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Ein Eiland zeigt der Welt den Weg

Anstatt auf ein brauchbares globales Abkommen zum Klimaschutz zu warten, fangen einige Umweltbewusste lieber bei sich vor der Haustür an, die Welt zu verändern. So wie auf der dänischen Insel Samsö. Dort wird der gesamte Energieverbrauch aus regenerativen Energien gewonnen.

Von Marc-Christoph Wagner | 28.11.2011
    "Mein Traktor und mein Auto fahren mit Rapsöl. Auf dem Dach des Hauses haben wir Sonnenzellen und dann habe ich Anteile an einem Windrad erworben. All unsere Energie auf dem Hof beziehen wir aus erneuerbaren Quellen."

    Erik Andersen ist Bauer. Auch mit 65 denkt er noch lange nicht an ein Dasein als Rentner. Noch immer ist er von Pioniergeist durchdrungen:

    "Ich möchte mich den Regeln der Natur anpassen und nicht umgekehrt. Es ist viel zu einfach, das ganze Gift zu spritzen. Wir wissen doch gar nicht, welche Folgen das alles haben wird, das wird sich erst in vielen Jahren zeigen. Ich befürchte, eines Tages werden wir für diese ganze Chemie teuer bezahlen."

    Es sind Menschen wie Andersen, die das kleine Eiland Samsö weit über Dänemark hinaus bekannt gemacht haben. Ende der 1990er-Jahre wurde die Idee geboren, den gesamten Energieverbrauch der Insel aus regenerativen und – so weit möglich – lokalen Quellen zu erzeugen. So werden Fernwärmekraftwerke, die durch Stroh und Holzspäne befeuert werden, gebaut. Solaranlagen und jede Menge Windräder. Mittlerweile ist dieses Projekt zu einem Teil der Identität der knapp 4000 Inselbewohner geworden, sagt Jens Peter Nielsen von der Samsö-Energieakademie:
    "Ganz bestimmt. Und das hat vor allem damit zu tun, dass man die Bürger von Anfang an in das Projekt miteinbezogen hat. Sie hatten die Möglichkeit, Anteile an Windrädern zu kaufen, für den Anschluss an das Fernwärmenetz haben sie lediglich einen symbolischen Preis zahlen müssen, Strom und Heizung sind heute günstiger als zuvor. Zudem hat das Energieprojekt viel mit regionaler Entwicklung sowie der Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort zu tun. Das meiste, was auf die Beine gestellt wurde, wurde von Handwerksbetrieben auf der Insel ausgeführt. Und auch bei den größeren Projekten, etwa der Errichtung des Fernwärmenetzes, haben wir stets darauf gedrängt, dass die auswärtigen Unternehmen lokale Handwerker beschäftigen. Und das ist uns auch weitgehend gelungen."

    Nur wenige Jahre später hatten die Inselbewohner ihr Ziel erreicht. Der Import fossiler Brennstoffe wurde um die Hälfte reduziert. Als Kompensation für das noch immer verbrannte Öl und Benzin etwa durch Autos hat man einen Windpark ins Meer gebaut. Dieser produziert sehr viel mehr grünen Strom, als auf Samsö selbst benötigt wird, und speist die Überschüsse ins nationale Netz ein. Unter dem Strich kommt somit eine positive Energiebilanz für die Insel heraus. Bleibt die Frage, ob das Modell Samsö das Potenzial hat, zu einem Modell Dänemark, ja gar zu einem weltweiten Vorbild zu werden? Jens Peter Nielsen geht einen Augenblick in sich:

    "Das ist eine schwierige Frage. Ich denke, wenn man ein solches Projekt unvoreingenommen angeht, wenn man dezentrale Kraftwerke etabliert und die Zahl der Windräder erhöht, dann könnte man ein gutes Stück weit vorankommen. Natürlich kann man sich nicht nur auf die Windräder verlassen, aber da gibt es ja neue Technologien – Wasserstoffzellen und Elektrolyse –, bei denen man Energie auch speichern kann, bis man sie braucht. Ich denke, man könnte sehr weit kommen."