuellen Elite gehörte und nun auf dem Land lebt. Der Roman spielt hauptsächlich in Teheran. Der Autor entwirft in seinem Debüt ein leicht orientalisch-märchenhaftes Szenario, das von der mitteilungsbedürftigen Hauptfigur aufgebrochen wird. Dieser möchte man manchmal einfach nur den Mund zuhalten, wenn er sich nicht entscheiden kann, ob er erzählt oder doziert.

    "Was dazu kommt, ist, dass man nie so genau weiß, erstens wie viel davon stimmt, denn der Roman besteht aus so einer Reihe von Moleskin-Notitzbüchern und der Erzähler, dieser Tirdad gibt auch ganz offen zu, dass er zu eitel wäre, um alles ganz wahrheitsgetreu aufzuschreiben, und dann kommt noch hinzu, dass er eine Arbeitgeberin hat, eine gewisse Stella, die gewisse Sachen manchmal umschreibt, neu schreibt, und so weiß man nicht genau, was wirklich stimmt von seinen Anekdoten, von seinen intellektuellen Angebereien. Offensichtlich wollte ich es, dass es kein sympathischer Erzähler wird, sondern eher so ein unausstehlicher, leicht rassistischer, leicht frauenfeindlicher, opportunistischer Sack!"

    Der ist allerdings aber mit einer gehörigen Portion Humor und einen makabren Sinn für Ästhetik ausgestattet. Einmal knallt eine betrunkene Freundin mit dem Kopf auf eine Glasplatte und blutet aus der Kopfwunde. Tirdad erinnern die Blutspritzer auf dem Teppich an das Actionpainting eines Jackson Pollock.

    Der Protagonist prahlt gerne mit seinem antrainiert wirkenden Wissen und versieht seine Erzählungen immer wieder mit unterschwelligen Anspielungen; zum Beispiel auf Künstler wie die Iranerin Shirin Neshat, den Dandy Lord Byron oder den US- amerikanischen Schriftsteller Bret Easton Ellis.

    Trotzdem ist der Blick der Hauptfigur auf sich und die Welt immer kalt. Echte Gefühlsregungen wie Freude und Aufregung kann er nicht empfinden. Obwohl sein Vorhaben doch etwas Spektakuläres und Aufregendes darstellt: Es geht um die Wiederbelebung eines heruntergekommenen Lokals.

    Vor der islamischen Revolution besaß seine Tante Zsa Zsa das "Promessa", die angesagte Cocktailbar Teherans. Dort trafen sich der Schah, seine Anhänger und sein Geheimdienst Savak, Revolutionsfanatiker, Kommunisten, Trotzkisten und Künstler.

    "Promessa klingt halt verheißungsvoll, und wenn man von Versprechen spricht, mittlerweile, setzt man ein versprechen mit einer gewissen Enttäuschung in Verbindung. Wenn man etwas verspricht, dann ist sofort ein kleiner Subtext an Verdacht mit dabei, seitens des Rezipienten des Versprechens. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass wir wissen, dass die Dinge alle sehr im Fließen sind und vieles sich von dem einen auf den anderen Tag verändert. Und dass ein Versprechen fast schon eine Anmaßung ist."

    Dieses legendäre, leerstehende Lokal möchte die Figur Tirdad in einen Showroom für Kunst umwandeln. Alles konzentriert sich auf die bevorstehende Neu-Eröffnung des "Promessa"

    "Es gibt einige Orte auch in Euro-Amerika, wo es sensationell wäre, wenn plötzlich Videoinstallationen auftauchen würden, und Teheran, das ist eine Stadt mit zwölf Millionen Einwohnern. Und da ist die Frage, warum es nicht früher schon passiert ist. In den 70ern war auch schon eine beträchtliche Kunstszene vorhanden. Die Königsfamilie interessierte sich sehr für Kunst und hat sehr viel Geld darin investiert, einerseits durch Import von moderner Kunst und andererseits in die Infrastruktur, die gibt es immer noch. Es gibt ganz prächtige Museen, aber das jetzige Regime interessiert sich mächtig wenig dafür, was allerdings auch einen Freiraum bietet. Diese Impotenz der Kunst bietet dann auch so eine Marge, in der man sich bewegen kann."

