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Ein Klassiker der Moderne

Der Maler Max Pechstein gehört zu den Klassikern der Moderne. Er war Mitglied der Künstlergruppe "Die Brücke”, danach Mitbegründer der Neuen Sezession in Berlin und gilt mit seinem Werk als einer der Hauptvertreter des deutschen Expressionismus.

Von Anette Schneider | 29.06.2005
    Dresden 1906. Der Sächsische Pavillon für die "Internationale Raumkunstausstellung” wird eröffnet. Ausgestattet hat ihn Max Pechstein. Der 1881 als Sohn eines Fabrikarbeiters und einer Büglerin in Zwickau geborene Pechstein hat die Dresdener Kunstakademie gerade mit höchster Auszeichnung verlassen. Im Pavillion schuf er ein Deckengemälde - voll brennend roter Tulpen.

    " Ich stellte fest, dass das glühende Rot durch graue Spritzer gedämpft und dem Normalgeschmack angepasst worden war. Laut gab ich meinem Missmut Ausdruck - als mir plötzlich ein junger Mann im Schimpfen sekundierte. "

    Der junge Mann ist Erich Heckel, der ein Jahr zuvor mit Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl die Künstlergemeinschaft "Brücke” gegründet hatte. Wenig später ist auch Max Pechstein Mitglied:

    " Beglückt entdeckten wir einen restlosen Gleichklang im Drang nach Befreiung, nach einer vorwärts stürmenden, nicht durch Konvention gehemmten Kunst. "

    Die "jungen Wilden” lehnen die akademische Kunst ebenso ab wie die beliebig gewordene impressionistische Malerei. Sie wollen "Empfindungen unmittelbar darstellen”. Gemeinsam entdecken sie das schnelle Skizzieren und damit die notwendige Konzentration auf das Wesentliche: Landschaften und Akte in großen, vereinfachten Formen, kraftvollen Farben und mit starken Kontrasten entstehen - die typischen Merkmale expressionistischer Malerei.

    " Uns erschien vor Zeiten die Malerei, als wenn man uns Steine statt Brot gegeben. Im Impressionismus hatte man sogar die Konstruktion eines Bildes verlernt. Wir erkannten wieder als wichtigstes die Linie und Farbe, und teilten letzterem Faktor wieder die Wichtigkeit zu, als Klang das Bild zu bestimmen. Wir malten also rote, grüne, blaue Bilder, erkannten darin unser richtiges Malerhandwerk. "

    Als die mittlerweile in Berlin lebenden Brücke-Künstler 1910 ihre Bilder gemeinsam ausstellen, reagiert die Öffentlichkeit empört. Dies, so der Kunstkritiker Erich Vogeler, sei "der Aufstand der primitiven rohen Kunstinstinkte wider die Zivilisation, die Kultur und den Geschmack in der Kunst”.

    Max Pechstein, der rastloseste der Künstlergemeinschaft, bereist in den folgenden Jahren mehrfach Italien, lebt einige Zeit in Paris, dann wieder in Berlin. Die Sommer verbringt er mit den Brücke-Freunden oft an der Kuhrischen Nehrung: Hier entstehen kräftig-farbige Akte, Wolkenbilder und Meeransichten.

    Nach ersten Erfolgen reist Pechstein in die Südsee. Den ersten Weltkrieg erlebt er vor allem in Zwickau, 1918 kehrt er zurück nach Berlin.

    " Nach dem Zusammenbruch des kaiserlichen Regimes meinte ich, mit vielen anderen, es werde eine größere Freiheit, ein menschlicheres Dasein anbrechen. Entschlossen stellte ich mich der sozialdemokratischen Regierung zur Verfügung, fertigte Plakate an. Wir gründeten die November-Gruppe, in der sich alles zusammenfand, was Zukunftswege suchte. "

    1923 wird Max Pechstein als Professor an die Preußische Akademie der Künste berufen. Auf der Biennale in Venedig werden seine Werke als Beispiele neuer deutscher Kunst vorgestellt, Pechstein gilt als Hauptvertreter des mittlerweile durchgesetzten deutschen Expressionismus.

    Obwohl arriviert, nimmt Pechstein weiterhin politisch Stellung: 1926 unterzeichnet er einen Aufruf zur "Enteignung der Fürsten”, ein Jahr später entsteht ein von der KPD herausgegebenes Solidaritätsplakat für die Sowjetunion.

    Mit dem Machtantritt der Nationalsozialisten erhält Max Pechstein
    Mal- und Ausstellungsverbot.

    " Dann kam die Ausstellung "Entartete Kunst”. Also bildete ich eine Gefahr, und mein Name verschwand... Andererseits wurde es mir unmöglich gemacht, zwei Berufungen ins Ausland als Lehrer Folge zu leisten. Einmal sollte ich in die Akademie in Konstantinopel und einmal nach Mexiko. "

    Ausgeschlossen aus der Akademie, seine Werke aus deutschen Museen verbannt, zieht sich der Maler nach Pommern und in die Schweiz zurück. Als er 1945 ins befreite Berlin kommt, steht er vor den Trümmern seines Ateliers:

    " Die großen Hauptwerke verbrannt, gestohlen, vernichtet in der Nazi-Zeit. "

    Zwar erhält Pechstein seine Professur zurück, doch seine große Zeit als Maler ist vorbei: Den Studenten gilt Max Pechstein, der am 29. Juni 1955 im Alter von 73 Jahren stirbt, bereits als Klassiker. Diesen Ruf begründen vor allem die während der "Brücke-Jahre” entstandenen Bilder, die ihn zu einem der Mitbegründer des deutschen Expressionismus machten.