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Ein Jahr "Equal Pay" Gesetz
Gleich, gleicher, Island

Wer Mann und Frau unterschiedlich bezahlt, der wird bestraft: In Island gilt diese Regel seit einem Jahr. Unternehmen müssen Frauen und Männern in gleicher Position mit vergleichbarem Abschluss das Gleiche zahlen. An einigen Stellen hakt es zwar noch, doch es gibt auch erste Erfolge.

Von Jessica Sturmberg | 28.12.2018
    Maríanna Traustadóttir, zuständig für Gleichstellung beim isländischen Gewerkschaftsbund ASÍ
    Zahlt ein Unternehmen in Island einem Mann trotz gleicher Qualifikation mehr als einer Frau, droht eine Strafe. Im Bild Maríanna Traustadóttir, zuständig für Gleichstellung beim isländischen Gewerkschaftsbund ASÍ. (Deutschlandradio / Jessica Sturmberg)
    Der isländische Zoll war einer der ersten Arbeitgeber, der das Gesetz zur gleichen Bezahlung von Frauen und Männern umsetzte. Nicht nur die Frauen, sondern die gesamte Belegschaft sei seither zufriedener, hat Unnur Kristjánsdóttir festgestellt, die das Verfahren als langjährige Chefin der Personalabteilung begleitet hat: "Wir haben ein offeneres und transparenteres Verfahren bei unserer Lohnfestsetzung. Die Belegschaft versteht, wie Löhne zustande kommen, wie wir die Lohngleichheit herstellen, uns war die Transparenz wichtig und sie haben Vertrauen, meine ich."
    Auf dem Weg zu gleicher Bezahlung wurden die einzelnen Tätigkeiten betrachtet und ihnen unabhängig von den Personen, die diese ausüben, ein Wert beigemessen. Dieser gilt als Grundlage für eine transparente Entlohnung - und das nicht nur für einfache Arbeiten, sondern auch in den höheren Gehaltsstufen und im Management. Von den rund 250 Mitarbeitern beim Zoll bekommen seither zehn einen höheren Lohn, neun Frauen und ein Mann.
    Wie viel ist eine Tätigkeit wert?
    Das Verfahren, das dabei angewendet wird, basiert auf einer international anerkannten Norm, die in Island entwickelt wurde. Ausgearbeitet wurde sie in jahrelanger Arbeit von Maríanna Traustadóttir, Gleichstellungsbeauftragte beim isländischen Gewerkschaftsbund. "Die größte Herausforderung ist das Einstufen, die Klassifizierung. Besonders den Tätigkeiten einen Wert beizumessen. Wir haben einen hohen Anspruch an die Zertifizierung und das braucht seine Zeit."
    Alle isländischen Unternehmen mit mehr als 25 Mitarbeitern müssen diesen Prozess nach und nach durchlaufen. Zunächst sind die großen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern dran. Eigentlich sollten sie bis Ende dieses Jahres damit fertig sein. Allerdings gibt es ein Nadelöhr: Es gibt nur drei Prüfungsgesellschaften. Weil alles nicht so schnell ging wie erhofft, wurde die Frist um ein Jahr verlängert. Wer sich dann nicht daran hält, muss ab 2020 umgerechnet 385 Euro pro Tag Strafe zahlen.
    Die Summe mag für größere Unternehmen nicht hoch sein, aber der noch größere Schaden sei vielmehr der Reputationsverlust, sagt Maríanna Traustadóttir. Denn die Liste ist öffentlich. Klar, habe sie auch immer die Argumente gehört, dass das Verfahren zu bürokratisch und teuer sei. Aber das habe sich bisher nicht bestätigt. Stattdessen zählt Maríanna Traustadóttir die Vorteile auf, die sie auch schon in einer mehrjährigen Testphase vor dem Inkrafttreten des Gesetzes feststellen konnte:
    "Die Mitarbeiter sind zufriedener, leisten mehr und verlassen seltener die Unternehmen, wodurch diese Geld sparen."
    Vorreiter in Sachen Gleichberechtigung – auch beim Gehalt
    Besonders in einem Arbeitsmarkt, der wie in Island durch Mangel an Arbeitskräften geprägt ist. Die breite Akzeptanz für das Gleiche-Lohn-Zertifizierungs-Gesetz hängt allerdings auch damit zusammen, dass Gewerkschaft, Arbeit- und Gesetzgeber es gemeinsam auf den Weg gebracht haben. Ins Parlament eingebracht hatte es mit Thorsteinn Viglundsson ein früherer Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes.
    In Island sind sie stolz auf das weltweit einmalige Gesetz, das – trotz aller Spitzenreiterpositionen in diversen Gleichberechtigungs-Rankings – auch hier immer noch nötig sei, sagte Premierministerin Katrin Jakobsdóttir bei einer Diskussion in der isländischen Botschaft in Berlin.
    Wenn ihr gesagt werde, "Island muss ein Paradies für Euch Frauen sein, dann erinnere ich daran, dass ich erst die zweite Premierministerin bin. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gute Absichten uns nur bis zu einem bestimmten Punkt bringen. Wir warten seit 1961 darauf, dass die Lohnlücke zwischen Mann und Frau geschlossen wird. Seither steht es im Gesetz. Passiert ist aber nichts. Und dann muss man eben etwa Radikales machen."
    Gerade erst hat Premier Katrín Jakobsdóttir die Priorität erhöht und holt die Zuständigkeit zu Januar ins eigene Ministerium. Und da sie nun mal jetzt weltweit Vorreiter seien, sei etwas ganz besonders wichtig, betont die Gleichstellungsbeauftragte des Gewerkschaftsbundes, Maríanna Traustadóttir:
    "Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir in Island gute Arbeit leisten und das voranbringen, da wir wissen, dass die Welt auf uns schaut und wir zeigen wollen, dass es funktioniert."