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Ein Land überwindet seine Krise

Buenos Aires, das Mekka des Tangos. Überall im Zentrum der Metropole bitten Straßenmusiker zum Tanz. Es ist heiß, der Sommer kündigt sich an. In den Einkaufsstraßen drängen sich die Menschen. Die Geschäfte machen gute Umsätze. Nichts erinnert mehr an die Szenen, die sich hier vor fast vier Jahren abgespielt hatten: Als die so genannte "Tangokrise" ausbrach, die schlimmste Wirtschaftskrise in der Geschichte Argentiniens.

Von Gottfried Stein | 21.10.2005
    Rückblick. Dezember 2001. Vor den Banken in der Innenstadt versammeln sich verzweifelte Menschen. Niemand kann mehr Geld abheben. Wütende Passanten protestieren, schlagen mit Löffeln auf Kochtöpfen. Es kommt zu Plünderungen, gewalttätigen Ausschreitungen. Argentinien ist praktisch bankrott. Die Regierung sperrt sämtliche Sparkonten und hebt die Gleichstellung des Pesos mit dem Dollar auf. Das Geld ist plötzlich nur noch ein Drittel wert - eine Katastrophe: Über Nacht verarmt der Mittelstand, Hunderttausende stürzen in bitteres Elend.

    Oktober 2005. Ein Kindergarten in der "Villa Oculta", der "verborgenen Stadt", einem Armenviertel am Stadtrand von Buenos Aires. Es ist Mittag. An den wackeligen Holztischen löffeln Dutzende kleine Kinder Nudeln und eine dünne Fleischsoße. Der Andrang ist kaum zu bewältigen, sagt die Leiterin Sielo Escalada:

    " Das hier ist ein Kindergarten und gleichzeitig eine städtische Küche. Wir haben hier 50 Kinder, eigentlich von null bis drei Jahre. Hier arbeiten vier ausgebildete Mütter mit. Die Kinder sind hier von acht Uhr früh bis nachmittags um vier. Sie sind meistens in schlechter Verfassung, weil sie zuhause entweder gar keine oder eine schlechte Nahrung bekommen. "

    Ständig geht die Tür auf. Frauen kommen, Männer, Omas, Opas, Kinder, die heute aus irgendeinem Grund nicht in der Schule sind. Sie grüßen, setzen sich, und schon servieren die Helferinnen die Blechnäpfe. Das Essen ist umsonst: Der Kindergarten dient gleichzeitig als "Comedor", als Armenküche, in der die Stadt Bedürftige einmal am Tag mit Essen versorgt.

    " In die Küche kommen im Schnitt zweihundert Kinder und Familien, aber viele nehmen das Essen mit nach Hause. Insgesamt geben wir 450 Portionen aus. Dabei bekommen wir von der Stadt nur 175 Portionen. Wir sind deshalb von Spenden abhängig, im Moment unterstützt uns eine Zigarettenfirma, aber das ist nur bis Ende des Jahres gesichert. Danach wissen wir nicht, wie wir weitermachen. "

    Hier im Slum ist praktisch jeder arbeitslos. Früher war Argentinien ein reiches Land. Heute kommt man schnell in Nöte, sagt Ramon, ein gelernter Zimmermann, der sich mit Gelegenheitsjob an Baustellen durchschlägt:

    " Ich arbeite die ganze Woche, auch samstags, den ganzen Tag. Und sonntags passe ich auf einem Festplatz auf die Autos auf. So kratze ich das Geld zusammen, um die Woche zu überstehen."

