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Ein Jahr nach der Annexion
Die ukrainische Gemeinde auf der Krim

Vor einem Jahr stimmten die Bewohner der Krim in einem umstrittenen Referendum für den Anschluss an Russland. Die meisten, die sich zur Ukraine bekannten, haben seitdem die Halbinsel verlassen. Der Erzbischof der ukrainischen Kirche ist noch da. Aber auch er bangt.

Von Gesine Dornblüth | 16.03.2015
    Die Alexander Newskij Kathedrale in Simferopol auf der Krim untersteht dem Moskauer Patriarchat und wird unter Putins Schirmherrschaft renoviert.
    Die Alexander-Newskij-Kathedrale in Simferopol auf der Krim untersteht dem Moskauer Patriarchat und wird unter Putins Schirmherrschaft renoviert. (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    Die Alexander-Newskij-Kathedrale im Zentrum von Simferopol ist frisch renoviert. Die goldenen Kuppeln glänzen. Bauarbeiter verlegen die letzten Gehwegplatten. Ein Schild verkündet: Wiederaufgebaut unter der Schirmherrschaft des Präsidenten der Russischen Föderation. In Großbuchstaben: Wladimir Putin. Davor parkt ein Bentley.
    Während das Leben der dem Moskauer Patriarchen unterstellten russisch-orthodoxen Kirche auf der Krim aufblüht, erwartet die dem Kiewer Patriarchen unterstellte ukrainische Kirche ihr mögliches Ende. In der Hauptkirche kocht Erzbischof Kliment Tee. Gerade hat er die mehrstündige Morgenandacht gehalten. Es waren nur wenige Gläubige da:
    "Zwei Drittel meiner Gemeindemitglieder haben die Krim verlassen. Sie leben jetzt auf dem ukrainischen Festland. Geblieben sind die, die nicht wussten, wohin: Rentner, Menschen mittleren Alters. Die Jugend ist fast komplett weg."
    "Ukrainer werden sich niemals mit der Besatzungsmacht abfinden"
    Der Erzbischof trägt eine Fellweste über dem Gewand. Es ist kalt. Das Geld für die Heizung fehlt. Das Gebäude ist von der Krim-Regierung gepachtet, seit Langem schon. Nachdem die Krim russisch wurde, haben die Behörden die Miete heraufgesetzt, um ein Vielfaches.
    "Die Besatzungsmacht tut mit Unterstützung des Geheimdienstes alles, damit die ukrainische Kirche von der Krim verschwindet. Weil die Ukrainer und die Leute, die sich kulturell und intellektuell der Ukraine zugehörig fühlen, sich niemals mit der Besatzungsmacht hier abfinden werden. Gegen sie werden Verfahren konstruiert, die Aktivisten verschwinden oder werden, wenn sie auf dem Festland waren, an der Rückreise auf die Krim gehindert."

    Auch die Hälfte seiner Priester habe die Halbinsel verlassen, erzählt Kliment. Früher war in der Kirche auch ein ukrainisches Kulturzentrum untergebracht. Man traf sich zu Buchvorstellungen, zu Diskussionen, beging ukrainische Feiertage. Doch vor einigen Monaten hat Erzbischof Kliment das Zentrum geschlossen:
    Kunst in der Hafenstadt Kertsch auf der Kr‎im erinnert an die russisch- ukrainischen Beziehungen.
    Kunst in der Hafenstadt Kertsch auf der Kr‎im erinnert an die russisch- ukrainischen Beziehungen. (Deutschlandradio / Gesine Dornblüth)
    "Die Leute haben Angst. Und ich kann sie keiner Gefahr aussetzen. In einem Kulturzentrum wird nun mal über die Ukraine geredet, über den ukrainischen Staat, über Kultur und Geschichte, und da geht es darum, dass das, was hier passiert ist, nicht richtig war."
    Vor einem Jahr haben die Bewohner der Krim für den Anschluss der Halbinsel an Russland gestimmt. Die Option, dagegen zu stimmen, gab es nicht. Zuvor hatten russische Soldaten die Halbinsel besetzt. Präsident Putin hatte angeordnet, die Krim zurück nach Russland zu holen. Das hat er jüngst selbst eingeräumt. Doch in Russland ist es mittlerweile strafbar, zu behaupten, die Krim gehöre zur Ukraine. Es gilt als Aufruf zum Extremismus.
    "Die Menschen auf der Krim sind benebelt"
    Im Vorraum der ukrainischen Kirche steht ein Tank mit geweihtem Wasser. Eine Frau holt leere Limonadenflaschen aus der Tasche, füllt Wasser ab. Die Frau ist nur ausnahmsweise hier, normalerweise geht sie in Kirchen, die dem Moskauer Patriarchen unterstellt sind.
    "Ich kam gerade vorbei und bin nur wegen des Wassers hier. Was hier in der Kirche gesagt wird, gefällt mir nicht. Die ukrainische Regierung ist verrückt, die bringt Leute um und sogar Priester."
    Erzbischof Kliment kennt diese Äußerungen. Er spricht von Stimmungsmache:
    "Die Menschen auf der Krim sind benebelt. Sie sagen immer nur: Gut, dass es hier keinen Krieg gibt. Aber es sind doch nicht wir, die den Krieg begonnen haben. Nicht die Ukraine hat fremdes Gebiet besetzt."