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Ein Jahr Juniorprofessur

Seit gut einem Jahr ist die von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn initiierte Novellierung des Hochschulrahmengesetzes in Kraft. Bereits im März zog die Ministerin eine positive Bilanz und betonte, die Karrierechancen für junge Wissenschaftler hätten sich deutlich verbessert. Jetzt liegt eine Studie vor, die eine weniger positive Bilanz zieht.

01.07.2003
    Seit gut einem Jahr ist die von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn initiierte Novellierung des Hochschulrahmengesetzes in Kraft. Bereits im März zog die Ministerin eine positive Bilanz und betonte, die Karrierechancen für junge Wissenschaftler hätten sich deutlich verbessert. Ein Novum ist die so genannte Juniorprofessur, die Nachwuchswissenschaftlern wesentlich früher die Möglichkeit geben soll, eigenständig zu forschen und zu lehren. Die Arbeitsgruppe der ''Jungen Akademie'' an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften haben Erfolg und Misserfolg der Juniorprofessur untersucht.

    Guckeisen: Am Telefon ist Jörg Rössel von der Universität Leipzig. Die Studie kommen Sie zu dem Ergebnis, dass es da eklatante Schwachstellen gibt. Können Sie das noch mal zusammenfassen?

    Rössel: In unserer Studie haben wir versucht, zu untersuchen, ob die Juniorprofessur oder deren Umsetzung tatsächlich den Intentionen und Zielsetzungen, die das Bundesministerium für Bildung und Forschung damit verbunden hat, auch gerecht werden kann. Unsere Studie kommt zu dem Ergebnis, dass man alles in allem doch eine recht gemischt Bilanz vorlegen muss. Dazu gehören Dinge wie dass die Juniorprofessoren doch relativ alt auf ihre Stelle berufen werden, so dass auch sie im Grunde schon Ende 30 sind, wenn sie aus dieser Stelle ausscheiden. Also ähnlich alt wie Leute, die habilitiert haben und dann auf eine Erstberufung auf Lebenszeitprofessur warten.

    Guckeisen: Das war ja nur eine Sache, die man sich von der Juniorprofessur versprochen hat. Es gibt auch die Unabhängigkeit vom Lehrstuhl, um insgesamt diese Stelle attraktiver zu machen, gerade für Nachwuchswissenschaftler. Wie ist es denn damit, kommen Sie das zu einem ähnlich schlechten Ergebnis?

    Rössel: ,Ja, auch hier sieht es so aus, dass ungefähr die Hälfte der Befragten angibt, dass sie an einen Lehrstuhl angebunden sind und bei der Unabhängigkeit muss man auch berücksichtigen, dass die ganz zentral mit der Ausstattung der Juniorprofessoren zusammenhängt. Da sind wir insgesamt zu einem recht ernüchternden Resultat gekommen, weil relativ viele Juniorprofessoren weder über Sekretariatskapazitäten noch über Mitarbeiter oder studentische Hilfe oder Laborpersonal verfügt. Da hatten wir eigentlich unterstellt, dass vor allem über die Anschubfinanzierung des BMBF, aber auch über die Unterstützung der Universitäten hier eine besser Ausstattung gewährleistet werden kann.

    Guckeisen: Nun fragt man sich, wie kommt das? Das Bundesbildungsministerium unterstützt ja eigentlich die Juniorprofessur mit 10.000 Euro pro Jahr. Da ist eigentlich Geld vorhanden, wo fließt das hin?

    Rössel: Das können wir nicht wirklich sagen auf der Basis unserer Befragungen. Wir haben die einzelnen Juniorprofessoren und Juniorprofessorinnen befragt, wie hoch ihre Ausstattung ist und was wir auf der Basis feststellen konnten ist, dass es eine Differenz gibt, die uns zumindest erst mal aufgefallen ist und die darauf hindeutet, dass es durchaus sein könnte, dass an einigen Unis dieses Geld nicht bei den Juniorprofessoren unmittelbar zugeordnet wird, auch im Grunde in den allgemeinen Haushalt fließt.

    Guckeisen: Sie sprechen von Mitnahmeeffekten, wie sind Sie darauf gekommen, haben Sie das untersucht?

    Rössel: Damit ist einfach nur die Ausschreibungsaktivität gemeint. Wir hatten den Eindruck, dass vor allem zu Beginn, als es noch eine höhere Förderung für die Juniorprofessoren gab, nämlich 75.000 Euro, dass es einen sehr großen Schub an Ausschreibungen für Juniorprofessoren gegeben hat, der doch jetzt in den letzten 16, 18 Monaten relativ deutlich zurückgegangen ist. Auf ein unserer Ansicht nach zu niedriges Niveau, was so ungefähr bei 25 ausgeschriebene Stellen pro Monat liegt. Damit ist gemeint, zu dem Zeitpunkt, als ungefähr das Gesetz verabschiedet wurde, sind sehr viele Unis darauf eingestiegen, haben die Fördermittel mitgenommen. Jetzt sieht es so aus, dass es keine langfristigen Effekte gibt, dass die Juniorprofessuren nicht langfristig und in genügend großer Zahl ausgeschrieben werden.

    Guckeisen: Die Unabhängigkeit vom Lehrstuhl ist ja wohl auch noch in einer anderen Hinsicht in Frage gestellt, wenn es eben um die Ausschreibung geht. Da haben Sie festgestellt, dass es häufig aus dem Haus geschieht, oder wie ist das?

    Rössel: Auf der Basis der Tatsache, dass in dem Gesetzesentwurf Hausberufungen auf Juniorprofessuren auch ermöglicht sind, doch tatsächlich auch eine ganze Reihe von Fällen gegeben hat, bei denen man davon sprechen kann. Das blieb durchaus im Bereich von einem Viertel bis Drittel der Stelleninhaber. Man muss ergänzen, dass hier Nepotismus oder soziale Beziehungen allein relevant waren, es kann sein, dass es sich um exzellente Wissenschaftler handelt. Unser Argument ist ein generelles, dass man sagt, damit öffnet man Nepotismus die Tür.

    Guckeisen: I Ich gehe mal davon aus, in drei Jahren will das Bundesministerium erstmals die Juniorprofessur evaluieren, Ihrer Ansicht nach muss das etwas früher geschehen. Die Einführung der Juniorprofessur hat bislang keine Erfolgsgeschichte, das ist das Ergebnis einer Studie der jungen Akademie, das ist eine Tochtergesellschaft der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften.

    Das Gespräch als RealAudio