    Insgesamt geht es Argentinien wieder besser. Aber noch immer leben 40 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Und diese Armut scheint auf Jahre zementiert zu sein, sagt Hartmut Hentschel, Leiter des Meinungsforschungsinstituts "Demoscopia":

    " Das soziale Gefälle ist größer geworden. Der Unterschied zwischen arm und reich ist eklatant. Und hat sich nicht vermindert. Die soziale Lage ist weiterhin gespannt, die Arbeitslosenzahlen sind auf dem selben hohen Niveau ungefähr bei 20 Prozent und wird dadurch kaschiert, dass diejenigen, die ausschließlich von staatlichen Subventionen freigehalten werden, als nicht arbeitslos bezeichnet werden, und das sind immerhin über eine Million Personen. Es hat sich im sozialen Bereich nichts verändert. "

    Katastrophenstimmung in Buenos Aires. Vor dem Ärztehaus in der Innenstadt heulen in Dutzenden von Krankenwagen die Sirenen. Krankenpfleger in weißen Kitteln hauen auf die Trommeln. Zum ersten Mal hat das gesamte argentinische Gesundheitswesen zum Streik aufgerufen. Dr. Gustavo Manomi, Präsident der Vereinigung der Kliniken und Sanatorien:

    " Ja, wir befinden uns in einem Notstand, schon viele Jahre fehlt es uns an Geld. Außerdem hat die Krise Argentinien schwer getroffen, und mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat keine Sozialversicherung und keine Krankenversicherung. Diese Leute gehen in die staatlichen Krankenhäuser. Die Hospitäler sind auf Grund der zusätzlichen Nachfrage völlig überlastet. Mehr als dreißig Prozent der Kliniken des Landes mussten schon schließen. "

    Die Abkoppelung der Landeswährung vom Dollar hat auch das Gesundheitswesen schwer getroffen: Diagnosegeräte aus dem Ausland sind praktisch unbezahlbar geworden. Wer früher 1000 Dollar verdient hat, bekommt jetzt 1000 Pesos - nicht einmal 300 Euro. Nur wer ein ordentliches Arbeitsverhältnis hat, ist sozialversichert.


    Eine Müllsammelstelle in einem Armenviertel in der Provinz Buenos Aires. Ein Dutzend so genannter "Cartoneros", betreiben hier eine "Cooperativa": Gemeinsam sortieren sie Müll nach Wertstoffen und verkaufen ihn an Zwischenhändler. Im Schnitt verdient jeder monatlich 300 Pesos, knapp 100 Euro: Das reicht, um die Familie über Wasser zu halten, aber nicht für eine Krankenversicherung. Wer krank wird, muss in ein öffentliches Hospital, sagt Graciela, die Geschäftsführerin: Da heißt es nachts aufstehen, Fußmarsch zum Bus, eine dreiviertel Stunde Fahrt bis zur Klinik:
    " Im Hospital muss man um vier Uhr früh sein, dann Schlange stehen, dann bekommst du eine Nummer, dann nimmt dich der Arzt um neun dran, und dann bekommst du dein Rezept, wenn du Glück hast, bekommst du die Medizin im Hospital, sonst haben wir hier manchmal etwas Geld, um es zu kaufen, das ziehen wir dann ab, und es reicht wieder für den nächsten, so regeln wir das halt. "

    Privatärzte sind für das Millionenheer der Armen unerschwinglich. In den Hospitälern ist die Behandlung manchmal ein Glücksspiel, weil die Ärzte nur bis Mittag behandeln. Dann verschwinden sie, weil ihr Salär karg ist und sie sich nachmittags in Privatpraxen dazuverdienen. Oder sie streiken - aus Protest gegen miserable Bezahlung und Ausstattung der Kliniken:

    " Im Moment ist es dort ziemlich beschissen, denn die meisten streiken, man muss schon viel Glück haben und todkrank sein, damit sie einen behandeln. Wenn du schon eine Nummer hast, aber das Hospital streikt, bekommst du eine neue für einen anderen Termin, und manchmal vergehen dann zwei Monate, bis du drankommst. Ich habe von Januar bis Mai auf eine Untersuchung gewartet, da hätte ich inzwischen auch seelenruhig sterben können. "

    Eva ist gerade 40 Jahre alt: Hat sechs Kinder, ihr Mann ist arbeitslos, sie selber hat keine Zähne mehr und sieht aus wie sechzig. Die Behandlung im Hospital beschränkt sich meist auf ein Rezept. Wenn man Glück hat, bekommt man die Medizin gratis in der Krankenhausapotheke oder an einer Sozialstation. Hat man Pech, hat mein ein Rezept, aber kein Geld.


