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Ein fast sakraler Ort zum Lesen und Staunen

Lichtdurchflutet, modern und für jeden offen - das ist die Stuttgarter Stadtbibliothek. Vor allem aber für ihr Konzept als innovativer Lernort unter anderem mit Hausaufgabenhilfe auf Deutsch und Türkisch hat das Haus den Titel "Bibliothek des Jahres" erhalten.

Von Michael Brandt | 07.08.2013
    Von außen ist die neue Stuttgarter Stadtbibliothek ein paar Meter hinter dem Hauptbahnhof zunächst mal ein beeindruckendes Gebäude. Ein heller Würfel mit 72 Lichteinlässen aus Glas auf jeder Seite. Aber noch beeindruckender ist das Bauwerk, wenn es man es betritt. Nach einem schlanken Eingangsbereich mit der Medienrückgabe kommt man zwangsläufig in das sogenannte Herz des Gebäudes:

    "Toll, bin jetzt zum ersten Mal hier, gefällt uns von außen und von innen"

    "Ich bin erstaunt, dass die sich hier so einen großen Luftraum geleistet haben. Für nichts eigentlich, ohne Inhalt, ohne Zweck."

    Tatsächlich ist der 14 mal 14 mal 14 Meter große Raum leer, aber ohne Zweck ist er deswegen noch lange nicht. Vielmehr ist er für Bibliothekschefin Christine Brunner ein fast sakraler Raum.

    "Er ist inspiriert aus der klassischen Architektur aus dem Pantheon und steht dafür, dass man in eine ganz andere Welt eintritt, wenn man in eine Bibliothek geht, in eine wie unsere."

    Diese Welt beginnt oberhalb des Herzens und sie ist offen, lichtdurchflutet und seit Neustem preisgekrönt. Unter anderem für ihr Konzept als innovativer Lernort. Und zunächst mal stehen hier 500.000 Medien: Bücher, CDs, DVDs, Noten, Grafiken. Sie können ausgeliehen werden, sie können aber auch in angenehmer Atmosphäre gelesen, gehört und angeschaut werden. Und die Stadt Stuttgart hat sich viel einfallen lassen, um den Raum für die verschiedensten Menschen attraktiv zu gestalten. Zunächst mal für Kinder. Für die ganz Kleinen gibt es ein eigenes Zimmer, in dem an diesem Morgen eine Kita-Gruppe gekommen ist.

    "Wir sind mit Kindern unter drei von der Kindertagesstätte da, auch öfter, weil einfach das Angebot an Büchern so schön ist und es einfach schön ist für Kinder."

    Für größere Kinder gibt es begehbare Bücherschränke mit kleinen Ausstellungen und richtig interessant ist es für Schüler, so Maike Jung von der Bibliothek.

    "Die Schüler kommen hier nachmittags nach der Schule. Dann sind alle Gruppenräume belegt. Für die Schüler ist das hier ein Ort, wo sie ohne Ablenkung lernen können. Das ist denen ganz wichtig."

    Darüber hinaus bietet die Bibliothek, wenn nicht gerade Ferien sind, Hausaufgabenhilfe an, auf Deutsch und auf Türkisch, Einführungskurse in die Recherche und nicht nur freien Internetzugang, sondern auch jede Menge Computerarbeitsplätze und sogar 120 Notebooks, mit denen sich jeder, der einen Bibliotheksausweis hat, einen Platz zum Lesen, Arbeiten oder Spielen suchen kann.

    Und sogar für Studenten, die ja eigentlich ihre Uni-Bibliotheken haben, ist die Stadtbücherei attraktiv. An diesem Morgen sind schon eine Reihe Arbeitsplätze besetzt:

    "Ich studiere Fahrzeug- und Motorentechnik und ich lern gerade für Informatik. Es ist ganz schön hier und einfach ruhiger als an der Uni"

    "Ich lern hier Dienstleistungsmanagement. Das ist ein Fach aus den Wirtschaftswissenschaften. An der Uni bei uns in Hohenheim gibt’s jetzt nicht die großen Möglichkeiten zum Lernen, weil da alles ein bisschen kleiner ist."

    "Die Atmosphäre ist anders. Es ist ein bisschen heller, freundlicher. Da läuft das Lernen ein bisschen besser."

    Und auch sonst gibt es in dieser Bibliothek ungefähr alles, was man sich vorstellen kann und noch eine ganze Menge mehr: Kunstinstallationen im Herz, regelmäßige Autorenlesungen und sonstige Veranstaltungen rund um die Literatur, Workshops des Chaos Computer Clubs zum Beispiel zur Datensicherheit bei Android-Handys, die man sich anschließend als Podcast runterladen kann.

    "Der Vorteil beim gerouteten Handy ist, ich kann ein Teil der Applikationen zusätzlich blockieren oder kann selektiv sagen: darf oder darf nicht."

    Man kann sich Kunstwerke ausleihen, im hauseigenen und von der Caritas betriebenen Café günstig essen und trinken, sich nicht nur während der langen Öffnungszeiten von neun bis neun, sondern auch in der Nacht oder an Sonntagen Bücher ausleihen, man kann alte Vinylplatten in MP3s verwandeln, im Klangstudio selbst geschriebene Noten einscannen und am Keyboard komponieren, man kann auf das 40 Meter hohe Dach der Bücherei steigen, und einen spektakulären Ausblick auf Stuttgart und die zahlreichen Baustellen rund um den Mailänder Platz genießen:

    "Für Kinder ist das total interessant. Das ist wie so ein Wimmelbuch. Da läuft mal ein Bauarbeiter rum, da steht ein Kran, hier gehen gerne Väter mit ihren Kindern hin."

    Die Auszeichnung als "Bibliothek des Jahres" hat die Stuttgarter Bibliothek unter anderem bekommen, weil sie den schwierigen Stadtteil für die Menschen geöffnet hat und das ganze Viertel hinter dem Bahnhof neu belebt und öffnet. Und das ist augenscheinlich gelungen. Seit der Eröffnung im Oktober 2011 waren rund 3,6 Millionen Menschen in dem Gebäude. Pro Tag kommen im Schnitt 3500.