Freitag, 29. März 2024

Archiv

Sogenannte Querdenker
Ein Fall für den Verfassungsschutz?

Angesichts der anhaltenden Proteste der "Querdenken"-Bewegung und zunehmender Gewalt im Umfeld der Demonstrationen werden die Rufe nach dem Verfassungsschutz lauter. Kritiker werfen den "Querdenkern" offene Demokratiefeindlichkeit vor.

Von Volker Finthammer | 03.12.2020
"Wenn ich groß bin, möchte ich Virolügin werden - Querdenker“, steht auf dem Schild eines Mannes, der an einer Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung teilnimmt.
Demonstration gegen die Corona-Politik der Bundesregierung (dpa)
Es kommt nicht von ungefähr, dass die Verfassungschutzbehörden der Länder darüber nachdenken, die sogenannte "Querdenken"-Bewegung ins Visier zu nehmen So wirft etwa der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, wirft den "Querdenkern" offen Demokratiefeindlichkeit vor.
"Das funktioniert in Schwaben immer gut..."
Im ZDF sagte Blume am Morgen: "Sie greift die Demokratie an. Das haben sie schon sehr früh getan. Ken Jebsen war hier auf einer der ersten Demonstrationen. Max Otte hat davon gesprochen, dass das Bargeld abgeschafft werden sollte. Das funktioniert in Schwaben immer gut als Verschwörungsvorwurf. Und jetzt kommt dann eben noch dazu, dass zum Beispiel eine verfassungsgebende Versammlung einberufen wurde durch den Michael Ballweg. Es wird sich mit einem Reichsbürger-König getroffen. Also da muss sich schon fragen, wer es jetzt noch nicht sehen will, wie gefährlich diese Bewegung ist und wie die sich radikalisiert, der möchte es offensichtlich gar nicht wahrnimmt."
Thomas Strobl (CDU), Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration von Baden-Württemberg, spricht während der Landespressekonferenz Baden-Württemberg. 
Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) warnt vor dem zunehmenden Einfluss von Extremisten und Verfassungsfeinden in Reihen der "Querdenker" (picture alliance/dpa - Sebastian Gollnow)
Derzeit sei "Querdenken 711" kein Beobachtungsobjekt, teilte das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württembergs mit. Aber bereits vor rund einer Woche hatte auch Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) im Innenausschuss des Landtags vor dem zunehmenden Einfluss von Extremisten und Verfassungsfeinden in Reihen der "Querdenker" gewarnt.
Treffen von "Querdenkern" und "Reichsbürgern"
Der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, Stephan Kramer, rechnet bereits damit, dass die Bewegung bald als Verdachtsfall eingestuft werden könnte. Hintergrund sei ein Treffen von den Organisatoren der "Querdenken"-Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen mit Angehörigen der Reichsbürgerszene im thüringischen Saalfeld.
"Weswegen wir uns mit der Frage als Verfassungsschutz auseinandersetzen müssen: Handelt es sich hierbei bei den Querdenken-Demonstrationen bei den Organisatoren nicht schon längst auch um für den Verfassungsschutz relevante extremistische Bestrebungen?"
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan Kramer rechnet damit, dass die "Querdenker"-Bewegung bald als Verdachtsfall eingestuft werden könnte (picture alliance / dpa / Mario Gentzel)
Die Einstufung als Verdachtsfall würde es dem Verfassungsschutz ermöglichen, nachrichtendienstliche Mittel bei der Beobachtung und Informationsgewinnung einzusetzen. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte wiederholt gefordert, dass der Verfassungsschutz die "Querdenken"-Bewegung genauer unter die Lupe nehmen sollte. Der bayerische Verfassungsschutz sieht die "Querdenken"-Bewegung als möglichen Nährboden für staatsfeindliche Bestrebungen. Bislang findet aber keine genauere Beobachtung statt.
"Querdenken"-Gründer Michael Ballweg hält derweil die Vorwürfe für unbegründet: "Wir sind keine politische Bewegung und auch keine Partei. Wir sind eine demokratische Bewegung aus der Mitte der Gesellschaft mit einer großen Vielfalt."
Das Bremer Verwaltungsgericht hat heute einen Eilantrag gegen das Verbot einer für Samstag geplanten Großdemonstration der Bewegung abgelehnt. Das Verbot sei verhältnismäßig und erforderlich. Dem Demoaufruf sollten bis zu 20.000 Teilnehmer folgen. Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte unter dem Verweis auf die Anstrengungen im Kampf gegen die Corona-Pandemie als "hanebüchen und geradezu irre" bezeichnet, was da unter Leugnung aller Fakten und Gefahren in Bremen geplant sei. Der Streit wird jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht der Hansestadt ausgetragen.