    Wir sind in Nubecita, einem Kleinbetrieb in Mataderos. Nubecita heißt Wölkchen. Hier stellt die Familie Reeves Babykleidung aus Baumwolle her. Roger ist 33, und der älteste Sohn der Familie hat Wirtschaft studiert und kümmert sich ums Management. Sein jüngerer Bruder Sebastian regelt Einkauf und Verkauf. Die Mutter ist die Chefin von insgesamt elf Schneiderinnen.

    Früher waren Conchita Reeves und ihr Mann hier selbst angestellt. Dann ging der Besitzer pleite. Und um der Arbeitslosigkeit zu entgehen, verkauften die Reeves Wohnung und Auto und übernahmen den Betrieb:

    " Wir sind stolz darauf, dass es uns gut geht. Wir sind ein Unternehmen, das während der Krise im Land entstanden ist. Wir haben praktisch ohne Kapital angefangen, nur mit unseren eigenen Ersparnissen, Kredite konnten wir uns nicht leisten, die waren zu teuer und für kleine Unternehmen unerschwinglich, und so haben wir uns Schritt für Schritt selbst finanziert."

    Inzwischen hat sich die Lage geändert. Der Staat vergibt Kleinkredite, die den Hunderten von kleinen Betrieben helfen, in denen früher Beschäftigte die eigentlich bankrotten Firmen weiterführen:

    " Die Möglichkeit, dass ganz kleine Unternehmen Kredite bekommen, gibt es erst seit eineinhalb Jahren. Sie werden von der Stadtregierung gewährt und sind zinsfrei. Aber wir haben auch einen Kredit bei der "Banco National" aufgenommen, das ist eine öffentliche Bank, und da liegt der Zins bei 18 Prozent, das ist sehr hoch für so ein Geschäft. "

    Fußmarsch durch ein verwildertes Fabrikgelände in Avellaneda, einem Bezirk in der Provinz Buenos Aires. Am Ende steht ein heruntergekommenes Fabrikgebäude, in dem sich eine Gruppe der ehemals hier tätigen Arbeiter eingenistet hat: Eine der vielen Fabrikbesetzungen im Land, mit denen Ex-Beschäftigte Arbeitsplätze schaffen wollen - möglichst in Selbstverwaltung, aber mit staatlicher Unterstützung, denn ohne die geht es nicht, sagt einer der Besetzer:

    " Diese Fabrik steht seit 22 Jahren still. Wir haben alle Familien, mit 150 Pesos kommt man nicht aus. Mit meinen Kumpels wollen wir mal schauen, was man aus der Fabrik machen kann. Hier wurden früher Nudeln produziert. Die Maschinen stehen noch alle da. Wir machen erst mal sauber, dann schauen wir mal, was wir noch daraus machen können. Aber wir brauchen natürliche finanzielle Unterstützung, denn Geld haben wir keins. "

    Nach der tiefen Depression der Krise haben viele Argentinier ihr Schicksal selbst in die Hand genommen - nicht nur in Kleinbetrieben. Großunternehmer hatten ihre Fabriken einfach stehenlassen und sich ins Ausland abgesetzt, ohne sich um die Arbeiter zu kümmern. In rund 150 solcher Unternehmen hat die Belegschaft die brachliegenden Anlagen besetzt und führt den Betrieb als Kooperative weiter - mit großen Schwierigkeiten und niedrigen Löhnen, aber in einigen Fällen sogar erfolgreicher als früher.

