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Ein Komposthaufen für die Raumstation

Die Kompostierung von Bioabfällen erzeugt nährstoffreiche Erde, mit der wieder neue Nutzpflanzen angebaut werden können. Ob sich dieses Kreislaufprinzip so auch auf Raumflügen anwenden lässt, ist fraglich. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt arbeitet daher an einer anderen Lösung.

Von Frederike Buhse | 06.05.2013
    Im Büro von Jens Hauslage steht ein ungewöhnlicher Komposthaufen. Aus einem mit Wasser gefüllten Glaskasten ragen zwei etwa ein Meter hohe Glassäulen. Sie sind bis oben hin mit schwarzen, porösen Lavasteinen gefüllt. Eine Pumpe befördert konstant Wasser aus dem Glaskasten nach oben auf die Säulen, wo es über die Lavasteine wieder nach unten rieselt. Es ist der Prototyp eines Nasskompostersystems. Jens Hauslage betreibt ihn schon seit drei Jahren. Den zu kompostierenden Bioabfall gibt er dazu zerstückelt und in kleinen Portionen auf die Säulen. Von dort spült ihn dann das Wasser über die Lavasteine.

    "Was das schon alles, ich sag mal: gefressen hat, wir hatten schon Mettbrötchen drin. Das dauert so zweieinhalb bis drei Tage, dann sind die weg. Wir hatten Tomatenlaub, Stärkeflocken aus Verpackungen, zum Beispiel, haben wir drin verstoffwechselt. Also sämtliche organisch abbaubaren Dinge haben wir dadrin schon verarbeitet als solches."
    In und auf den porösen Lavasteinen leben zahlreiche Mikroorganismen, die die eigentliche Arbeit machen. Sie ernähren sich von den Abfallstoffen und verarbeiten sie zu Nährstoffen, die wiederum die Pflanzen zum Leben brauchen. So wird das Wasser, das über die Steine gepumpt wird, langsam zu einer Nährstofflösung. Beim Prototyp wachsen auf den Säulen kleine Tomatenpflanzen ohne Erde, die von dieser Nährlösung direkt versorgt werden.

    Die ersten Mikroorganismen in der Säule hat Jens Hauslage über einen Löffel getrocknete Gartenerde dorthin gebracht. Seitdem lebt und gedeiht dort eine bunte Gemeinschaft von Bakterien, Pilzen und Einzellern.

    "Unser Ziel ist es, Lebensräume zu schaffen, in denen sich die Organismen wohlfühlen, die wir gebrauchen können."

    Die Organismen haben verschiedene Nahrungsvorlieben und ergänzen sich dadurch bei dem Abbau der Abfälle. Die Vielfalt macht das System flexibel und widerstandsfähig.

    "Dieser Filter stellt sich auch automatisch auf das ein, was wir füttern. Füttern wir zum Beispiel Urin, werden Bakteriengruppen, ich nenne sie jetzt mal A, hochkommen, B wird ein bisschen kleiner werden. Stellen wir das ganze System um, zum Beispiel auf Tomatenlaub, wird B hochkommen und A wird kleiner werden. Aber keiner wird jemals aussterben, das ist halt das Schöne daran. Das ist ein selbstregulierendes, ein sehr dynamisches System."

    Die Bakteriengemeinschaft im Prototyp lebt schon seit drei Jahren und ist noch nie umgekippt. Das Grundprinzip ist nicht neu, ähnlich funktionieren auch Aquarienfilter, die das Wasser von den Ausscheidungen der Fische befreien.

    "Wir versuchen damit mehr zu machen. Das heißt, wir nutzen ein altes Prinzip, um es zu erweitern letztendlich. Das heißt, nicht nur auf Fischurin, sondern auch auf menschlichen Urin, auf Gülle, auf Bioabfälle."

    So forscht Jens Hauslage zum Beispiel daran, wie schnell der Filter menschlichen Urin abbaut und wie man das beeinflussen kann. Die Bakterien wandeln den Harnstoff in Ammoniak und das Ammoniak weiter über Nitrit zu Nitrat um. Bei der Menge Urin, die ein Mensch etwa pro Tag produziert, dauert das mit dem Nasskomposter derzeit rund fünf Tage. Beeinflusst werde das beispielsweise durch die Fließgeschwindigkeit des Wassers, die Größe der Säule oder die Art der Lavasteine. Das Urinrecycling könnte in der Raumfahrt wichtig werden, wenn man dort irgendwann auch Pflanzen zur Ernährung anbaut, zum Beispiel auf Raumstationen.

    "Heutzutage auf der ISS wird's so gemacht: Der Urin wird eingedampft, das heißt, die ganzen festen Bestandteile, Salz und sowas, werden verworfen und nur das Wasser wird rezykliert. Das können wir uns nicht mehr erlauben. Das heißt, wir müssen schauen, dass wir den Urin, so wie er ist, ideal nutzen, wir können ja das Wasser wieder rausnehmen, um Trinkwassergewinnung zu machen. Aber letztendlich die ganzen Salze sollten wir benutzen, um damit wieder Pflanzen großzuziehen."

    Um Pflanzen wirklich auf Raumstationen oder gar auf dem Mond anzupflanzen, wird an vielen Ecken geforscht. Mit dem Nasskomposter bräuchte man keine Erde oder Dünger im All und könnte die anfallenden Pflanzenabfälle gleich mit verwerten. Jens Hauslage hat auch zu Hause eine Filtersäule stehen, er verwertet dort Pflanzenabfälle und zieht mit der Nährlösung Tomaten und Küchenkräuter. Und wie schmeckt's?

    "Hervorragend."