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Ein Gesetz für alle Fälle

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den umstrittenen Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen verabschiedet. Die Regelung soll die umstrittene zivilrechtliche Vertragslösung der Internet-Provider mit dem Bundeskriminalamt ersetzen.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber | 25.04.2009
    Manfred Kloiber: Kritiker der BKA-Lösung hatten genau dieses Gesetz gefordert. Ein Vertrag zwischen BKA und Internetprovidern allein war ihnen als Rechtsgrundlage zu dürftig. Kann man diese Gesetzesinitiative am Mittwoch als Zeichen für einen Sinneswandel in der Bundesregierung werten, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Teilweise kann man das wohl als einen Sinneswandel werten. Bemerkte Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg doch immerhin in der Pressekonferenz, auf der der Gesetzesentwurf vorgestellt wurden, am vergangenen Mittwoch, dass die Regierung in Gesprächen mit den Internet-Providern so ganz allmählich darauf gekommen sei, dass das Sperren von Web-Seiten so ganz ohne gesetzliche Grundlage doch nicht gehen würde. Also ein kleiner Sinneswandel: Die Regierung hat eingesehen, dass Behörden wie das Bundeskriminalamt, wenn sie eine Sperrliste herausgeben, auf deren Grundlage Web-Seiten gesperrt werden, vielleicht doch auf der Grundlage von Gesetzes und nicht nur auf der Grundlage von Geheimverträgen handeln sollten. Besser sei das.

    Kloiber: Werden die am vergangenen Freitag geschlossenen Verträge der Provider mit dem BKA denn einfach abgelöst durch das Gesetz oder gelten die weiter?

    Welchering: Noch sind die Verträge über die Internetsperre nicht in Kraft getreten. Und die Änderungen des Telemediengesetzes sollten ja nach dem Willen der Bundesregierung möglichst schnell, auf jeden Fall aber bis Ende September, in Kraft treten. Dann könnte das Gesetz diese Verträge rein formal obsolet werden lassen. Allerdings in inhaltlicher Hinsicht hat das Gesetz im Wesentlichen die in den Verträgen der Provider mit dem BKA getroffenen Maßnahmen übernommen. In einem Punkt geht der Gesetzesentwurf darüber hinaus. Wer auf die Stoppseite umgeleitet wird, die beim Aufruf von Kinder-Porno-Seiten aktiviert werden soll, dessen personenbezogene Daten werden erfasst, und die Strafverfolger können direkt auf diese personenbezogenen Daten, auf die Kundendaten bei den Providern zugreifen. Da geht das Gesetz über den BKA-Vertrag hinaus. Ansonsten bleibt es im Wesentlichen bei den Bestimmungen des Vertrages: Die Sperrliste wird geheim gehalten, eine gerichtliche Überprüfung, wer weshalb auf dieser Sperrliste gelangt ist, wird ausgeschlossen. Und auch die weiteren Sperrmaßnahmen, die der BKA-Vertrag vorsieht und über die wir am vergangenen Samstag ja bereits berichtet haben, sind in den Gesetzesentwurf übernommen worden.

    Kloiber: Was bedeutet das denn für die eingesetzten Techniken der Sperren? Sind die im Gesetzesentwurf geregelt?

    Welchering: Die Bundesregierung sieht eine Sperrung mindestens über das Domain Name System vor. Aber Familienministerin Ursula von der Leyen hat am Mittwoch völlig zu Recht betont, dass der Entwurf technikoffen formuliert sei und deshalb auch andere und schärfere Sperrmaßnahen eingesetzt werden könnten. Der Gesetzesentwurf gibt das her, weitere Sperrungen wären, wenn dieser Entwurf Gesetz geworden ist, möglich und gesetzlich legitimiert.

    Kloiber: Um welche Sperrmaßnahmen handelt es sich da?

    Welchering: Diesem Entwurf zufolge sind IP-Sperren ebenfalls abgedeckt. Bei einer solchen IP-Sperre blocken die Internet-Service-Provider die tatsächliche IP-Adresse. Das heißt, dass Datenpäckchen mit einer gelisteten Zieladresse schon im Router abgefangen werden. Und auch die viel diskutierte Einrichtung von Internetsperren durch so genannte Zwangs-Proxy-Server wird möglich. Der Internet-Nutzer hätte dann keinen direkten Zugriff mehr auf die von ihm gewünschten Web-Seiten, sondern würde bei jede Aufruf einer Web-Seite auf einem kontrollierten Proxy-Server landen. Ist die aufgerufene Webseite freigegeben, wird sie auf diesem Proxy-Server vorgehalten. Ist sie nicht freigegeben, erscheint eine Sperrmeldung und die Daten des Nutzers, der diese Seite aufrufen wollte, landen bei den Behörden. Also insgesamt wird mit diesem Gesetzesentwurf eine problematische Entwicklung eingeleitet.