    Abends sind die Einkaufszentren in den Großstädten gut besucht. Äußerlich ist nichts mehr zu spüren von der Depression, die das ganze Land nach der Krise erfasst hatte. Damals mussten weit über die Hälfte der Geschäfte schließen, Tausende gingen bankrott. Vor allem mittelständische Unternehmer hatten große Probleme, wie dieser Holzhändler aus Mar del Plata:

    " Es war eine sehr schwere Zeit, wir wussten schließlich nicht, ob wir noch etwas zu essen haben würden, was wir noch verkaufen können, ob wir uns Geld leihen sollten, denn wir haben sehr viel Geld verloren, das wir auf der Bank angelegt hatten. Wir mussten uns sehr anstrengen, um aus dieser Situation wieder herauszukommen, und es dauerte einige Jahre. Aber glücklicherweise hat sich die Lage jetzt wieder halbwegs normalisiert, obwohl sie sich im Moment eher zu verschlechtern scheint. "

    Seit zweieinhalb Jahren erholt sich die argentinische Wirtschaft erstaunlich gut. Das Land hat in etwa wieder das Niveau von 1998 erreicht. Der Export boomt, und dem seit Mai 2003 amtierenden Präsidenten Nestor Kirchner gelang ein Coup, als er Privatanleger aus aller Welt zwang, auf zwei Drittel des Wertes ihrer Staatsanleihen zu verzichten. Jetzt hat der Staat weniger Schulden, mehr Handlungsspielraum, aber auch ein ramponiertes Image, sagt der Finanzexperte Carlos Melconian:

    " Der Umtausch der argentinischen Schulden war ein administrativer Fortschritt, um den Konflikt zu beenden, den Argentinien mit der Welt hatte. Aber noch ist dieser Prozess nicht abgeschlossen. Und, es war ein so marktunfreundlicher Prozess mit soviel Geldverlust für die Gläubiger, dass er kein Vertrauen in Argentinien gebracht hat. Die Welt sieht es als einen administrativen Schritt, um Ordnung in die große Unordnung zu bringen, in der das Land steckte. Aber es hat kein Sex-Appeal und hat keine Investitionen angelockt. "

    Eine Großkundgebung auf der Plaza de Congresso in Buenos Aires. Der Unternehmer Juan Carlos Blumberg hat Hundertausende mobilisiert. An die Adresse der Regierung gerichtet fordert Blumberg Sicherheit und Gerechtigkeit:

    Wut und Angst treiben immer mehr Menschen in Argentinien auf die Straße. Seit der Krise ist die Kriminalität dramatisch gestiegen. Blumbergs Sohn wurde Opfer der berüchtigten Blitzentführungen: Frauen, Kinder, Angehörige wohlhabender Geschäftsleute werden auf offener Straße gekidnappt. Die meisten werden nach wenigen Stunden gegen Lösegeld freigelassen. Einige aber wurden - wie Blumbergs Sohn - ermordet. Angehörige und Freunde von Opfern sind verzweifelt:

    " Herr Präsident, wir müssen was tun. Helfen Sie uns. Helfen Sie unseren Kindern. Eines Tages wird man auch Ihren Sohn entführen. Wir leiden, alle argentinischen Mütter leiden. Und wir weinen. "

    Wenigstens haben die Massenproteste bewirkt, dass die Zahl der Blitzentführungen inzwischen deutlich zurückgegangen ist. Aber das Kernproblem bleibt: Die schlecht bezahlte und korrupte Polizei schafft es nicht, die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Das sei die Wurzel des Übels, glaubt Blumberg:

    " Wir brauchen eine neue Polizei, die gut bezahlt ist, ausreichend zu essen und soziale Sicherheit hat und in Würde mit ihrer Familie lebt. "

    Einbrüche, Diebstahldelikte und auch Raubüberfälle haben seit der Krise deutlich zugenommen, vor allem in der Provinz Buenos Aires. Die Gewaltbereitschaft ist gewachsen, und es sind vor allem Jugendliche, die Sorgen machen, sagt der Polizeikommandant von Buenos Aires:

    " Die Täter sind in den letzten Jahren immer jünger geworden. Es handelt sich um viele jüngere Leute, die auch viel unerfahrener sind und schnell Gewalt ausüben, wenn sie jemanden ausrauben, und der zeigt irgendeine Reaktion. Das Verbrechen ist heute in der Hauptstadt Buenos Aires gewalttätiger geworden, und das ist auch auf einen Werteverlust zurückzuführen. Der Verbrecher hat den Wert "Leben" verloren, und weil er das Leben nicht schätzt, kann auch nicht das Leben anderer schätzen. "