    Als Kurator und Ausstellungsorganisator beschäftigt sich der Autor Tirdad Zolghadr auch mit der iranischen Kunstszene und ist ein versierter Kenner der dortigen Verhältnisse und der Mentalität. Bei seinem Romanhelden tauchen diesbezüglich Zweifel auf.

    Immer wieder erreichen ihn E-Mails oder kurze Notizen seiner Freundin Stella, die wie ein Phantom durch die Geschichte geistert. Sie ist diejenige, die von Außen her das Galerieprojekt vorantreibt und ihren Freund Tirdad steuert. Oder nimmt letztendlich Tan Christhuber, ein alter Familienfreund, mit Firma in der Schweiz, den entscheidenden Einfluss auf die Galerieeröffnung?

    Neben Tan und Stella verschafft sich auch ein gewisser Tarofi Macht über den jungen Protagonisten. Tarofi repräsentiert eine politische Klasse im Iran, die sich von Revolutionsanhängern hin zu braven Reformisten entwickelt haben.

    "Es ist so, dass ich das Verhältnis zwischen diesen drei Figuren und dem Protagonisten...da hatte ich so Diagramme und Skizzen, wer mit wem unter einer Decke steckt und wer wen manipuliert, und hatte vor, am Schluss im Zuge eines Finale Furioso dann alles ganz klar transparent auffliegen zu lassen, was nicht ganz so passiert, so ein Aha-Moment wollte ich den Lesern nicht ganz gönnen. Somit ist das Verhältnis zu Stella und Tarofi und den anderen nicht ganz klar."

    Der Hauptfigur Tirdad ist zunächst auch nicht klar, warum er nach einer abendlichen Spritztour auf dem Moped zusammen mit einer Freundin festgenommen wird und ins Gefängnis muss.

    Tirdad schießt ein Foto eines schönen Blumenladens. Aus Versehen fotografiert er gleichzeitig den Palast der Revolution, der sich hinter dem Laden befindet. Den Revolutionspalast zu fotografieren ist streng verboten.

    Vergleichbar mit Christian Krachts Roman "1979" läuft auch in Tirdad Zolghadrs Roman "Softcore" alles auf eine Auslöschung hin. Bei Zolghadrs Held lösen sich zwar keine Berluti- Nobelschuhe wie bei Krachts Figuren auf. Jedoch scheint die Romanfigur Tirdad immer mehr die Kontrolle über sein Kunstprojekt zu verlieren. Auch sein Verhältnis zur Heimat bleibt zwiespältig.

    "Der Protagonist hat ein Verhältnis, dass sich nicht so leicht psychologisieren lässt...weil sein Heimatgefühl so eng mit seinem professionellem Leben verwoben ist, Und was er jeweils an Nostalgie oder an Sentimentalitäten von sich gibt, das ist immer von der Situation abhängig, in der er gerade steckt, und man kriegt ab und zu das Gefühl, dass dieser Iranfimmel ein bisschen beliebig ist. Was den vergleich zu Christian Kracht angeht, so glaube ich, dass der Gebrauch von Markenartikeln gleich ist, das ist interessant, weil er etwas sagt über Kultur, über Markensafaris im allgemeinen, also unser Appetit auf Reisen in unbekannte Gefilde, ich glaube, da lässt sich mit so einer gewissen Markenspielerei der Kulturkonsum mit anderen Vorzeichen besprechen, so dann irgendwann einmal plötzlich Teheran als Markenartikel oder Beirut, meinetwegen auch Hamburg vergleichbar ist mit Berluti oder Kleenex oder was auch immer."

    Tirdad Zolghadr hat mit "Softcore" einen bizarren und sprachlich anspruchsvollen Roman über den Kunstbetrieb geschrieben, in dem eine Hand die andere wäscht und alle geschäftig zu sein scheinen, ohne zu wissen, für wen sie eigentlich arbeiten.

    Das Mitreißende im Roman ist der Schauplatz Teheran, ein bizarrer Ort zwischen Tradition und Moderne.