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"Ein fauler Kompromiss"

Der Maler Daniel Richter sieht die Vorgänge in Zusammenhang mit der Zukunft des Hamburger Gängeviertels als das Gegenbeispiel von aktiver Stadtplanung. Man mache sich zum Spielball höherer Mächte wie einer Finanzbehörde und Investoren.

Daniel Richter im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 21.10.2009
    Stefan Koldehoff: Wir berichten über die Reaktionen der Künstler im Hamburger Gängeviertel, die dort womöglich bald ihre Ateliers verlassen müssen. Über die Situation der Künstler im historischen Hamburger Gängeviertel haben wir gestern schon berichtet, seit Ende August besetzen rund 200 von ihnen – mit dem Einverständnis des Senats – das historische Areal, um es zu erhalten und dort zu arbeiten. Ein niederländischer Investor hat aber einen Vertrag mit der Stadt geschlossen und nachdem es lange so aussah, als könne er diesen nicht erfüllen, wurde nun gestern der Eingang der ersten Kaufpreisrate bekannt und damit womöglich der Anfang vom Ende der kulturellen Zwischennutzung.

    Kultursenatorin Karin von Welck hat gestern in dieser Sendung angekündigtt, sie wolle die Künstler auch weiter unterstützen und mit dem Investor über eine Lösung verhandeln, die auch deren Interessen, die der Künstler nämlich, berücksichtigt – in Gestalt einer Mischnutzung.

    Frage nun an den Maler Daniel Richter, Schirmherr der Besetzungsaktion im Hamburg: Wäre das ein denkbarer Kompromiss?

    Daniel Richter: Also, ich kann jetzt nicht für die anderen jungen Künstler sprechen, aber meiner Meinung nach hört sich das nach einem faulen Kompromiss an und es lenkt auch so ein bisschen ab von den Verfehlungen vonseiten der Stadt, also speziell jetzt der Finanzbehörde, gar nicht so sehr der Kultursenatorin, der ich ihr Engagement glaube.

    Ich glaube, dass – wenn man aus der grundsätzlichen Kritik an dem, wie Stadtpolitik in Hamburg funktioniert und wie da rumgepfuscht wird, so was macht wie einen Kompromiss, dass man jetzt irgendwie da so eine Mischnutzung hat mit dem Investor, der vorher geplant hat, das abzureißen –, dass man sich damit keinen Gefallen tut. Davon abgesehen, dass es jetzt meiner Meinung nach außer Spekulationen darüber keinerlei Anlass gibt zu glauben, dass es dieses Interesse vonseiten des Investors wirklich gibt. Es gibt ja auch eine andere Information, nach der gar nicht dieser Investor für diese Zahlung zuständig ist, sondern eine bayerische Brauerei, die Interesse hat, noch mehr Immobilien in Hamburg zu erwerben.

    Also, mir kommt es ein bisschen vor wie Augenwischerei und ich bin grundsätzlich enttäuscht darüber, weil es ja auch so gewesen ist, dass es die Möglichkeit gegeben hätte, schon vor mehreren Wochen nach dem Ablaufen der ersten Frist vonseiten der Finanzbehörde aus zu sagen, okay, das war's jetzt, wir sind nicht regresspflichtig, wenn wir aus dem Vertrag als Stadt jetzt aussteigen und machen das jetzt einfach, weil wir tatsächlich ein Interesse daran haben, das Ensemble vernünftig zu nutzen und der Stadt zu erhalten. Jetzt hat man irgendwie so lange gewartet, bis der Investor doch investiert, aber unter Bedingungen, die ich, wie gesagt, ein bisschen heikel und dubios finde und ... Ich finde das Ganze eine Enttäuschung, ganz ehrlich.

    Koldehoff: Ist das das, was Sie mit verfehlter Stadtplanungspolitik auch meinen? Man hat damals die Chance vertan?

    Richter: Unter anderem meine ich auch das. Zu glauben, dass man da so höhere Mächte walten lässt, nämlich, man wartet das so ab – das ist keine aktive Stadtgestaltungspolitik, das ist so das Abwarten in der Hoffnung, dass man unschuldig ist, wenn man es dann wieder verscheppern muss.

    Koldehoff: Frau von Welck hat ...

    Richter: Frau von Welck will ich da gar keine Vorwürfe machen, die ist glaube ich in dem Zusammenhang ein bisschen machtlos und auch ein bisschen von der Situation überrollt. Und ich glaube auch ehrlich, dass sie und auch sehr viele andere bis weit ins konservative Lager hinein nicht nur dieses Ensemble, sondern auch andere Ensembles in der Stadt oder andere Wohnbedingungen erhalten möchten. Das glaube ich denen durchaus, nur: Wollen und wünschen und, wie soll man sagen, aussitzen ist nicht gerade aktive Stadtgestaltung, sondern eher das Gegenteil. Man macht sich dadurch zum Spielball höherer Mächte und diese höheren Mächte sind dann immer irgendwie die Finanzbehörde und die Investoren.

    Koldehoff: Frau von Welck hat gestern bei uns in der Sendung gesagt, sie hätte anfangs auch immer geglaubt, es gäbe ja gar keine alternativen Flächen, die man Künstlern zur Verfügung stellen könnte. Nun hätte sie aber festgestellt, die gibt es doch, man könne also auch andere Orte zur Verfügung stellen. Ist das eine Möglichkeit, die Situation in den Griff zu bekommen?

    Richter: Es ist sicherlich keine Möglichkeit, die Situation in den Griff zu bekommen, was das Gängeviertel angeht. Dass das grundsätzlich eine Möglichkeit gibt und dass die überfällig ist, dass man sich irgendwie beschäftigt damit, was man eigentlich mit den ansonsten ja immer so offiziell umschwärmten Künstlern real macht, das ist eine Sache. Aber dass die Künstler nun auch nicht irgendwie Verhandlungsmasse sein sollten oder so Schubmasse, die man so nach Belieben hin- und herschieben kann, wo immer die sich festsetzen, sie wieder rausschmeißen kann, weil dann irgendwelche finanzkräftigen Investoren kommen, das ist klar. Das ist natürlich auch eine Konfrontation, die wird von beiden Seiten geführt oder von mehreren Seiten geführt und das ist auch vernünftig.

    Aber diese Art von, weiß ich nicht, wie sie sich das so vorstellen ... als wenn man irgendwie Leute so wahllos durch die Gegend schieben kann, wo gerade Freiflächen sind, das finde ich auch ein bisschen unangemessen.

    Koldehoff: Werden sich die Künstler aus dem Gängeviertel denn rausschmeißen lassen Ihrer Einschätzung nach?

    Richter: Das kann ich schwer einschätzen. Ich glaube nicht, dass es Interesse ... also, zumindest zurzeit gibt es glaube ich kein Interesse an einer Eskalation und es ist wahrscheinlich genauso wie auch Frau von Welck das beschreibt: Es gibt ja vielleicht auch die Hoffnung auf einen Kompromiss. Aber die Erfahrung lehrt ja, dass, wie heißt es, in Gefahr und höchster Not ist der Mittelweg der Tod. Da würde ich mich jetzt erst mal dran halten.

    Koldehoff: Der Maler Daniel Richter über die Situation der Künstler im Hamburger Gängeviertel.