    Eine Demonstration vor dem Kongressgebäude in Buenos Aires. Auf dem Dach eines Lautsprecherwagens singt eine junge Frau ein Lied über korrupte Politiker, geldgierige Wirtschaftsbosse - und über ihre Gegenspieler, die so genannten "Piqueteros", die Bewegung der Arbeitslosen und Armen, der sich landesweit Zehntausende von Betroffenen angeschlossen haben. Vor dem Lautsprecherwagen marschieren Dutzende von Männern mit Holz- oder Schlagstöcken in der Hand - Symbole grimmiger Entschlossenheit. Die Piqueteros beschränken sich nicht aufs Demonstrieren - landesweit legen sie mit gezielten, illegalen Blockadeaktionen immer wieder Fern- und Zufahrtsstraßen zu den Ballungsräumen lahm. Die Piqueteros sind zu einem wichtigen Faktor der argentinischen Politik geworden, sagt der Journalist Oscar Raul Cardoso vom Clarin, der größten Tageszeitung Argentiniens:

    " Das ist ein Teil des gesellschaftlichen Wandels. Die "Piqueteros" sind nicht nur die Konsequenz der letzten vier oder fünf Jahre. Sie sind der Ausdruck der Art und Weise, wie die argentinische Gesellschaft sich nach der Zeit der Diktatur mit all den schlimmen Geschehnissen und ihrer wirtschaftlichen Ausgrenzung neu zu formieren versucht. Dieses Phänomen ist kein Resultat der jüngeren Geschichte, sondern das Ergebnis der argentinischen Vergangenheit der letzten zwei Generationen, der letzten 30 oder 40 Jahre. "

    Politisch haben die Piqueteros einiges erreicht: Die Sozialhilfe wurde erhöht und arbeitslose Jugendliche und Rentner in die Zahlungen mit einbezogen. Präsident Nestor Kirchner hat für die Forderungen der Piqueteros meist ein offenes Ohr, bewilligt immer wieder Gelder, um gezielt zu helfen: Aber vor einer generellen Reform des Sozialstaates schreckt er zurück. Viele Piqueteros wollen die Politiker deshalb auch nicht nur zum Umdenken, sondern zum Abdanken zwingen, sagt Adrian Marino, ein Piquetero aus Mar del Plata:

    " Das Volk gibt ihnen seine Stimme, damit diese Leute arbeiten, die müssten uns Arbeitsplätze garantieren, genauso wie Gesundheit und Erziehung. Das sind drei grundlegende Forderungen der Gesellschaft, die die Regierung nicht erfüllt. Da wir das Volk sind und sie für uns arbeiten müssen, werden wir sie vertreiben wie es jeder Chef tut, wenn sein Angestellter seine Pflicht nicht erfüllt, das ist es, was mit dieser Politiker- und Unternehmerklasse und den Gewerkschaften hier in Argentinien geschehen wird. "

    Armut, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und Korruption: Es sind immer die gleichen Themen, die die Argentinier bewegen. Die politischen Parteien sind Machtzirkel, in denen Programme und Konzepte bestenfalls Alibicharakter haben. Alle Umfragen deuten daraufhin, dass sich bei den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag wieder nichts ändert. Kein Warnsignal also an die herrschende Politik, radikale Änderungen vorzunehmen, wie sie Experten vehement fordern, meint der angesehene Journalist Oscar Raul Cardoso vom Clarin, der größten Tageszeitung in Argentinien:

    " Die politische Führung erscheint mir, als würde sie nach der Choreographie einer anderen Zeit tanzen. Sie kümmert sich weiterhin um Wahltermine und alltägliche Sachen, als sei nichts geschehen. Dabei gibt es in Argentinien inzwischen eine tiefe Kluft zwischen der Gesellschaft und dem Staat. Diese Krise zeigt diesen Bruch. Aber das hat für die Politik, für die Parteien und die Regierung nicht die geringste Bedeutung."